Lipidsenker

PCSK9-Hemmer: Statine waren gestern

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Berlin -

Zu hohe Blutfettwerte sind ein Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall. Eine neue Wirkstoffklasse, die PCSK9-Inhibitoren, soll bereits nach wenigen Wochen den Cholesterinwert wesentlich stärker senken als die bisher gängigen Statine. Die ersten beiden Vertreter der neuen Wirkstoffklasse wurden vor wenigen Monaten zugelassen. Über die Wirkung und den Stellenwert der PCSK9-Hemmer äußerten sich Experten der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM). Sie sehen in den neuen Medikamenten großes Potenzial.

Ärzte raten zu einer konsequenten Senkung des Serumspiegels von LDL-Cholesterin unter einen Wert von 160 mg/dl – bei Menschen mit Diabetes unter 100 mg/dl und bei Patienten, die bereits einen Herzinfarkt hinter sich haben, sogar unter 70 mg/dl. „Diese Werte sind bei manchen Patienten mit den bisher verfügbaren Wirkstoffen nur schwer zu erreichen“, sagt Professor Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, stellvertretende Vorsitzende der DGIM und Leiterin der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie des Klinikums München-Bogenhausen.

Die Abkürzung PCSK9 steht für „Proprotein Convertase Subtilisin/Kexin Typ 9", ein am Fettstoffwechsel beteiligtes Enzym, dessen Rolle bei der Regulation des LDL-Cholesterinspiegels im Jahr 2003 entdeckt wurde. „Damals wurden Mutationen im PCSK9-Gen als Ursache schwerer erblicher Fettstoffwechselstörungen identifiziert“, erklärt Schumm-Draeger.

Die Betroffenen verfügen über eine überaktive Variante des Gens. Da die PCSK9 den Abbau des LDL-Rezeptors unterstützt, mit dessen Hilfe eigentlich LDL-Cholesterin aus dem Blut in die Zelle aufgenommen werden soll, resultieren extrem hohe LDL-Cholesterinwerte im Blut. Es gilt die Regel: Viel PCSK9 – wenig Rezeptor – hoher Cholesterinspiegel.

Es gibt allerdings auch gegenteilige PCSK9-Mutationen, bei denen das Gen inaktiv ist oder nur zu einem funktionslosen Protein führt. „Träger dieser Mutationen weisen sehr niedrige LDL-Cholesterinwerte auf, haben ein geringes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, aber offenbar keinerlei gesundheitliche Nachteile“, sagt Schumm-Draeger. Diesen Effekt habe man sich zu Nutzen gemacht, um neurartige Medikamente zu entwickeln, die den Cholesterinwert senken.

Bislang ist eine Therapie mit einem PCSK9-Hemmer nur dann angezeigt, wenn der Patient Statine nicht verträgt oder sich der Cholesterinspiegel trotz Einnahme in Verbindung mit cholesterinarmer Ernährung nicht ausreichend senken lässt. „Es ist bemerkenswert, dass der LDL-Wert noch einmal um 50 bis 60 Prozent stärker gesenkt werden kann als bei Statin-Einnahme“, zeigt sich Professor Dr. Gerd Hasenfuß, Vorsitzender der DGIM, beeindruckt.

Der PCSK9-Antikörper wird in Fertigspritzen ausgeliefert. Der Patient muss sich die voreingestellte Dosis alle zwei beziehungsweise alle vier Wochen selbst unter die Haut spritzen. Als häufigste Nebenwirkung tritt daher eine Rötung an der Injektionsstelle auf. Möglich ist auch eine verstärkte Neigung zu Atemwegsinfekten. „Über mögliche weitere, sehr seltene Nebenwirkungen kann allerdings erst die langfristige Beobachtung in der Praxis Aufschluss geben“, betont Schumm-Draeger.

Die Anwendung der PCSK9-Antikörper ist bislang für Hochrisiko-Patienten vorgesehen. Patienten, die bereits kardiovaskuläre Ereignisse hatten und solche, die mit Statintherapie die hohen Blutfettwerte nicht in den Griff bekommen, sollen mit den Wirkstoffen eine Alternative bekommen. Repatha (Evolocumab) von Amgen wurde im September zugelassen, eine Spritze kostet 742,26 Euro als Zweierpackung; zusätzlich ist eine Packung mit sechs Fertigpens für 2184,15 Euro erhältlich. Praluent (Alirocumab, Sanofi) ist für 376,62 Euro erhältlich, die Zweierpackung kostet ebenfalls 742,26 Euro. Pfizer hat mit Bococizumab ebenfalls einen Kandidaten in der Entwicklung.

Hierzulande sind Statine die am häufigsten verordneten Lipidsenker: 1,8 Milliarden Tagestherapiedosen (DDD) wurden laut Arzneiverordnungsreport 2014 auf Kassenrezept verschrieben, die eine tägliche Behandlung von fünf Millionen Patienten mit Standarddosen ermöglichen. Der Löwenanteil von 1,4 Milliarden DDD entfiel auf Simvastatin. Atorvastatin (324 Millionen DDD), Pravastatin (76 Millionen DDD), Fluvastatin (44,8 Millionen DDD) und Lovastatin (3,9 Millionen DDD) sind von untergeordneter Bedeutung.

Auch Fenofibrat (29 Millionen DDD) und Bezafibrat (14,2 Millionen DDD) spielen eine geringe Rolle, genauso wie Ezetrol (Ezetinib) und Inegy (Ezetinib/Simvastatin) mit insgesamt 82,8 Millionen DDD. Bei den Präparaten mit Omega-3-Fettsäuren wurden 4,5 Millionen DDD verordnet, bei Colestyramin 2 Millionen DDD.

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