Gebärmutterhalskrebs

Warum die HPV-Impfung kaum einer nutzt

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Berlin -

Krebs sei Geißel unserer Zeit und das schlimmste Wort, wenn es um die Gesundheit geht: So eröffnet „Plusminus“ den Beitrag über die Impfung gegen Krebs, die kaum einer nutzt: Warum die Vakzine gegen Gebärmutterhalskrebs kaum Anwendung findet, versuchte die Sendung zu beantworten.

Vor mehr als zehn Jahren entdeckte der deutsche Krebsforscher Professor Dr. Harald zur Hausen die Viren, die Gebärmutterhalskrebs verursachen – die Humanen Papillomviren (HPV). Zur Hausen legte den Grundstein für die Entwicklung eines Impfstoffes und wurde mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Und obwohl die bahnbrechende medizinische Entwicklung des bislang ersten und einzigen Impfstoffes gegen Krebs seit mehr als zehn Jahren auf dem Markt ist, sind die Impfquoten ernüchternd.

Gebärmutterhalskrebs ist die dritthäufigste Krebsart. Jährlich werden 140.000 Frauen aufgrund eines krebsverdächtigen Befundes am Gebärmutterhals operiert. 4600 Frauen erhalten die Diagnose Krebs und ein Drittel stirbt. Zahlen, die geringer ausfallen könnten, gibt es doch bereits seit 2006 eine Vakzine, deren Anwendung seit 2007 empfohlen wird.

Die Impfquote in Deutschland liegt bei gerade einmal 42 Prozent. Andere europäische Länder wie Großbritannien mit 85 Prozent, Norwegen und Portugal mit je 83 Prozent oder Schweden mit 77 Prozent liegen deutlich darüber. Auf der Suche nach Erklärungen, warum Deutschland im europäischen Vergleich hinterher hinkt, können drei Gründe ausgemacht werden. Zum einen herrsche eine allgemeine Verunsicherung: So wurde in der Vergangenheit über zwei Todesfälle berichtet, die mit der Impfung in Verbindung gebracht wurden – zu Unrecht, wie sich herausstellte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) konnte keinen Zusammenhang feststellen. Zuletzt stand die HPV-Impfung in Verdacht, Multiple Sklerose auszulösen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) konnte einen Zusammenhang zwischen der Impfung und MS im Dezember 2016 jedoch ausschließen.

Zum anderen falle die Zielgruppe der Vakzine durch das Raster. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt allen Mädchen im Alter von 9 bis 14 Jahren eine HPV-Impfung zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs, denn die Immunisierung sollte vor Beginn der sexuellen Aktivität erfolgen. Aber die Mädchen sind zu jung für einen Besuch beim Gynäkologen und Kinder- und Jugendmediziner haben die Vakzine kaum im Blick – auch weil es in dem Alter wenig Anlass für einen Arztbesuch gebe, da die üblichen Vorsorgeuntersuchungen vollzogen sind.

Ein möglicher dritter Grund seien die Kosten. Wer die Immunisierung im empfohlenen Alter versäumt, kann diese zwar bis zum 18. Geburtstag nachholen. Wer jedoch älter als 17 Jahre ist, wird zum Selbstzahler. Laut Bericht werden etwa 470 Euro fällig.

Hoffnung gibt eine Impfkampagne in Hessen. Im Rahmen eines Schulprogramms ziehen mehrere Mediziner durch das Bundesland und informieren die Zielgruppe. Mit durchschlagendem Erfolg. Die Initiative wird von zur Hausen in ihrer Arbeit unterstützt. In den Regionen, in denen die Mediziner Aufklärungsarbeit zur HPV-Impfung leisten, konnte ein Anstieg der Impfquote auf bis zu 80 Prozent dokumentiert werden. Je höher die Impfrate, desto geringer die Erkrankungsrate. Denn: Die Impfung verhindert die Entstehung der direkten Krebsvorstufe, die Diagnosen nehmen ab.

Während die Impfraten für Mädchen gering sind und um die Impfung gerungen wird, drängt die Wissenschaft laut ARD-Bericht schon auf den nächsten Schritt. Im Herbst werde eine Impfempfehlung für Jungen erwartet. Denn sie seien vor allem Überträger der Viren. Jungen und Männer zwischen 14 und 45 Jahren seien sexuell aktiver als Mädchen und Frauen gleichen Alters. Sie seien jedoch nicht nur Überträger, sondern auch selbst betroffen, denn HPV können auch für Krebserkrankungen beim männlichen Geschlecht verantwortlich gemacht werden.

Laut IKK Südwest gingen in Deutschland jährlich etwa 1000 neue Krebsfälle bei Männern auf das Konto der HPV. Die Viren können bösartige Tumore wie Anal-, Penis-, Mund- oder Rachenkarzinome verursachen. Die Kasse übernimmt Verantwortung und trägt zukünftig für die Schutzimpfung für Jungen und Männer und geht damit über die STIKO-Empfehlung hinaus. „Noch immer werden zu wenige Kinder gegen HPV geimpft – und das, obwohl wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit der Impfung belegen“, erklärt Dr. Lutz Hager, Geschäftsführer der IKK Südwest. Kostenübernahmeregelungen durch die Krankenkassen bestünden allerdings bislang nur für Mädchen und junge Frauen – ein Problem, findet die Kasse und hat daher entschieden, all ihren Versicherten ab sofort die Impfung kostenlos zugänglich zu machen, unabhängig von Alter und Geschlecht.

Auch die Techniker Krankenkasse übernimmt die Impfung für Jungen. „Eltern von TK-versicherten Kindern können die Belege für den Impfstoff und das Arzthonorar bei der TK zur Erstattung per Post oder online unter ,Meine TK' einreichen.“

Zur HPV-Impfung sind die neunvalente Vakzine Gardasil 9 (MSD) und die bivalente Vakzine Cervarix (GSK) im Handel. Mit Gardasil 9 könnten laut Hersteller 90 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs durch HP-Viren verhindert werden. Die Vakzine ist zugelassen für Mädchen und Frauen ab neun Jahren und dient der Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs, Vulva-, Vaginal- und Analkarzinomen, die durch die HPV-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58 ausgelöst werden.

Außerdem kann die Impfung vor Genitalwarzen, die durch HPV-Typen 6 und 11 ausgelöst werden können, schützen. Sieben HPV-Typen, die der Impfstoff enthält (HPV 16, 18, 31, 33, 45, 52 und 58) können etwa 90 Prozent der Fälle von Gebärmutterhalskrebs auslösen und etwa 80 Prozent der hochgradigen zervikalen Läsionen weltweit. Gardasil 9 ist seit März 2016 auf dem Markt. Gardasil als Vakzine mit vier Stämmen ist seit Dezember 2017 nach etwa elf Jahren außer Vertrieb. GSK hat Cervarix (HPV 16 und 18) seit 2007 im Markt.

Die verfügbaren Impfstoffe stimulieren das Immunsystem, die schützenden Antikörper zu bilden. Wie bei der saisonalen Grippeimpfung muss vor der Infektion geimpft werden. Es handelt sich um eine prophylaktische Vakzine mit leeren Proteinhüllen. Außerdem sind die Präparate temperaturempfindlich und bedürfen einer Lagerung im Kühlschrank.

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