Mundspüllösungen

Chlorhexidin: Arzneimittel oder nicht?

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Berlin -

Der Hersteller Sunstar steckt in der Zwickmühle: Noch vermarktet er seine Chlorhexidin-Mundspüllösung „Gum Paroex 0,12 Prozent“ als Kosmetikum. Die Konkurrenz hält die Lösung hingegen für ein Arzneimittel. Nach einem wilden Ritt durch die Instanzen muss sich nun bereits das siebte Mal ein Gericht mit dem Problem befassen. Um das Produkt weiterhin außerhalb von Apotheken vertreiben zu dürfen, müsste der Hersteller nun nachweisen, dass es nicht wirkt.

Um die Mundspüllösung wird schon jahrelang gestritten. Das Produkt enthält 0,12 Prozent des Antiseptikums Chlorhexidin und wird als kosmetisches Mittel vertrieben. Das war den Konkurrenten, der „Chemischen Fabrik Kreussler“ und GlaxoSmithKline (GSK), ein Dorn im Auge. Sie vertreiben die Mundspülungen Dynexan Proaktiv beziehungsweise Chlorhexamed als Arzneimittel und klagten gegen Sunstar. Kreussler selbst hatte sein Produkt zunächst als Kosmetikum vertrieben und war von GSK verklagt worden. Inzwischen vertreten die Hersteller somit die gleiche Position.

Seitdem laufen zahlreiche Verfahren. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) hatten die Klage von Kreussler zunächst abgewiesen. Dabei bezogen sich die Richter auf eine EU-Richtlinie: Aus dieser gehe hervor, dass eine pharmakologische Wirkung nur dann gegeben sei, wenn eine Wechselwirkung zwischen den Molekülen der Substanz und einem zellulären Bestandteil des Körpers des Anwenders bestehe. Da dies nicht der Fall sei, handele es sich bei der Lösung nicht um ein Arzneimittel.

Kreussler legte beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision ein – mit Erfolg. Die Richter erklärten, eine pharmakologische Wirkung liege auch dann vor, wenn die Moleküle „eine ohne sie gegebene Einwirkung anderer Stoffe auf die Körperzellen verhindern“. Sie verwiesen den Fall zurück an das OLG, damit die pharmakologische Wirkung konkret untersucht wird.

Die Frankfurter Richter setzten das Verfahren dann aber aus und wandten sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der sollte klären, was der EU-Richtlinie zufolge eine pharmakologische Wirkung ist. Die Richter in Luxemburg bestätigten die Rechtsauffassung des BGH: Entscheidend sei, dass eine Substanz die physiologischen Funktionen wiederherstellt. Daher können auch Präparate, deren Moleküle keine Wechselwirkungen mit einem zellulären Bestandteil des Menschen aufweisen, als Arzneimittel gelten.

Das OLG hat der Klage daraufhin stattgegeben und entschieden, dass das Produkt kein kosmetisches Mittel, sondern ein Funktionsarzneimittel ist. Dagegen legte wiederum Sunstar Revision ein – und bekam vom BGH teilweise recht. Das OLG Frankfurt muss sich nun ein drittes Mal mit dem Fall befassen und klären, wie das Produkt wirkt.

Zwar habe das Gericht zu recht angenommen, dass eine pharmakologische Wirkung vorliege – es habe aber nicht geprüft, ob die Mundspüllösung bei bestimmungsgemäßen Gebrauch zu einer signifikanten Beeinflussung der physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers führe, so der BGH. Denn nur dann handele es sich um ein Funktionsarzneimittel. Produkte, die – unabhängig von ihrer Wirksamkeit – durch ihre Bezeichnung oder ihre Aufmachung so wirken, als ob sie Krankheiten heilen oder verhindern, sind hingegen Präsentationsarzneimittel.

Der BGH verweist auf die Monografie des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahr 1994: Diese geht von einer antimikrobiellen Wirkung von Chlorhexidin aus, wenn zwei- bis dreimal täglich für jeweils eine Minute mit mindestens 10 ml einer 0,1- bis 0,2-prozentigen Chlorhexidinlösung gespült wird. Paroex soll jedoch maximal eine Minute am Tag angewendet werden. Es geht also um die Frage, ob die Lösung trotz der anderen Anwendungsdauer einen signifikanten Einfluss auf die physiologischen Funktionen hat.

Aus Sicht des BGH waren die Frankfurter Richter fälschlicherweise davon ausgegangen, eine Wirkung sei gegeben, da Sunstar der 0,12-prozentigen Lösung in seiner Wirkung den gleichen Nutzen wie der 0,2-prozentigen Lösung zuschreibt.

Diese Behauptung sei aber allenfalls geeignet, Paroex zu einem Präsentationsarzneimittel zu machen. Von einem Funktionsarzneimittel könne hingegen nur ausgegangen werden, wenn die pharmakologische Wirkung feststellbar sei. Aufgrund der Werbeangaben könne dies nicht angenommen werden. Das OLG muss daher prüfen, ob Paroex bei bestimmungsgemäßem Gebrauch einen Einfluss auf die physiologischen Funktionen des Menschen hat.

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