Wissenschaftler des Europäische Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg (EMBL) haben entdeckt, dass ein in Hustenmitteln zugelassener Wirkstoff potenziell zur Behandlung von Lungenfibrose eingesetzt werden könnte. Dextromethorphan, Bestandteil von rezeptfreien Erkältungspräparaten, könnte demnächst eine größere Rolle für Betroffene spielen.
Wenn das Lungengewebe geschädigt ist, verdickt und vernarbt, spricht man von einer Lungenfibrose. Die Folge sind Atemprobleme und eine verminderte Sauerstoffaufnahme ins Blut. Schlimmstenfalls endet die Erkrankung tödlich. Laut einer auf der Global Burden of Disease-Studie von 2019 basierenden Untersuchung ist die fibrotische Erkrankung für 17,8 Prozent der weltweiten Todesfälle verantwortlich. Das Problem: Bisher gibt es keine Heilung.
Lungenfibrose tritt meist bei älteren Erwachsenen auf und kann verschiedene Gründe haben, wie:
Wissenschaftler des EMBL arbeiteten gemeinsam mit dem Translational Lung Research Center (TLRC) Heidelberg und dem Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) an der Suche nach einer wirksamen Behandlung für Lungenfibrose. „Nachdem ich erfahren habe, dass es keine Heilung für Lungenfibrose gibt, wollte ich neuartige Medikamente für diese Erkrankung entdecken“, so Muzamil Majid Khan, Forschungsassistent am EMBL und Erstautor der Studie. Angesichts der Herausforderung, neue Medikamente zu entwickeln, beschlossen Khan und sein Team, bereits zugelassene und verfügbare Medikamente zu untersuchen.
Dabei fanden sie heraus, dass der beste Kandidat möglicherweise ein Wirkstoff ist, der bereits weltweit als Hustenmittel erhältlich ist: Dextromethorphan. Die kürzlich im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlichte Studie zeigt, dass das Antitussivum die Kollagenbildung in Zellen hemmen kann, die für Narbenbildung verantwortlich ist. Auf diesem Wege könnte die Lungenfibrose reduziert werden. Dextromethorphan wird bislang nur zur symptomatischen Behandlung des Reizhustens angewendet.
Im Rahmen der Studie testeten die Forschenden den Wirkstoff an menschlichen Lungenzellen und nutzten eine Vielzahl modernster Technologien, die zum Zeitpunkt der Zulassung viele dieser Medikamente noch nicht existierten. „Um ein potenzielles anti-fibrotisches Medikament zu identifizieren, haben wir zunächst eine hochdurchsatzfähige Mikroskopie eines optimierten ‚Narben-im-Glas‘-Assays verwendet, um potenzielle Medikamente zu finden, die den Kollagentransport hemmen“, erklärt Khan. „Anschließend kamen verschiedene Techniken wie Proteomik, Transkriptomik und Mikroskopie zum Einsatz, die es uns ermöglichten, die Wirkmechanismen des Medikaments zu entschlüsseln.“
Der „Narben-im-Glas“-Assay ist ein In-vitro-System zur Untersuchung von Lungenfibrose, das den gesamten Prozess der Kollagenbildung abbildet und somit als Modell zur Wirksamkeitsprüfung anti-fibrotischer Medikamente dient.
Diese Experimente führten zu Tests von Dextromethorphan an Mausmodellen für Lungenfibrose sowie an lebenden, dreidimensionalen, organotypischen menschlichen Lungengeweben, die im Labor kultiviert wurden. „Als Teil eines Konsortiums mit dem DZL konnten wir mit der Thoraxklinik Heidelberg zusammenarbeiten, und wir planen derzeit Phase-II-Studien, um zu prüfen, ob diese Ergebnisse auch bei menschlichen Patienten funktionieren“, so Dr. Rainer Pepperkok, EMBL-Gruppenleiter und Seniorautor der Studie.
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