Nicht nur ACE-2

Neuropilin: Zweiter Eintritts-Rezeptor für Sars-CoV-2 Cynthia Möthrath, 23.10.2020 13:23 Uhr

ACE-2 scheint nicht der einzige Eintritts-Rezeptor für Sars-CoV-2 zu sein – Neuropilin 1 könnte die breitgefächerten Symptome von Covid-19 erklären. Foto: Naeblys/shutterstock.com
Berlin - 

Das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 nutzt den ACE-2-Rezeptor, um in die Körperzellen einzudringen. Nun haben zwei Forscherteams einen weiteren Rezeptor gefunden, der die Ausbreitung des Virus im Körper und das breite Symptomspektrum erklärt.

Nachdem Sars-CoV-2 identifiziert wurde, war einer der ersten Schritte herauszufinden, welche Rezeptoren das Virus für den Zelleintritt nutzt. Die Frage konnte relativ früh geklärt werden: Schnell wurden die ACE-2-Rezeptoren als Eintrittspforte ermittelt. Mit seinen charakteristischen Spike-Proteinen bindet Sars-CoV-2 an den ACE-2-Rezeptor und dringt dann nach einer Aktivierung durch die Serinprotease TMPRSS2 in die Zellen ein.

Doch ACE-2 scheint nicht der einzige Rezeptor zu sein, der den Eintritt ermöglicht. Im Fachjournal „Science“ veröffentlichten zwei Forscherteams kürzlich, dass auch Neuropilin 1 eine Rolle spielt. Im Vergleich zu Sars-CoV-1 hat das neue Coronavirus Sars-CoV-2 eine Spaltstelle für die sogenannte „Furinprotease“ im Spikeprotein. Dabei handelt es sich um ein Enzym, welches in den Atemwegen vorkommt. Durch die Spaltung entstehen die beiden Proteine S1 und S2 – eins der Enden von S1 hat bei Sars-CoV-2 Ähnlichkeit mit einem Peptid, welches an Neuropilin 1 bindet.

Neuropilin in Lunge, Gefäßen und Riechepithel

Zellen, die sowohl einen Rezeptor für Neuropilin 1 wie auch für ACE-2 auf der Oberfläche besitzen, könnten demnach besonders leicht von Sars-CoV-2 befallen werden, da es leichter eindringen kann. Neuropilin 1 findet sich vor allem in den Atemwegen, Blutgefäßen und Neuronen – somit könnten auch die vermehrten neurologischen Symptome und die Ausbreitung im ganzen Körper erklärt werden. Außerdem ließen sich hohe Konzentrationen des Rezeptors auf dem Riechepithel nachweisen. Auch die charakteristischen Riechstörungen wären dadurch plausibel erklärt.

Untersuchungen erklären Symptom-Vielfalt

Forscher der Universität Bristol haben die Bindung von S1 an Neuropilin 1 bereits durch eine Röntgenkristallografie und durch biochemische Experimente nachgewiesen. Auch ein Team der Universität Helsinki und Forscher der Technischen Universität München konnten bereits Nachweise liefern und ähnliche Ergebnisse zeigen.

Im Tiermodell konnte an Mäusen gezeigt werden, dass Neuropilin 1 einen Transport der Viruspartikel von der Nasenschleimhaut zum zentralen Nervensystem ermöglicht. Auch an sechs verstorbenen Covid-Patienten konnte die Infektion des Riechepithels nachgewiesen werden. Dabei sei das Virus ebenfalls in den neutralen Vorläuferzellen gefunden worden – dies erkläre die mögliche Infektion des Gehirns, da eine direkte Verbindung bestehe.

Die neuen Erkenntnisse könnten Einfluss auf die Therapie von Covid-19 haben: In Zellkulturen konnte das Eindringen bereits durch monoklonale Antikörper oder mit sogenannten Neuropilin-1-Antagonisten verhindert werden. Studien müssen allerdings noch die Sicherheit und Wirksamkeit am Menschen belegen.