Nachtdienst-Corona-Gedanken

Corona-Alltag in Apotheken: Zwischen Angst und Vernunft Sarah Sonntag, 22.03.2020 07:57 Uhr

Stark bleiben: Trotz Sorgen und dunkler Gedanken hält Sarah Sonntag wie viele Apothekenmitarbeiter die Stellung an der Corona-Front. Foto: Dan Race/shutterstock.com
Berlin - 

Die aktuellen Ereignisse überschlagen sich und die Apotheken stehen an vorderster Front: Wie viele andere muss auch Apothekerin Sarah Sonntag die Stellung halten und in dieser Krisenzeit den Notdienst übernehmen. Obwohl sie versucht ihre Kunden aufzuklären und zu beruhigen, sieht es in ihr selbst ziemlich chaotisch aus – dennoch versucht sie positiv zu bleiben.

Mit Ruhe ist in diesen Tagen nicht zu rechnen, das weiß auch Sarah. Was in den vergangenen Wochen in den Apotheken los ist, können Nicht-Apotheken-Mitarbeiter kaum nachvollziehen: Menschenmassen, die versuchen sich zu bevorraten, gestiegene Nachfrage, weitere Lieferengpässe und Schwierigkeiten bei den sonst alltäglichen Abläufen – dank vermeintlich schützender Maßnahmen. Allgegenwärtig: Die Sorge, sich selbst – oder noch schlimmer – die Lieben zuhause unwissentlich anzustecken.

„Schließlich sind wir jeden Tag mit hunderten Menschen in Kontakt“, meint Sarah zu Max. Um ihre eigene Gesundheit macht sich die Apothekerin weniger Sorgen, schließlich ist sie selbst keine Risikopatientin. Dennoch hat auch sie sich in den vergangenen Tagen erwischt, wie sie die ein oder andere Packung Zink oder Schmerzmittel mehr mit nach Hause nimmt. Obwohl sie eigentlich davon ausgeht, dass die Versorgung – irgendwie – weiter gewährleistet sein wird, klopft immer wieder die Angst an.

In Sarahs Kopf ist ein Wust aus Zahlen und Statistiken, dazwischen drängen sich immer wieder Bilder von Atemschutzmasken, beatmeten Menschen und Betten auf der Intensivstation. „Ich hatte mit so vielen Leuten Kontakt“, meint sie zu Max. „Wenn ich mir vorstelle, dass ich vielleicht schon erkrankt bin – ohne es zu merken – habe ich es womöglich schon an hunderte, wenn nicht tausende weitergegeben.“ Einmal im Gedankenkarussell gefangen, kommt man nicht mehr so leicht heraus.

Denn schließlich hat Sarah ihren Mann, der mit Bluthochdruck zu kämpfen hat, und zwei kleine Kinder zuhause. Vor einer Woche war sie außerdem noch bei ihren Eltern zu Besuch. Schon da hatte sie extrem auf Hygiene und Abstand geachtet und Mundschutz getragen – sicher ist sicher. Oder etwa nicht? Eigentlich schützt der „normale“ Mundschutz ja gar nicht und auf Oberflächen und Gegenständen hält sich das Virus schließlich auch eine Weile. Sarah bringt ihren Eltern immer den Wochenblister mit Medikamenten – könnte dieser auch eine Infektionsquelle sein?

„HALT!“, ruft Sarah plötzlich – Max zuckt erschrocken zusammen. „Ich möchte diese blöden Gedanken gar nicht haben!“, sagt sie frustriert. Denn all die Panik, all die Sorgen und Ängste bringen uns sicher nicht weiter, meint sie. Deshalb atmet sie einmal tief durch. Dennoch ist es schwer das Thema derzeit zu umgehen: Vor allem wenn man fast 24/7 beruflich damit beschäftigt ist. Selbst nach Feierabend sind TV, Radio und soziale Medien voll mit Corona. Da hilft wirklich nur das Handy wegzulegen und sich mit anderen Dingen abzulenken.

Irgendwie hat diese Krise auch ihre guten Seiten – auch wenn sie natürlich nicht offensichtlich sind. „Ich lerne mal wieder, mich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die mir guttun“, erklärt Sarah. Außerdem weiß ich den sonst schon normal gewordenen Kontakt zu meinen Freunden und meiner Familie wieder viel mehr zu schätzen. „Irgendwie steht die Welt still, obwohl sich die Ereignisse überschlagen.“ Sarah jedenfalls versucht die Zwangspause irgendwie zu nutzen und etwas Positives daraus zu ziehen – auch wenn es manchmal schwerfällt.