Pneumokokken-Impfstoff

Dreifachzucker gegen Lungenentzündung

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Berlin -

Impfstoffe sollen dem Immunsystem beibringen, sich gegen einen Eindringling zu wehren. Diese Substanzen können Zuckermoleküle enthalten, die aus den Hüllen der Bakterien gewonnen werden, gegen die der Impfstoff schützen soll. Diese Technologie wird auch bei den verfügbaren Präparaten gegen die Lungenentzündung genutzt. Künftig könnte der Schutz von einem hochvirulenten und antibiotikaresistenten Bakterium hinzukommen.

Die im Handel befindlichen Impfstoffe Prevenar 13 (Pfizer), Synflorix (GSK) und Pneumovax 23 (MSD) werden zur Immunisierung gegen Pneumokokken eingesetzt. Dabei enthalten die Präparate 13, 10 beziehungsweise 23 verschiedene Polysaccharide. Keiner der Impfstoffe kann jedoch das Immunsystem gegen Streptococcus pneumoniae vom Serotyp 8 (ST8) schützen, der vor allem in den USA ein großes Problem darstellt.

Charakteristische Zuckermoleküle auf der Oberfläche von Bakterien werden bereits seit vielen Jahren als Bestandteil von Impfstoffen verwendet. Die isolierten Kapselpolysaccharide und deren Gemische können jedoch nicht vor allen Subtypen des Erregers schützen. Die Herstellung ist zudem aufwendig und teuer.

Als Alternative ist die synthetische Herstellung dieser Zucker geeignet. Diese Verbindungen sind den Oberflächenmolekülen der Bakterien nachempfunden. Werden diese an Trägermoleküle gebunden, entstehen im Labor kostengünstigere und einfacher herzustellende Impfstoffe. Zudem ist kein Aufreinigungsprozess nötig. Diese Herstellungsvariante ist jedoch nur geeignet, wenn die Forscher genau wissen, welcher Bestandteil der Bakterienhülle die Immunität gegen den pathogenen Erreger verursacht.

Forschern des Max Planck Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam ist es nun gelungen, die Bildung von Antikörpern gegen ST8 nach Gabe eines Zuckers nachzuweisen. Bislang konnte der Effekt nur in Tiermodellen bestätigt werden. Die Forschergruppe arbeitet jedoch an einer Weiterentwicklung für die Anwendung am Menschen. Erste klinische Studien werden voraussichtlich in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres beginnen. „Die Herstellung konventioneller Impfstoffe gegen ST8 ist schwierig, weshalb die Entwicklung eines synthetischen Impfstoffs einen enormen medizinischen Fortschritt bedeuten würde”, so Max Planck Direktor Professor Dr. Peter Seeberger.

Die Wissenschaftler entwickelten ein automatisiertes Syntheseverfahren für eine Reihe verschiedener Zuckermoleküle, die verschiedenen Teilen des Kapselzuckers auf dem ST8-Bakterium entsprechen. Im Anschluss fanden die Forscher heraus, welche Polysaccharide tatsächlich von den Antikörpern erkannt werden, die gegen ST8 wirksam sind.

Diesen Molekülen sprachen die Wissenschaftler eine Schutzwirkung gegen den Serotypen zu und injizierten Mäusen das Molekül. Der Verdacht bestätigte sich und so wurden aufgrund einer bestimmten Zuckerverbindung wirksame Antikörper gebildet.

Die Forscher konnten in Untersuchungen bezüglich des Bindungsverhaltens der Antikörper belegen, dass ein Dreifachzucker aus zwei Glucose- und einer Galactoseeinheit die schützende Immunantwort vermittelt. Dieser Dreifachzucker ist bereits patentiert.

Der entwickelte synthetische Zucker wurde dann dem bekannten Impfstoff Prevenar 13 zugeführt und den Tieren appliziert. Im Resultat ergab sich ein erweitertes Wirkspektrum auf 14 statt der bekannten 13 Serotypen: Die Mäuse waren zusätzlich gegen den antibiotikaresistenten ST8-Erreger geschützt. Nun soll der Impfstoff für die Anwendung am Menschen weiterentwickelt werden. Das StartUp Vaxxilon arbeitet mit den Forschern des Max Planck Instituts zusammen. Die Wissenschaftler wollen zudem die Serotypen in Prevenar 13 optimieren. Ob man künftig eigene Impfstoffe zulassen oder mit Pfizer die Arbeit ausbauen wolle, sei noch nicht klar, so Seeberger.

„Synthetische Impfstoffe bedeuten einen Paradigmenwechsel innerhalb der Impfstoffforschung“, so Seeberger. „Sie sind präziser, effektiver und einfacher herzustellen als konventionelle Impfstoffe.“

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