Heilpraktiker gibt sich als Promovierter aus

Schmerzmittel gespritzt: Falscher Arzt vor Gericht APOTHEKE ADHOC, 29.07.2020 15:19 Uhr

Quacksalber vor Gericht: In Münster muss sich ein Heilpraktiker verantworten, der sich jahrelang als Arzt ausgegeben hat. Foto:Kryuchka Yaroslav/shutterstock.com
Berlin - 

In Münster steht ein Heilpraktiker aus Greven im Kreis Steinfurt vor Gericht: Jahrelang hat er sich als Arzt ausgegeben, ohne dass er je eine Approbation gehabt hätte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er mindestens seit dem Jahr 2000 eine Praxis betrieben und Rezepte sogar mit einem Doktortitel vor seinem Namen unterschrieben hat. Regelmäßig habe er Patienten im Rahmen einer sogenannten „Neuraltherapie“ verschreibungspflichtige Arzneimittel gespritzt. Eine Patientin musste deshalb in die Notaufnahme.

Er habe „irgendwie übersehen“, dass er Patienten gar keine Injektionen verabreichen darf, erklärte seine Verteidigerin am Mittwoch vor Gericht gesagt. „Er hatte das ja immer schon so gemacht.“ Bis 1995 sei es nämlich tatsächlich möglich gewesen, dass er mit seiner abgeschlossenen Krankenpfleger- und Heilpraktikerausbildung Spritzen setzt. Erst eine Gesetzesänderung machte das illegal.

Was allerdings schon immer illegal war: Sich ohne Approbation als Arzt und Psychotherapeut auszugeben und eine Praxis zu betreiben. Dass er das getan hat, hatte der 63-Jährige, der seit Mittwoch vor dem Landgericht Münster steht, bislang abgestritten. Doch es gibt Beweise. Als die Richter am ersten Verhandlungstag ein Rezept vorlegten, das er selbst unterschrieben hat, nickte er nur kleinlaut, wie die Rheinische Post (RP) berichtet. Doch es gab ohnehin noch mehr Beweise: Auch online hatte er sich mit einem Lebenslauf als Arzt präsentiert, der unter anderem Studiengänge im Ausland und eine Dissertation enthielt, die es niemals gab.

2014 waren Unregelmäßigkeiten bekannt geworden, nachdem es Vorwürfe gegen den vermeintlichen Arzt gab, dass er sich nicht ausreichend um seine bettlägerige Mutter kümmere. Eine Durchsuchung der Staatsanwalt in der vermeintlichen Praxis brachte weitere Indizien zutage: Die Beamten fanden auf sichergestellten Computern Schriften des Angeklagten, in denen er sich mit Sätzen wie „In Sack und Asche gehen. Ich bin ein Hochstapler“ selbst bekannt haben soll.

Da hatte er schon jahrelang Patienten behandelt, Rezepte ausgestellt und verschreibungspflichtige Schmerzmittel injiziert. Die Spritzen habe er im Rahmen einer sogenannten „Neuraltherapie“ gesetzt. Die Injektionen in den Rücken, ins Gesäß und in den Halsbereich sollten eine „Initialzündung“ bewirken, um akute Schmerzen zu lindern. Die Arzneimittel waren nach seinen Angaben seine eigenen: Er habe sich regelmäßig selbst behandelt und von einem Arzt Großpackungen verschrieben bekommen. Aus denen habe er sich bedient, um wiederum seine Patienten zu behandeln.

Von der Methode zeigte er sich auch am Mittwoch vor Gericht noch überzeugt. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Menschen geschadet habe“, zitiert ihn die RP. „Ich habe viel Zuspruch bekommen.“ Tatsächlich aber ging es wohl mindestens einmal schief. Eine Patientin – laut Gericht die letzte, die er behandelte – hatte nach der Injektion starke Krämpfe, Taubheitsgefühle in den Beinen und Bewegungseinschränkungen erlitten. Sie musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Der 63-Jährige hatte bisher bestritten, dass das auf seine Behandlung zurückzuführen war.

Die Staatsanwaltschaft sieht das anders. Der vermeintliche Arzt steht deshalb nun wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Die Anklage umfasst 30 Fälle zwischen 2007 und 2013, in denen er Patienten illegal Injektionen verabreicht haben soll. Auch der Fall seiner Mutter wird in Münster verhandelt. So soll die bettlägerige Frau nicht regelmäßig umgelagert und mit genügend Sauerstoff versorgt worden sein. Das Gericht hat für den Fall drei Verhandlungstage angesetzt, mit einem Urteil wird am 26. August gerechnet.