Mehr ACE-2, weniger Abwehrkräfte

Schlaganfall als Risikofaktor – warum eigentlich? Cynthia Möthrath, 07.04.2021 14:26 Uhr

Auswirkungen auf den ganzen Körper: Nach einem Schlaganfall steigt das Risiko für schwere Covid-19-Verläufe. Schuld ist offenbar eine erhöhte ACE-2-Konzentration. Foto: Tomasz Makowski/shutterstock.com
Berlin - 

Schlaganfall-Patienten zählen bekanntermaßen zur Hochrisikogruppe für einen schweren Verlauf von Covid-19. Aber warum macht ein Schlaganfall eigentlich anfälliger? Wissenschaftler:innen der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen haben sich dieser Frage angenommen und mögliche Erklärungen gefunden.

Mithilfe eines experimentellen Modells haben die Forscher:innen aus Essen versucht zu ergründen, warum Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, häufiger an schweren Covid-Verläufen erkranken. Ihre Ergebnisse wurden im Fachjournal „Brain, Behavior and Immunity“ vorgestellt.

Anhand des Modells versuchte das Team den Zustand eines Schlaganfalls nachzuahmen. Besonderer Fokus lag dabei auf dem angiotensin-converting enzyme-2 (ACE-2) und seinen Veränderungen. Mittlerweile ist bekannt, dass das Protein und seine entsprechenden Rezeptoren eine wesentliche Rolle beim Eintritt von Sars-CoV-2 in die Zellen spielen.

Den Forscher:innen fiel auf, dass bereits einen Tag nach der Auslösung des Schlaganfalls mehr ACE-2 in den Lungen vorhanden war. Dabei zeigte sich ein Muster: Je schwerer die Defizite nach einem Schlaganfall, umso höher das ACE-2-Level in der Lunge. „Ein Schlaganfall führt dazu, dass verschiedene Entzündungssignale im Hirn freigesetzt werden“, erklärt Vikramjeet Singh, Neuroimmunologe am Institut für Experimentelle Immunologie und Bildgebung. Dadurch könnte es auch zu Auswirkungen auf weiter entfernte Organe kommen. Erste Messungen zeigten jedoch keine Veränderungen der ACE-Plasmakonzentrationen in Herz, Niere und Gehirn.

Allerdings konnte das Team eine Erhöhung von Entzündungsmakern feststellen, außerdem waren die weißen Blutkörperchen verringert – letzteres deutet auf eine geschwächte Abwehr hin. „Auf der Basis unserer präklinischen Befunde vermuten wir daher, dass möglicherweise auch Menschen mit Hirnverletzungen durch gesteigerte ACE-2-Expression eine erhöhte Bindungsaffinität für Sars-CoV-2 in der Lunge entwickeln und sich so deren Anfälligkeit für Coronainfektionen erhöht.“ Die Beobachtungen könnten somit erklären, warum viele Schlaganfall-Patienten anfälliger für einen schweren Covid-Verlauf sind.