„Spielzeitpause“ sinnvoll nutzen

Theater näht Mundschutz

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Berlin -

Die Theater sind geschlossen, die Bühnen sind leer. Während viele Abteilungen der Häuser nicht besetzt sind, rattern die Nähmaschinen in den Werkstätten weiter. Auch im Theater Osnabrück nähen die Damenschneiderei zusammen mit ihrer Chefin Christine Saurbier und die Herrenschneiderei waschbaren Mundschutz. Zuerst sollen lokale Pflegedienste ausgestattet werden. Der Umfang der weiteren Produktion steht noch nicht fest.

Die Situation ist fast überall die gleiche: Mundschutz ist schwer bis gar nicht zu bekommen. Nicht nur Kliniken und Apotheken können zurzeit kaum Ware bestellen, auch Pflegedienste haben kaum noch Schutzausrüstung vorrätig. Um diesen Mangel entgegenzuwirken, können einfache Modelle aus Baumwollstoff selbst genäht werden. Im Internet finden sich zahlreiche Anleitungen und Schnittmuster hierzu. Zur Anfertigung werden neben kochfester Baumwolle auch ein Draht zum Fixieren im Nasenbereich benötigt. Neben Nähutensilien, Schere und Bügeleisen sollte auch eine Nähmaschine vorhanden sein, das Nähen per Hand gestaltet sich für Laien schwer.

Mundschutze in größeren Mengen lassen sich so kaum produzieren. Die heimische Herstellung reicht für das engere Umfeld wie Familie und Freunde. Um auch Einrichtungen und Angestellte anderer systemrelevanter Berufe versorgen zu können, haben sich viele Theater dazu entschlossen, die vorstellungsfreie Zeit zu nutzen, um auf den Werkstätten Mundschutz in größerer Stückzahl zu produzieren. Die Damen- und Herrenschneiderein sind optimal ausgestattet, sodass sich in kurzer Zeit relativ große Stückzahlen produzieren lassen.

Auch das Theater Osnabrück entschied sich nach der angeordneten „Spielzeitpause“ dafür Mundschutz herzustellen. Statt barocker Kleider, Uniformen oder Tierkostümen werden in der Damenschneiderei einfache Mundschutzmasken aus Stoffresten hergestellt. „Zu Beginn der Hilfsaktion haben wir mit Baumwollstoffresten aus unserem Bereich gearbeitet, Kolleginnen haben dann aber auch von zu Hause nicht mehr benötigte Bettbezüge oder Geschirrtücher mitgebracht,“ erzählt Christine Saurbier, Leiterin der Damenschneiderei. Die Exemplare seien nicht einheitlich, aber darum gehe es auch gar nicht – Hauptsache es gebe ausreichende Mengen. Eine Sache dürfte jedoch nicht vergessen werden: „Wichtig bei der Auswahl des Stoffes ist immer, dass es sich um Baumwolle handelt, damit die Masken nach Gebrauch bei 95 Grad gewaschen werden können.“ Hier geht Funktionalität nun mal vor Design.

Auch am Theater Osnabrück arbeitet man momentan in unterschiedlichen Teams: „Da wir aufgrund der aktuellen Sicherheitsmaßnahmen mit dem vorgeschriebenen Abstand in der Werkstatt arbeiten, gibt es einen 2-Schicht-Betrieb, eine Hälfte von 7.30 bis 11.45 Uhr und die zweite Crew von 12 bis 19 Uhr.“ In dieser Zeit wird zum einen noch anfallende Arbeit aus der letzten Spielzeit erledigt, zum anderen werden Mundschutze genäht. Die Stoffreste werden gewaschen zugeschnitten und weiterverarbeitet. „Nach der mehrtägigen Erfahrung kann man sagen, dass für eine Maske mit Zuschnitt und der Näharbeit eine halbe Stunde gebraucht wird.“ Eine Schneiderei im Theater ist auf individuelle Kostüme ausgelegt – Massenproduktionen durch optimierte Herstellprozesse sind nicht möglich, dennoch: „Wenn ich alles zusammenzähle, haben wir in dieser Woche um die 350 Masken gearbeitet“, berichtet Saurbier.

Das Theater erhielt vor wenigen Wochen eine konkrete Anfrage eines lokalen Pflegedienstes: „Die erste Berührung mit dieser Aktion kam über eine Anfrage des Pflegedienstes Wüstenwerk, die uns, sprich die Damen- und Herrenschneiderei, angefragt haben ob wir Kapazitäten hätten, um Atemschutzmasken zu nähen, um die Pflege weiter zu sichern.“ Die Kapazitäten waren da. Sauerbier sagte zu. „Somit haben wir für den Pflegedienst Wüstenwerk 120 Masken gefertigt, damit waren sie erstmal zufrieden“, berichtet die Leiterin der Damenschneiderei. Auch zur Diakonie hat sie Kontakt aufgenommen: „Am 27. März hat ein Mitarbeiter der Diakonie über 120 genähte Schutzmasken an unserer Glastür abgeholt. Im Gegenzug brachte er zwei Stunden später eine Plastikwanne voller Stoffe damit die Weiterproduktion gesichert ist.“ Auch am Theater versucht man die Personenkontakte so gering wie möglich zu halten – die Übergabe erfolgt kontaktlos.

Auch andere Häuser in Deutschland nutzen ihre freigewordenen Kapazitäten zur Produktion von Atemschutz. So berichten Theater und Operernhäuser aus Koblenz, Chemnitz, Halle und Dresden, dass in den Schneiderein Mundschutz genäht wird. Die Theater versuchen dennoch, mit verschiedenen Angeboten ein Stückchen Alltag beizubehalten: „Die Zeit ist aus den Fugen“ – mit diesem Satz aus Hamlet von William Shakespeare leitet das Theater Osnabrück die neu ins Leben gerufene Online-Präsenz ein. „Theater Osna at Home“ nennt sich die online Übertragung der Vorstellungen. Das Leporello der eigentlichen Spielzeit wurde durch den Online-Spielplan ersetzt. Unter dem Motto „Doch Kunst, Fantasie, Kreativität lassen sich nicht unter Quarantäne stellen“ versuchen die Schauspieler, das kulturelle Angebot am Laufen zu halten.

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