Mehrere Kollegen vergiftet

Zolpidem-Kekse: Haftstrafe für Krankenschwester dpa/ APOTHEKE ADHOC, 27.05.2020 07:37 Uhr

Gefährliche Körperverletzung mit Keksen: Eine Krankenschwester muss drei Jahre in Haft, weil sie mehrere Kollegen vergiftet hat. Foto: shutterstock.com/ Eskemar
Berlin - 

Im Fall einer Krankenschwester, die ihren Kollegen mit Beruhigungsmitteln versetzte Kekse aufgetischt hat, ist am Dienstag ein Urteil ergangen. Die 54-Jährige muss wegen gefährlicher Körperverletzung für drei Jahre in Haft. Trotz einiger Unregelmäßigkeiten war der Fall für die Richter klar – bis auf einen Punkt.

Eine Krankenschwester backt für ihre Kollegen Kekse, gibt Schlaf- und Beruhigungsmittel hinzu und tischt sie in der Teeküche eines Bad Nauheimer Krankenhauses auf. Ahnungslos greifen mehrere Menschen zu und bekommen kurz darauf heftige gesundheitliche Probleme. Nach Überzeugung des Landgerichts Gießen ist dafür allein die 54-Jährige verantwortlich – die Richter verurteilten die Frau daher am Dienstag unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft.

Die Angeklagte hatte demnach im September 2017 und im März 2019 die Kekse zum Zugreifen mitgebracht. Drei Kollegen bekamen nach dem Naschen Symptome von Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit. Die Krankenschwester bestritt die Vorwürfe und betonte auch kurz vor der Verkündung des Urteils: „Ich kann immer nur wiederholen: Ich war's wirklich nicht.“

Zwar habe das Gericht kein Motiv feststellen können, sagte die Vorsitzende Richterin. Es gebe aber mehrere „unmittelbar tatbezogene Indizien“, die in der Gesamtschau zur Angeklagten als Täterin führten. Wichtigstes Beweisstück dabei: das Mixgerät der Frau. An diesem hafteten Spuren von Zolpidem und Oxazepam, die auch im Körper der betroffenen Kollegen nachgewiesen worden waren. Außerdem fanden Ermittler im Hausmüll der Angeklagten eine leere Beruhigungsmittel-Packung. Auch die Dienstzeiten der Frau passten laut Gericht zu den Vorfällen.

Dass ein anderer Täter die 54-Jährige zum Sündenbock macht, hielten die Richter für abwegig: Dazu hätte diese Person beispielsweise wissen müssen, wann die Angeklagte ihre Kekse mitbringt und just in dem Moment auch noch Zugriff auf ihren Mixer haben müssen, so die Vorsitzende. „Das sind mehr Zufälle, als in einer schlüssigen Beweisführung vorkommen können.“ Zudem gebe es keinerlei Hinweise darauf, dass jemand der Angeklagten – die als kompetente Kollegin gegolten habe – etwas Böses wollte. Die Angeklagte hatte ausgesagt, dass sie den Mixer einige Male mit in die Klinik genommen habe, um sich dort Smoothies zuzubereiten. Jeder hätte in die Küche hineingehen können. Den Fund der Beruhigungsmittel im Hausmüll erklärte sie damit, dass die Arznei für eine Kollegin gedacht gewesen sei, die öfter bei ihr übernachtet habe. Die Vorsitzende Richterin wies darauf hin, dass laut der Chargen-Nummer auf der Verpackung das Medikament erst später als zum Zeitpunkt der angegebenen Übernachtungen auf den Markt gekommen sei. Und es habe kein Zeuge von einem Mixer in der Krankenhaus-Küche berichten können.

Die Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagten zunächst noch einen anderen Vorfall mit zwei weiteren betroffenen Kollegen vorgeworfen. Dabei soll es um vergifteten Kaffee gegangen sein. Doch dieser Fall konnte der 54-Jährigen aus Sicht des Gerichts nicht sicher nachgewiesen werden. Die Richter sprachen die Frau, die nicht vorbestraft ist, in diesem Punkt frei. Sie gingen auch nicht wie angeklagt in einem weiteren Fall von versuchtem Mord aus – man sehe keinen Tötungsvorsatz. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte bereits in seinem Plädoyer den Vorwurf des versuchten Mordes fallen gelassen. Er hatte viereinhalb Jahre Haft gefordert, die Verteidigung auf Freispruch plädiert.

Das Landgericht verurteilte die Angeklagte auch wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie einer Trunkenheitsfahrt. Die 54-Jährige hatte zu Beginn des Prozesses im März über ihren Rechtsanwalt eingeräumt, sich betrunken hinters Steuer gesetzt zu haben. Die Vorwürfe hätten sie psychisch so sehr belastet, dass sie vermehrt Alkohol getrunken habe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.