Betrugsvorwürfe

Stern: Zytoapotheker im Visier

, Uhr aktualisiert am 04.04.2016 11:50 Uhr
Berlin -

Günter Zeifang, Inhaber der Elb-Apotheke und zweier Filialen in Hamburg, gehört zu den großen Zytoapothekern in Deutschland – und ist derzeit im Visier des „Stern“. Das Nachrichtenmagazin berichtet in seiner aktuellen Ausgabe über Vorwürfe von Abrechnungsbetrug, Strohmannverhältnissen und massiven Qualitätsmängeln. Von zweifelhaften Methoden, skandalösen Umständen, großer Gier und skrupellosem Verhalten ist die Rede.

Im Sommer vergangenen Jahres sollen im Herstellbetrieb Compound & Care (C&C) Sterilrezepturen in unklimatisierter Umgebung hergestellt worden sein, berichtet der Stern unter Berufung auf ehemalige Mitarbeiter und interne Unterlagen. Die Klimaanlage sei ausgefallen; der Alarm sei ausgestellt, die Produktion fortgeführt worden, schreibt das Magazin.

Außerdem beschäftigt sich der Beitrag mit den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) Stormarn und Bergedorf. Über einen Strohmann – einen Allgemeinarzt und Homöopathen aus der Nähe von Hannover – soll sich Zeifang ab 2013 die Kontrolle über die beiden Firmen gesichert haben. Laut Sozialgesetzbuch (SGB V) können MVZ seit 2012 nicht mehr von Apothekern gegründet werden; nur für bis dahin bestehende Konstellationen gab es einen Bestandsschutz.

Laut Stern hatte Zeifang dem Gründer der beiden MVZ – einem Onkologen – zunächst Darlehen gewährt, um finanzielle Schwierigkeiten abzuwenden. Im April 2014 ließ er sich zum Geschäftsführer bestellen, die Firmenanteile übernahm formal der Arzt aus Niedersachsen. Doch den Stern-Investigativreportern liegt eine E-Mail vor, in der Zeifangs Anwalt angeblich mitteilt, wer in Wirklichkeit die Mehrheit an den MVZs besitzt: „Die C&C GmbH bzw. Herr Zeifang halten wirtschaftlich jeweils 51% der beiden MVZ Gesellschaften über den Arzt, Herrn D.“

Im Januar 2015 schloss Zeifang laut Bericht einen Vertrag zwischen seiner Elb-Apotheke und dem MVZ Stormarn über die Versorgung mit Zytostatika-Rezepturen. Die Unterschriften auf Seite 4 des Werkes zeigen laut Bericht die Absurdität des Vorgangs: Zeifang unterzeichnete demnach für das MVZ – und direkt daneben für die Elb-Apotheke.

Immer wieder sollen „Bevollmächtigte“ die Ärzte aufgesucht und darauf bestanden haben, Zytostatika in der Apotheke des Chefs zu bestellen. Der Stern bezieht sich auf Erinnerungsprotokolle mehrerer Angestellter des MVZ. Im September soll eine Mitarbeiterin gegenüber der Belegschaft erklärt haben, „dass der Standort zu wenig erwirtschaften würde“. Zeifang sei darüber „verärgert“.

Zuletzt führt der Bericht nach Norderstedt: In der Niederlassung des MVZ Stormarn soll ein 71-jähriger Spezialist für Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse ohne Zulassung 93 Kassenpatienten behandelt haben; die Rezepte von bis zu 30.000 Euro pro Patient wurden über zwei andere Ärzte des MVZ abgerechnet. Der Vorwurf lautet daher auf Abrechnungsbetrug. In der vergangenen Woche soll die Kriminalpolizei bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Schleswig-Holstein Unterlagen gesichert haben.

Zeifang wollte sich zunächst nicht zu den Vorwürfen äußern, die in mehreren anonymen Anzeigen gegen ihn erhoben werden. Die Staatsanwaltschaften Hamburg und Lübeck haben Ermittlungsverfahren eingeleitet.

In dem Bericht wird Zeifang als Multimillionär, Harley-Fahrer und Fußballfan beschrieben, der in einem Villengebiet im Hamburger Westen lebt. Erinnert wird im Beitrag an die Durchsuchung der Elb-Apotheke im Jahr 2008; die Ermittlungen seien damals überraschend eingestellt worden.

Außerdem wird noch einmal über die Holmsland-Affäre erzählt. Von den 250 Zytoapotheken sei bereits mehr als ein Viertel Ziel von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gewesen, so der Stern. Auch ein Großteil der rund 1500 deutschen Onkologen, zitiert das Magazin den Chefermittler einer großen Krankenkasse, habe sich schon mal bestechen lassen.



Richtigstellung

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Beitrags wurde der Verdacht verbreitet, dass im Herstellbetrieb Compound & Care (C&C) bei einer in einer Werkbank herrschenden Temperatur von 28,3 °C temperaturlabile Wirkstoffe wie Vinorelbin verarbeitet worden seien.

Hierzu stellen wir richtig: In den Werkbänken wurden bei einer Temperatur von mehr als 25 °C keine Wirkstoffe verarbeitet.

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