Myelofibrose

FDA: Comeback für Fedratinib

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Berlin -

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Celgene die Zulassung für Inrebic (Fedratinib) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit bestimmten Arten von Myelofibrose erteilt. Nachdem der Wirkstoff unter Sanofi vor einigen Jahren aufgrund von schwerwiegenden Nebenwirkungen scheiterte, gibt es nun ein Comeback – und einen Rivalen für Jakavi (Ruxolitinib, Novartis) – dem einzigen anderen Medikament, das seit 2011 für diese Indikation zugelassen ist.

Fedratinib galt lange Zeit als potenzieller Blockbuster: 2013 wurde die Behandlung mit dem Wirkstoff jedoch durch die FDA gestoppt, nachdem einige Patienten eine sogenannte „Wernicke-Enzephalopathie“ entwickelten, ­ eine gefährliche neurologische Erkrankung, die mit einem Vitamin B-Mangel zusammenhängt. Das laufende Programm aus sieben klinischen Studien wurde abgebrochen und gestrichen. Anfang 2016 nahm sich John Hood der Sache erneut an: Er hatte den Wirkstoff unter Sanofi mitentwickelt und beschloss, mit seinem eigenen Unternehmen Impact Biomedicines die Rechte zurückzukaufen und Zulassungen zu erwirken.

Nachdem die klinischen Studien bei Sanofi beendet waren, wurden die betroffenen Patienten auf die Standardversorgung umgestellt und bekamen einen Rückfall. Hood stellte die These auf, dass die Nebenwirkungen, die die Aufsichtsbehörden im Jahr 2013 alarmierten, auf eine geringe Anzahl von Thiaminmangel-Fällen zurückzuführen seien, die mit der hohen Stoffwechselrate von Krebspatienten und der Unterernährung zusammenhängen. Anfang 2018 kaufte Celgene schließlich Impact Biomedicines: Unter dem Namen Inrebic kommt der Wirkstoff nun auf den Markt und wird bald in das Portfolio aufgenommen.

Inrebic ist ein selektiver, oraler Kinaseinhibitor mit Aktivität gegen die mutationsaktivierten Janus-assoziierten-Kinasen-2 (JAK2) und FMS-ähnlichen Tyrosinkinasen 3 (FLT3): Diese sind an der Signalübertragung in der Zelle beteiligt. Bei Myelofibrose-Patienten ist diese Übertragung gestört, was eine übermäßige Bildung von Blutzellen zur Folge hat. Dies führt zu einer Vergrößerung der Leber und der Milz. Das Arzneimittel ist für die Behandlung von primärer oder sekundärer Myelofibrose mit mittlerem oder hohem Risiko zugelassen.

Die Entscheidung der FDA beruht auf den Ergebnissen einer klinischen Studie, in der 289 Patienten mit Myelofibrose randomisiert zwei verschiedene Dosierungen – 400 mg oder 500 mg täglich oral – von Fedratinib oder Placebo erhielten. Es konnte gezeigt werden, dass bei 35 von 96 Patienten, die mit der Tagesdosis von 400 mg Fedratinib behandelt wurden, eine signifikante therapeutische Wirkung auftrat. Diese wurde an einer Verringerung des Milzvolumens gegenüber dem Ausgangswert um mindestens 35 Prozent am Ende von Woche 24 gemessen.

Das Auftreten von typischen Symptomen einer Myelofibrose wurde ebenfalls um 50 Prozent verringert: Nachtschweiß, Juckreiz, gastrointestinale Beschwerden, Schmerzen unter den linken Rippen sowie Knochen- und Muskelschmerzen wurden signifikant reduziert. Aufgrund der vorherigen Erkenntnisse über schwerwiegende Nebenwirkungen enthält der Beipackzettel ein sogenanntes „boxed warning“: Angehörige der Gesundheitsberufe und Patienten werden über das Risiko einer schweren und tödlichen Enzephalopathie und den damit verbundenen neurologischen Notfall in Zusammenhang mit einem Thiaminmangel informiert. Daher wird geraten, den Thiaminspiegel bei allen Patienten vor Beginn sowie während der Behandlung zu bestimmen. Bei Verdacht auf eine Enzephalopathie sollte Inrebic sofort abgesetzt werden.

Häufige Nebenwirkungen des Arzneimittels sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit und Muskelkrämpfe. Außerdem kann es bei Patienten zu einer schweren Anämie mit niedrigen Eisenspiegeln und einer Thrombozytopenie kommen. Die Patienten sollten zudem auf gastrointestinale Toxizität und Leberschäden überwacht werden. Wenn starker Durchfall oder starkes Erbrechen auftreten, sollte die Dosis sollte reduziert oder das Medikament abgesetzt werden.

Myelofibrose ist eine chronische Erkrankung, bei der sich im Knochenmark Narbengewebe bildet und die Produktion der Blutzellen vom Knochenmark in die Milz und die Leber übergeht. Dadurch kommt es zu einer Organvergrößerung, welche mit Symptomen wie extremer Müdigkeit, Atemnot, Schmerzen unter den Rippen, Fieber, Nachtschweiß, Juckreiz und Knochenschmerzen einhergeht. Tritt die Myelofibrose alleine auf, spricht man von „primärer Myelofibrose“. Eine „sekundäre Myelofibrose“ tritt auf, wenn eine übermäßige Produktion roter Blutkörperchen oder eine übermäßige Blutplättchenproduktion vorliegt, die sich zu einer Myelofibrose entwickelt.

Bisher war Jakavi das einzige Medikment, welches zur Behandlung der Myelofibrose zur Verfügung stand: Der Wirkstoff Ruxolitinib hemmt ebenso wie Fedratinib die JAK. Doch auch Jakavi hatte keinen leichten Start: Das in den USA von Incyte entwickelte Präparat ist seit 2012 auch in der EU zugelassen und wird von Novartis vertrieben. Von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zunächst als „Orphan Drug“ eingestuft, musste der medizinische Zusatznutzen nicht belegt werden.

Trotzdem hatte der G-BA zu prüfen, in welchem Ausmaß ein Zusatznutzen vorliegt: Im Frühjahr 2013 fiel das Urteil in der ersten Runde negativ aus. Damals fehlten laut G-BA Daten, um eine Verbesserung des Gesamtüberlebens feststellen zu können. Die Experten bescheinigten Ruxolitinib damals aber eine signifikante Verkleinerung der Milz und eine damit einhergehende Symptomlinderung. Da Ruxolitinib aber im Jahr 2013 – als erstes „Orphan Drug“ in Deutschland überhaupt – die Umsatzschwelle von 50 Millionen Euro überschritt, wurde im Mai ein zweiter Durchgang fällig und das Medikament konnte überzeugen.

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