Sekundärprävention

Colchicin für Herzinfarkt-Patienten?

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Berlin -

Das Alkaloid Colchicin ist derzeit nur zur Behandlung von Gicht zugelassen. Mehrere Studien konnten mittlerweile zeigen, dass es in niedriger Dosierung bei Patienten mit Herzinfarkt die Zahl der kardiovaskulären Ereignisse senken kann.

Colchicin ist ein Spindelgift und die natürlich vorkommende Substanz der Herbstzeitlosen. Die Anwendung des Alkaloids ist kritisch: Richtig dosiert kann es gegen die typischen Beschwerden eines akuten Gichtanfalls helfen. Initial wird bei einem solchen Gichtanfall 1 mg Colchicin eingenommen, zwei Stunden später erfolgt eine weitere Einnahme von 0,5 mg. Die Maximaldosis beträgt 2 mg pro Tag und 6 mg pro Gichtanfall. Die Dosierung der folgenden Tage wird individuell festgelegt. Wegen der geringen therapeutischen Breite darf die Höchstdosis nicht überschritten werden. Wird es überdosiert, kann es schnell zu Vergiftungserscheinungen kommen. In einigen Fällen kam es durch eine Falscheinnahme bereits zu Todesfällen. Durchfall und Erbrechen können ein erstes Anzeichen dafür sein.

Die Substanz hemmt die Fähigkeit der weißen Blutkörperchen daran, zielgerichtet zum Entzündungsherd zu wandern. Außerdem verhindert sie ein Anfeuern der Entzündungsreaktion durch eine gehemmte Produktion von proinflammatorischen Zytokinen. Colchicin gilt daher als antientzündlich und antiinflammatorisch. Entzündungsreaktionen gelten als Risikofaktor für das Fortschreiten von Atherosklerose. Der Ansatz einer möglichen Sekundärprävention ist daher zunehmend in den Fokus gerückt.

Colchicin zeigt Wirkung

Mehrere Studien haben sich in diesem Zusammenhang mittlerweile mit Colchicin beschäftigt: In die „Colcot-Studie“, deren Ergebnisse im vergangenen Jahr veröffentlicht wurden, waren mehr als 4700 Patienten eingeschlossen. In einem durchschnittlichen Alter von 61 Jahren hatten sie einen Herzinfarkt erlitten. Während der Studie wurden sie mit niedrigdosiertem Colchicin mit einer Tagesdosis von 0,5 mg behandelt. In der Nachbeobachtungszeit von 23 Monaten konnte schließlich ein Rückgang der kardiovaskulären Ereignisse beobachtet werden: Es kam zu weniger Krankenhausaufenthalten wegen Angina pectoris oder Schlaganfällen.

Studie bestätigt Schutzwirkung erneut

Forscher aus Australien und den Niederlanden beschäftigten sich kürzlich ebenfalls mit der Thematik: Die Studie „LoDoCo“ umfasste mehr als 5500 Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Bei 85 Prozent war diese aufgrund eines Herzinfarktes festgestellt und diagnostiziert worden. Nach einer 30-tägigen Behandlung mit ebenfalls 0,5 mg Colchicin wurden sie auf Placebo oder eine fortsetzende Behandlung randomisiert.

Primärer Endpunkt der Studie war eine Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder einer ischämiebedingten Revaskularisation der Koronarien. Dieser trat während der 30-monatigen Nachbeobachtungszeit bei den Patienten der Colchicingruppe in 6,8 Prozent der Fälle auf, bei der Placebogruppe waren es 9,6 Prozent. Auch sekundäre Endpunkte konnten unter Colchicin-Gabe gesenkt werden. Allerdings gab es einen Wermutstropfen: Denn die Zahl der nicht kardiovaskulären Todesfälle stieg von 0,5 auf 0,7 pro 100 Personenjahre leicht an.

Obwohl das Alkaloid in hohen Dosierungen giftig ist, wurde es in der niedrigen Dosis gut vertragen, sodass keine gravierenden Nebenwirkungen beobachtet wurden. Positiver Nebeneffekt: Die Diagnose Gicht verringerte sich um 60 Prozent. Den Forschern zufolge könne Colchicin damit als potenzielle Langzeitprävention von kardiovaskulären Ereignissen bei Patienten mit KHK in Erwägung gezogen werden.

 

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