Lieferengpässe

Ansturm auf den letzten Polio-Impfstoff

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Berlin -

Die Lieferprobleme bei wichtigen Standardimpfstoffen reißen nicht ab. Aktuell ist nur noch ein einziger Impfstoff gegen Polio im Kinder- und Erwachsenenalter lieferbar. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt Ärzten, soweit möglich auf die letzte Alternative auszuweichen, in den Apotheken nach Restbeständen zu fragen oder Impfungen zu verschieben.

Polio gehört zu den Standardimpfungen, die im Säuglingsalter mit den üblichen Kombinationsimpfstoffen abgedeckt werden. Hier gab es zwar Probleme, zuletzt hat sich die Lage aber zumindest beim Sechsfachimpfstoff entspannt. Eine Auffrischimpfung gegen Polio wird im Alter zwischen 9 und 18 Jahren durchgeführt, auch Erwachsene ohne kompletten Impfschutz, Reisende in Risikogebiete und medizinisches Personal beziehungsweise Mitarbeiter in Flüchtlingsunterkünften sollten nach zehn Jahren neu geimpft werden.

Neben dem Monoimpfstoff gibt es zusätzlich Kombinationen, die auch gegen Tetanus und Diphtherie sowie teilweise gegen Keuchhusten wirken. Diese Vakzine sind jedoch fast durchweg seit Monaten nicht lieferbar.

Der Einzelimpfstoff IPV Mérieux von Sanofi Pasteur MSD (SPMSD) fiel bereits im vergangenen September aus. Nach einer kurzen Entspannung im Frühsommer meldete sich der Hersteller im August bei der Großpackung defekt, jetzt ist auch die Packung mit einer Spritze nicht zu bekommen. Vor November ist nicht mit Nachschub zu rechnen.

Die STIKO empfiehlt, auf die Kombinationsimpfstoffe auszuweichen. Doch das ist nicht so einfach, denn auch die sind seit Monaten größtenteils nicht lieferbar. Boostrix Polio von GlaxoSmithKline (GSK) fiel im Oktober vergangenen Jahres aus und konnte nur im Frühjahr für einige Wochen bestellt werden. Die Einzelspritze des Impfstoffs, der ab dem 4. Geburtstag angewendet werden kann, ist seit Mai nicht mehr erhältlich und frühestens Anfang kommenden Jahres wieder verfügbar. Am Donnerstag meldete der Hersteller auch den Ausfall der 10er-Packung – voraussichtlich bis Oktober.

Das Konkurrenzprodukt von SPMSD heißt Repevax und ist ebenfalls seit vergangenem Herbst von Lieferproblemen betroffen. Im Januar entspannte sich die Lage, doch im April strich der Hersteller die Segel. Selbst die Website ist derzeit nicht zu erreichen. Wann wieder Ware zu bekommen ist, lässt sich nach Firmenangaben derzeit nicht vorhersagen. Der Impfstoff kann ab drei Jahren eingesetzt werden.

Einzige verfügbare Alternative ist derzeit Revaxis, ebenfalls ein Kombinationsimpstoff von SPMSD zur Anwendung ab fünf Jahren, allerdings ohne Pertussis-Komponente. Hier ist kein Engpass gemeldet, der Großhandel ist bevorratet. Doch auch hier ist die Liefersituation instabil: Von April bis Juli fehlte die 10er-Packung. Je nachdem, wie lange die übrigen Impfstoffe defekt sind, könnten sich auch hier irgendwann die Lager leeren.

Laut STIKO sollten Ärzte bei Lieferengpässen auf verfügbare Impfstoffe mit vergleichbarem Antigengehalt zurückgreifen. Verfügbarkeiten von Impfstoffen sollten möglichst in mehreren Lieferapotheken abgefragt werden. Sind Kombinationsimpfstoffe nicht verfügbar, kann auch simultan mit niedriger valenten Kombinations- oder Einzelimpfstoffen geimpft werden.

Ansonsten sollte priorisiert werden. Bei vollständiger Grundimmunisierung können Auffrischimpfungen verschoben werden. Die empfohlenen Zeitintervalle für Auffrischimpfungen erlauben laut STIKO eine gewisse Flexibilität. Für verschobene Impfungen sollte aber ein Erinnerungssystem eingerichtet werden, das bei Wiederverfügbarkeit von Impfstoffen an neue Impftermine erinnert.

Im Frühsommer war es zum Notstand bei den sechsvalenten Impfstoffen Infanrix hexa (GSK) oder Hexyon (Sanofi Pasteur MSD) gekommen: Beide Vakzine zur Grundimmunisierung von Säuglingen waren komplett ausverkauft. Nur über Notimporte konnte die Versorgung gewährleistet werden – ein bis dahin beispielloser Vorgang.

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