RNA gegen hohe Blutfettwerte

Inclisiran: Cholesterinsenker als Depotspritze

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Berlin -

Erhöhte Cholesterinwerte sind ein weltweit steigendes Problem. Der neuartige Cholesterinsenker Inclisiran konnte nun in mehreren Studien gute Ergebnisse erzielen. Das Besondere: Der Wirkstoff wird nicht wie bisherige Wirkstoffe als Tablette, sondern als halbjährliche Injektion angewendet. Die Therapie könnte damit in Zukunft wesentlich vereinfacht werden.

Beim Wirkstoff Inclisiran handelt es sich um ein modifiziertes RNA-Molekül. In den Zellen ahmt es einen natürlichen Abwehrmechanismus nach – es verhindert gezielt die Umsetzung von Genen in Proteine. Dabei fokussiert es sich auf die sogenannte „Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9“ (PCSK9) und hemmt deren Synthese in den Leberzellen.

Cholesterinwert halbiert

Durch die Hemmung kommt es zu einer deutlichen Senkung des Cholesterinwertes, wie nun drei randomisierte Studien an Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie oder atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erhöhtem LDL-Cholesterinwert zeigen konnten. Die Ergebnisse wurden im „New England Journal of Medicine“ (NEJM) vorgestellt.

Der Angriff an PCSK9 ist jedoch nicht neu: Mit Evolocumab und Alirocumab stehen bereits PCSK9-Hemmer als Reservemittel zur Behandlung hoher Cholesterinwerte zur Verfügung. Diese werden bisher jedoch nur eingesetzt, wenn Patienten unter einer herkömmlichen Therapie mit Statinen mit oder ohne Ezetimib keine zufriedenstellenden Werte erreichen. Oft werden sie daher bei Patienten mit einer familiären Vorbelastung und einer Rezeptor-Mutation angewendet: Das Gen für den LDL-Rezeptor ist bei ihnen so verändert, dass Cholesterin nur vermindert von den Leberzellen aufgenommen werden kann.

Mehrere Studien untermauern Wirksamkeit

In der „Orion-9“-Studie waren die knapp 500 Probanden vor Beginn der Untersuchung mit Statinen behandelt worden. Einige hatten zusätzlich Ezetimib erhalten. Dennoch lag der LDL-Wert durchschnittlich bei 153 mg/dl. Unter der anschließenden Behandlung mit Inclisiran konnte der Wert nahezu halbiert werden: Während in der Placebogruppe der Wert noch um knapp 10 Prozent anstieg, konnte er unter der Inclisiran-Therapie um 39,7 Prozent gesenkt werden. Andere PCSK9-Hemmer hätten zwar vermutlich ähnliche Ergebnisse erzielt, Inclisiran bringt jedoch einen wichtigen Vorteil mit sich: Der Wirkstoff muss lediglich halbjährlich in Form einer Injektion verabreicht werden. Die Compliance gestaltet sich damit wesentlich einfacher. Die anderen PCSK9-Hemmer müssen alle zwei bis vier Wochen injiziert werden.

Auch in zwei weiteren Studien konnte Inclisiran überzeugen: In „Orion-10“ und „Orion-11“ zeigten sich ähnliche Ergebnisse: „Orion-10“ umfasste mehr als 1500 Probanden aus den USA mit atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ASCVD), „Orion-11“ mehr als 1600 Teilnehmer aus Europa und Südafrika mit ASCVD oder entsprechenden Risikoäquivalenten.

Die Ausgangswerte des LDL-Werts lagen bei 104,7 mg/dl (Orion-10) beziehungsweise 105,5 mg/dl (Orion-11). Auch in diesen Studien konnte eine Reduzierung des Cholesterinwertes um 52,3 Prozent beziehungsweise 49,9 Prozent erreicht werden. In den Studien zeigte sich zudem ein gutes Sicherheitsprofil des Wirkstoffes: Es kam lediglich zu lokalen Hautreizungen an der Injektionsstelle. Labortests für Leber, Nieren oder Blutgerinnung waren unauffällig und auch sonst wurden keine Sicherheitsprobleme beobachtet.

Mit „Orion-4“ läuft nun eine weitere Endpunktstudie: In ihr soll an 15.000 Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, ischämischer Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit untersucht werden, ob Inclisiran zudem das Auftreten weiterer schwerer kardiovaskulärer Ereignisse verhindern kann. Erste Ergebnisse werden im Dezember 2024 erwartet.

Novartis kauft Inclisiran-Hersteller

Der Hersteller „The Medicine Company“ wurde kürzlich von Novartis gekauft – Experten zufolge waren die Gewinnerwartungen durch Inclisiran der Hauptgrund für die Firmenübernahme. Für den Wirkstoff wurden bereits Zulassungsanträge bei der US-Arzneimittelbehörde FDA und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Anwendung bei Erwachsenen mit ASCVD oder heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie beantragt. Das Einsatzgebiet soll Patienten umfassen, die mit anderen Lipidsenkern keine ausreichenden LDL-Werte erzielen. Ein breiter Einsatz wird aller Voraussicht nach durch die hohen Kosten des Medikamentes beschränkt.

Statine als Standardtherapie

Bisher werden zur Senkung der Cholesterinwerte vor allem Statine verwendet. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind Simvastatin, Atorvastatin und Pravastatin. Sie hemmen kompetitiv das Enzym „HMG-CoA-Reduktase“ in der Leber. Dadurch kommt es zu einem verminderten LDL-Cholesteringehalt, wodurch wiederum eine kompensatorisch erhöhte Synthese von LDL-Rezeptoren in den Leberzellen erfolgt. Dadurch kann das LDL-Cholesterin in höheren Mengen in die Zellen aufgenommen werden – folglich sinkt der Serumspiegel. Es erfolgt sozusagen indirekt eine Verschiebung aus dem Blut in die Zellen. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen neben Kopfschmerzen und Müdigkeit vor allem Magen-Darm-Beschwerden und Veränderungen im Blutbild. Außerdem wird bei einer Langzeittherapie ein erhöhtes Risiko an Typ-2-Diabetes oder einer Trübung der Augenlinse zu erkranken diskutiert. Die Einnahme der Wirkstoffe erfolgt in der Regel einmal täglich oral am Abend, da die körpereigene Cholesterinsynthese nachts am höchsten ist.

 

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