Apothekerin warnt vor Chefarzt-Stempel

„Über uns fegt eine Fälschungswelle hinweg“ Carolin Ciulli, 18.11.2021 11:43 Uhr

Immer wieder Helios: Eine Inhaberin warnt Kolleg:innen vor Impfnachweis-Fälschungen mit dem Stempel von Dr. Oliver Franke. Die Identität des Berliner Chefarztes wurde bereits mehrfach missbraucht. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die geplanten Haftstrafen für die Nutzung gefälschter Covid-19-Impfnachweise scheint Kriminelle bisher wenig abzuschrecken. Denn in Apotheken werden immer mehr Plagiate vorgelegt. Die Polizei spricht von einem „neuen Geschäftsmodell mit Corona“, das Kriminelle entdeckt hätten. Eine Inhaberin warnt vor gefälschten Impfstempeln eines Chefarztes einer Berliner Helios-Klinik, die in ihren Betrieben aktuell vermehrt vorgezeigt würden.

Die Apothekerin aus dem Großraum Berlin-Brandenburg will die Vielzahl an Impfpass-Fälschungen nicht hinnehmen. An den vergangenen beiden Abenden saß sie mit der Polizei wegen Plagiaten zusammen. Für heute steht das nächste Treffen an. Ihren Namen will sie in diesem Zusammenhang nicht veröffentlichen. Die Gefahr einer negativen Reaktion auf ihr Engagement sei zu groß. „Über uns fegt gerade eine Fälschungswelle hinweg“, sagt sie.

Immer wieder Helios-Stempel

Allein in den vergangenen Tagen seien in ihren Apotheken fünf Impfpässe mit angeblichen Einträgen von Dr. Oliver Franke, Chefarztes des Helios Klinikum Emil von Behringin Berlin-Zehlendorf, vorgelegt worden. Die Nachweise seien aufgefallen, „weil sie so gleichmäßig aussahen“. Daraufhin rief eine Apothekenangestellte in dem Krankenhaus an und fragte nach. Bei der Zentrale habe man ihr gesagt, dass diese Ausweise korrekt seien, und den Namen des Mediziners genannt. In der Apotheke blieben Zweifel und ein zweiter Anruf im Sekretariat habe ergeben, dass er gar nicht gegen Covid-19 impfe.

Die Inhaberin wundert sich über die Rückmeldung der Zentrale des Krankenhauses. „Da könnte der ‚Maulwurf‘ im eigenen Haus sitzen“, vermutet sie. Um andere Kolleg:innen zu warnen, will sie Apothekerkammer und -verband über die aktuellen Fälle informieren. „Denn das ist eine perfide Story. Es ist wichtig, dass Kollegen Bescheid wissen.“

Im betroffenen Helios-Klinikum wird nur über die angeschlossenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) geimpft. Franke ist leitender Notarzt und in der Intensiv- und Notfallmedizin tätig. „Wir sind über die Vorfälle informiert und schockiert über diese kriminelle Energie“, sagt der Klinik-Geschäftsführer Florian Kell. „Wir verurteilen alle Fälschungen – ganz gleich unter welchem Namen. Was den konkreten Fall in unserem Haus betrifft, so untersuchen wir das bereits intern. Darüber hinaus haben wir in acht Fällen Strafanzeigen auf Urkundenfälschung gestellt.“

 

Die Apothekerin drängt außerdem darauf, dass sich Apothekenmitarbeiter:innen bewusst machen, dass Apotheken „als ausstellendes Organ eine plötzliche Macht haben, die uns eigentlich nicht bewusst war“. Gerade in der jetzigen Situation, in der vielerorts 2G gelte und damit der Zugang auf Geimpfte und Genesene beschränkt sei, müsse in Apotheken ganz genau hingeschaut werden. „Wir dürfen die Ausweise und Impfpässe bei Zweifelsfällen kopieren, das hat mir die Polizei bestätigt“, sagt sie.

Polizei ermutigt Apothekenteams

In ihren Betrieben verwiesen die Mitarbeiter:innen bei Verdachtsfällen auf „technische Probleme“ des Systems. „Dann haben wir Zeit, in Ruhe nachzufragen, oder das Vier-Augen-Prinzip anzuwenden.“ Die Polizei habe ihr außerdem bestätigt, dass sie als Zivilperson – analog zu Ladendiebstählen – mutmaßliche Impfpassfälscher:innen festhalten dürfe.

Die Apothekerin ist wütend über die Zahl der gefälschten gelben Hefte. „Das Verhalten ist nicht nachvollziehbar. Die digitalen Impfzertifikate sind die perfekte Rauchbombe.“ Zwei Fälscher, die in der Apotheke von der Polizei zur Rede gestellt worden seien, hätten „keinerlei Schuldbewusstsein“ gezeigt, sagt sie.

Bundesweit häufen sich die Meldungen von gefälschten Impfnachweisen in Apotheken. Die Zahlen werden nicht bundesweit, sondern für jedes Land erfasst. Die Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) warnte Ende Oktober davor, dass immer mehr gefälschte Impfpässe im Umlauf seien. Dabei liege jedoch eine Straftat vor, heißt es. Nach den Plänen der Ampel-Parteien sollen Fälschern und Personen, die die Plagiate nutzen, im schlimmsten Fall bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen. Die andere Frage ist, wie lange das System beibehalten wird. Wenn ein steigender Anteil von Impfzertifikaten gefälscht ist, verlieren die Codes irgendwann ihren Zweck.

Hier gibt es einen Download mit Tipps, wie gefälschte Impfpässe erkannt werden können.