Valsartan-Rückruf

Alternativen: Vor- und Nachteile anderer Sartane Deniz Cicek-Görkem, 11.07.2018 14:03 Uhr

Berlin - 

Diverse Valsartan-Präparate müssen zurück, Patienten sind verunsichert. Behörden empfehlen den Blutdrucksenker weiter einzunehmen, auf der anderen Seite ist die Rede von potenziell krebserregenden Substanzen. Betroffenen kann es in diesem Zusammenhang schwer fallen, verunreinigte Tabletten zu schlucken. Wenn die Compliance sehr gefährdet ist, sollte dem Patienten geraten werden, sich ein neues Rezept zu holen. Je nach Indikation und individuellen Gegebenheiten kann der Arzt beispielsweise ein nicht-betroffenes Valsartan-Präparat verordnen oder auch auf ein anderes Mittel derselben Gruppe umsteigen. Hier ein Überblick zur Chemie, Pharmakodynamik und -kinetik alternativer Sartane.

Sartane beziehungsweise AT1-Rezeptorantagonisten zählen zu den Antihypertensiva. In Deutschland sind acht verschiedene AT1-Rezeptorantagonisten auf dem Markt. Das erste Sartan war 1995 Losartan, danach folgten Valsartan, Eprosartan, Irbesartan, Candesartan, Telmisartan und Olmesartan. Zuletzt wurde 2012 Azilsartan in Deutschland eingeführt. Während die meisten Sartane in ihrer aktiven Form appliziert werden, sind Candesartan, Olmesartan und Azilsartan inaktive Ester-Prodrugs, die dann in vivo in die aktive Form umgewandelt werden. Alle Sartane sind von der chemischen Struktur her Imidazolderivate, die an der Biphenylseitenkette oder dem Tetrazolring modifiziert wurden.

Diese Arzneistoffe greifen in das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System ein und sind zugelassen zur Therapie der Hypertonie. Die übrigen Indikationen sind aufgrund der vorhandenen Studien unterschiedlich. So sind Losartan, Candesartan und Valsartan auch zur Therapie der Herzinsuffizienz geeignet. Losartan und Irbesartan sind zusätzlich bei einer diabetischen Nephropathie bei Diabetes Typ-2 und Hypertonie indiziert. Valsartan kann außerdem als Langzeitprophylaxe nach einem Herzinfarkt verwendet werden.

Die Fläche unter der Kurve der Serumkonzentration/Zeit (AUC) von allen verfügbaren Sartanen wird durch Nahrung nicht signifikant beeinflusst. Deshalb können alle Sartane unabhängig von den Mahlzeiten eingenommen werden, allerdings wird eine Applikation zur gleichen Tageszeit empfohlen. Alle Wirkstoffe haben eine lange Wirkdauer (24 Stunden) und werden einmal täglich eingenommen. Bezüglich der Dosierung gibt es daher keine Unterschiede; daher wird die Compliance in dieser Hinsicht nicht beeinflusst.

Einige Substanzen dissoziieren langsam vom AT1-Rezeptor. Wissenschaftler leiteten in einer älteren Studie im Austrian Journal of Cardiology daraus keine klinische Relevanz ab oder beobachteten keine. Für den relativ neuen Arzneistoff Azilsartan wurde allerdings bei einer Dosis von 80 mg eine signifikant höhere Senkung des systolischen Blutdrucks als unter den zugelassenen Höchstdosen von Olmesartanmedoxomil und Valsartan erreicht. Pharmakologische Unterschiede korrelieren nicht zwangsweise mit einer klinischen Relevanz. Hierzu ist die Datenlage noch spärlich; weitere Untersuchungen sind erforderlich.

Alle AT1-Antagonisten zeigen in pharmakologischen Experimenten einen deutlich dosisabhängigen Effekt bezüglich Blutdrucksenkung und hinsichtlich Antagonisierung der Ang II-vermittelten Vasokonstriktion. Die Dosis-Wirkungs-Beziehung ist mit den ACE-Hemmern vergleichbar.

Sartane sind nicht Mittel der Wahl und sind zunächst nur bei Unverträglichkeit der ACE-Hemmer indiziert. Sartane werden in der Regel gut vertragen, es gibt keine substanzspezifischen Nebenwirkungen. Während der Behandlung können beispielsweise Benommenheit, Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Durchfall, Dyspepsie, Bauchschmerzen, Tachykardie, Hyperkaliämie auftreten.

Nicht nur pharmakodynamisch, sondern auch -kinetisch können sich die Substanzen unterscheiden. Differenzen gibt es beispielsweise in der Bioverfügbarkeit und der Eliminationshalbwertszeit. Die Forscher legen nahe, dass selbst diese Unterschiede bisher keine klinische Relevanz hervorgerufen haben. Ein relevanter Unterschied könnten die Eliminationswege sein: Fast alle Sartane werden renal und hepatisch ausgeschieden, bis auf Telmisartan, dass hauptsächlich über die Leber eliminiert wird. Eventuell könnte dies ein Vorteil bei Niereninsuffizienz sein, kann aber bei schweren Leberfunktionsstörungen zu Dosisreduktion oder Kontraindikation führen.

Im Gegensatz zu Eprosartan, Telmisartan Olmesartan und Azilsartan werden alle Sartane über das CYP-450-System metabolisiert, was sie anfällig für Interaktionen und Comedikation macht. Es ist nicht sicher, ob es sich bei den Sartanen um eine homogene Medikamentengruppe handelt. So führten in Studien unterschiedliche Sartane zu einer unterschiedlichen Hospitalisierungsrate.

Laut Arzneiverordnungsreport entfallen auf Valsartan etwa 717 Millionen Tagestherapiedosen (DDD), nur Candesartan wird mit etwa einer Milliarde DDD häufiger verordnet. Losartan landet mit etwa 138 Millionen auf Platz 3 vor Telmisartan und Irbesartan. Olmesartan und Eprosartan sind aufgrund der Festbeträge zu vernachlässigen. Bei der Kombination mit HCT – insgesamt ebenfalls knapp 700 Millionen DDD – zeichnet sich ein ähnliches Bild.

Hypertonie ist ein wichtiger Risikofaktor für die kardiovaskulär bedingte Mortalität. Da es zunächst keine eindeutigen Symptome gibt, ist die Krankheit tückisch. Patienten fühlen sich wohl und merken nichts davon. Oft wird der Bluthochdruck erkannt, wenn bereits Organe geschädigt wurden. Die Entstehung von Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind vorprogrammiert. Deshalb sollten Patienten diese Hintergründe nahe gelegt und ihnen empfohlen werden die antihypertensive Medikation ohne ärztlichen Rat nicht abzusetzen.