Nebenwirkungen

Dopaminagonisten: Sexsucht auf Rezept

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Berlin -

Dopaminagonisten wie Pramipexol können bei Patienten mit Morbus Parkinson zu Impulskontrollstörungen führen. Patienten berichten dann von einer erhöhten Libido, die sie zum Teil schwer kontrollieren können. Außerdem geben sie dann gerne Geld aus und konsumieren in zwanghaftem Ausmaß. Auch pathologisches Spielen gehört zu den Nebenwirkungen solcher Substanzen. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass diese Effekte häufiger vorkommen als bisher angenommen.

Beim Morbus Parkinson sind dopaminerge Neurone degeneriert („Neurodegeneration“), was einen Dopaminmangel zur Folge hat. Um diesen auszugleichen, können Levodopa als Dopamin-Vorstufe oder Dopaminagonisten wie Pramipexol verwendet werden. Pramipexol bindet mit hoher Selektivität und Spezifität an Dopaminrezeptoren der D2-Subfamilie, hier bevorzugt an die D3-Rezeptoren. Der Arzneistoff kann entweder in Monotherapie oder in Kombination mit Levodopa eingesetzt werden.

Doch der Neurotransmitter ist nicht nur in dem motorischen System aktiv, sondern auch im Belohnungssystem des Gehirns. Das erklärt wahrscheinlich die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW), die in Zusammenhang mit einer Impulskontrolle stehen. Wissenschaftler betrachten die lang andauernde, wiederholte Stimulation des Belohnungssystems durch solche Medikamente als Auslöser dieser Störungen bei Parkinsonpatienten. Auch Tierexperimente geben Hinweise, darauf, dass das Dopamin-System auf die Steuerung des menschlichen Verhaltens maßgeblichen Einfluss hat.

In den Beipackzetteln werden derartige mögliche Nebenwirkungen beschrieben. Der Häufigkeit nach treten sie bei Pramipexol „gelegentlich” und damit bei einer oder mehr als einer Person von 1000 Behandelten, aber weniger als bei einer Person von 100 Behandelten auf. Die Liste der UAW ist lang: zwanghaftes Einkaufen, pathologisches Spielen (Spielsucht), Ruhelosigkeit, Hypersexualität, Wahnvorstellungen, Störungen der Libido, Wahn, Delirium, Essattacken sowie Hyperphagie können unter der Therapie mit dem Arzneistoff auftreten.

Bei Cabergolin hingegen ist die Häufigkeit „nicht bekannt”. Die Fachinformationen empfehlen, dass die Patienten regelmäßig im Hinblick auf die Entwicklung von Impulskontrollstörungen überwacht werden sollten. Eine Dosisreduktion oder ein schrittweises Absetzen sollten die behandelnden Ärzte in Betracht ziehen, wenn solche Symptome auftreten. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte 2013 von den Herstellern gefordert, darauf in den Fachinformationen deutlicher hinzuweisen und diese zu aktualisieren. Aber treten diese Nebenwirkung tatsächlich nur „gelegentlich” auf oder sind es gar nur Einzelfälle? Wie französische Wissenschaftler im Fachjournal „Neurology” berichten, sind Levodopa und Dopaminagonisten wahrscheinlich viel häufiger für Impulskontrollstörungen verantwortlich als bisher angenommen.

Die Forscher zogen für ihre prospektive Kohortenstudie die Daten von 411 Personen mit diagnostiziertem Morbus Parkinson heran. Die Studienteilnehmer waren durchschnittlich 62,3 Jahre alt und zu 40,6 Prozent weiblich. Sie litten maximal fünf Jahre unter der Krankheit. 356 Personen (86,6 Prozent) nahmen mindestens einen Dopaminagonisten seit Beginn der Erkrankung ein. Den Ergebnissen zufolge wies etwa jeder fünfte Patient bereits zu Beginn der Untersuchung mindestens eine Impulskontrollstörung auf. Nach fünf Jahren stieg die Prävalenz auf 32,8 Prozent. Wer noch zu Studienbeginn keine Verhaltensauffälligkeiten zeigte, trug ein hohes Risiko, diese während der Beobachtungszeit zu entwickeln.

Bei 306 Patienten, die zu Studienbeginn keine Impulskontrollstörung hatten, berichtete fast die Hälfte (46,1 Prozent) davon, in den folgenden fünf Jahren diese Nebenwirkungen bekommen zu haben. Unter den Patienten, die einen Dopaminagonisten erhielten, waren 51,5 Prozent betroffen, ohne einen solchen Wirkstoff hatten nur 12,4 Prozent eine Impulskontrollstörung. Die Wissenschaftler beobachteten zudem, dass Impulskontrollstörungen stark mit der Einnahme von Dopaminagonisten assoziiert waren. Nach Absetzen der Medikamente verschwanden die Verhaltensauffälligkeiten schrittweise, der Zustand der Patienten normalisierte sich mit der Zeit.

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