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Neue Vorschrift für Pille danach

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Berlin -

Jetzt ist es amtlich: Wenn Patientinnen bestimmte Medikamente einnehmen, müssen Apotheker bei der Pille danach eine Verdopplung der Dosis in Betracht ziehen. Betroffen sind alle Notfallkontrazeptiva mit Levonorgestrel (LNG). Grund ist eine verstärkte Verstoffwechselung des Wirkstoffs bei gleichzeitiger Anwendung von CYP-Induktoren.

Der Hersteller Gedeon Richter informiert in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über verminderte Plasmaspiegel bei der Anwendung seines Notfallkontrazeptivums Postinor und CYP-Induktoren. Dieser Sachverhalt trifft selbstverständlich auch auf die anderen LNG-haltigen Notfallkontrazeptiva zu.

Wenn bis zu vier Wochen vor der Anwendung eines LNG-haltigen Notfallkontrazeptivums ein CYP3A4-induzierender Wirkstoff eingenommen wurde, kann dies zur Folge haben, dass das Notfallkontrazeptivum in der üblichen Dosierung von 1x1,5 mg nicht zuverlässig wirkt.

In solchen Fällen sollte daher eine Kupferspirale eingelegt werden. Diese kann noch bis zu fünf Tage nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr eingesetzt werden. Falls dies nicht möglich ist, sollte die Dosis des Notfallkontrazeptivums verdoppelt werden auf 3 mg LNG. Ulipristalacetat ist keine Alternative, da dessen Wirksamkeit durch CYP3A4-induzierende Arzneimittel noch viel stärker abgeschwächt wird.

Die Anwendung einiger enzyminduzierender Arzneimittel während der Schwangerschaft wurde zudem mit Geburtsfehlern in Verbindung gebracht. Es ist daher wichtig, dass bei Anwendung dieser Arzneimittel nach der Einnahme von Notfallkontrazeptiva eine Schwangerschaft ausgeschlossen wird. Die Patientinnen müssen hinsichtlich zuverlässiger, regelmäßig anzuwendender kontrazeptiver Methoden beraten werden.

Als Beispiele für CYP3A4-induzierende Wirkstoffe nennt der Hersteller Carbamazepin, Primidon, Phenobarbital, Phenytoin, Rifampicin, Ritonavir, Efavirenz, Johanniskraut und Griseofulvin. Im Mai war auf europäischer Ebene ein Verfahren gestartet, das in Großbritannien bereits zu neuen Hinweisen geführt hat.

Die meisten Kollegen sehen laut einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC der neuen Regelung gelassen entgegen – und gehen selbstbewusst mit der Verantwortung um. 54 Prozent der Teilnehmer trauen sich zu, im Einzelfall je nach Datenlage zu entscheiden. Nur 27 Prozent wollen kategorisch an den Arzt verweisen, der dann entscheiden soll. Nach wie vor eine Tablette wollen 12 Prozent der Teilnehmer empfehlen. Grundsätzlich zwei Tabletten wollen 4 Prozent bei entsprechender Comedikation abgeben.

Die Entscheidung der Patientin zu überlassen, ist keine Option. Nur 1 Prozent gab diese Möglichkeit an, genauso viele Kollegen hatten keine Meinung. An der Umfrage nahmen am 20. und 21. September 201 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teil.

Spannend wird die Frage, wie die neue Vorgabe im Leitfaden der Bundesapothekerkammer (BAK) umgesetzt wird. Bislang werden potenziell relevante Interaktionen erwähnt. Konkrete Empfehlungen gibt es aber derzeit nicht: „Weitere Angaben zu gegebenenfalls relevanten Wechselwirkungen finden sich in den jeweils gültigen Fachinformationen, auf die ausdrücklich hingewiesen wird“, heißt es. Apotheker sollen die Dauermedikation protokollieren und die Patientin gegebenenfalls zum Arzt schicken, der dann über die Einlage einer Kupferspirale entscheiden soll.

Notfallkontrazeptiva wurden im März 2015 aus der Rezeptpflicht entlassen. Auf die Zweifel – vor allem aus dem Lager der Frauenärzte – an der richtigen Beratung zu diesem Produkt reagierten die Apotheker: Die Kammern boten zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen an, die BAK entwickelte einen Leitfaden zur Beratung samt Checkliste für den HV-Tisch.

Nach IMS-Zahlen für das erste Quartal entfallen nach Packungen 65 Prozent EllaOne. Das Präparat mit 30 mg Ulipristal kann bis zu 120 statt 72 Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr angewendet werden und ist noch patentgeschützt. Auf das LNG-Original PiDaNa entfallen 29 Prozent, Postinor sowie die Generika von Hexal (Unofem) und Aristo (Levonoraristo) sind mit niedrigen einstelligen Prozentwerten von untergeordneter Bedeutung. Im Juni brachte auch Stada ein entsprechendes Produkt auf den Markt.

Einen Absatz-Höchststand erreichten die Notfall-Verhütungsmittel im vergangenen August mit mehr als 62.000 abgegebenen Packungen. Im September ging er dagegen wieder auf 55.800 zurück, um bis Ende des Jahres wieder auf etwas mehr als 61.000 zu steigen. Im Februar 2015, dem Monat vor der Rezeptfreiheit, hatte der Absatz noch bei etwas mehr als 38.000 Einheiten gelegen.

Mit der Entlassung der Notfallkontrazeptiva aus der Rezeptpflicht verschob sich die Verteilung der unterschiedlichen Abgabe- beziehungsweise Rezeptformen. Reichten davor 20 Prozent der Frauen ein Rezept einer Krankenkasse und 80 Prozent ein Rezept der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein, waren es nach der Freigabe nur noch 13 Prozent PKV- und 6 Prozent GKV-Rezepte. Vier von fünf Frauen kamen ohne Rezept. Im letzten Quartal 2015 lag die Verteilung sogar bei 85 Prozent Selbstmedikation sowie 10 Prozent PKV- und 4 Prozent GKV-Rezepte.

Ohne Rezept müssen Patientinnen das Arzneimittel selbst zahlen. Anspruch auf Kostenübernahme durch die Krankenkassen besteht nur nach Verschreibung und für Frauen und Mädchen unter 20 Jahren. Dennoch verzichten die allermeisten Frauen auf ärztliche Beratung und Rezept.

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