Approbationsentzug

Tetrazepam in Homöopathikum

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Berlin -

Ein Apotheker und ein Heilpraktiker aus Niedersachsen haben ihren Patienten statt homöopathischer Arzneimittel heimlich Tetrazepam verabreicht. Der Apotheker wurde bereits zu einem halben Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt. Außerdem wurde ihm die Approbation entzogen. Er habe sich als unwürdig zur Ausübung des Apothekerberufs erwiesen, befand das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG).

Der Apotheker hatte sich auf einen Deal mit dem Heilpraktiker verständigt: Patienten, denen ein Rezept für „Sedativa Forte“ ausgestellt wurde, erhielten Kapseln, denen neben homöopathischen Bestandteilen 4,7 mg Tetrazepam beigemischt waren. Das entsprach einer Konzentration zwischen 0,7 und 1,5 Prozent pro Kapsel. Die Kapseln wurden den Patienten bei Unruhezuständen, Angsterkrankungen und Schlafstörungen verschrieben.

Die Apothekenmitarbeiter waren angewiesen, der normalen Rezeptur Tetrazepam hinzuzugeben, wenn ein Rezept des Heilpraktikers vorlag. Verlangten Patienten die Kapsel ohne Verschreibung, erhielten sie die Version ohne das Betäubungsmittel. Aber auch die Tetrazepam-haltigen Kapseln sollten die Mitarbeiter ohne Hinweis auf den Zusatz zu verkaufen. Die Patienten wussten daher nichts von dem Wirkstoff. Hinzu kam, dass der Heilpraktiker Tetrazepam gar nicht verordnen durfte.

Ein angestellter Apotheker hatte der Staatsanwaltschaft einen Hinweis auf die Praxis gegeben. Diese hatte daraufhin 2008 die Ermittlungen eingeleitet. 2010 wurde der Apotheker wegen der unerlaubten Abgabe von Arzneimitteln in sechs Fällen verurteilt. Zwei Jahre später wurde die Approbation des Apothekers widerrufen.

Die polizeilichen Ermittlungen hätten ergeben, dass er zwischen Januar und März 2007 knapp 250 Patienten mit Tetrazepam-haltigen Kapseln versorgt habe, hieß es zur Begründung. Bis zur Durchsuchung der Apothekenräume im Juni 2008 seien insgesamt mehr als 19.000 Kapseln abgegeben worden. Der Apotheker habe nicht nur gegen die Vorschriften zum Umgang mit Betäubungsmitteln verstoßen, sondern auch gegen das Zuweisungsverbot und seine Pflichten zur Aufklärung von Patienten. Durch sein Handeln habe er das Vertrauen der Bevölkerung in den Berufsstand erheblich erschüttert.

Der Apotheker hatte sich gegen den Entzug der Approbation gewehrt. Er habe keinen finanziellen Vorteil erzielt, sich einsichtig gezeigt und die strafrechtliche Verantwortung übernommen. Es sei falsch, dass fast 250 Patienten die Tetrazepam-haltigen Kapseln erhalten hätten – sie seien nur auf Rezepte mit einem Plus abgegeben worden. Dem widersprachen in der Vernehmung allerdings verschiedene Mitarbeiter.

Auch mit dem Argument, es habe keine Gefahr für die Gesundheit bestanden, überzeugte der Apotheker die Richter nicht. Diese betonten, dass sich die Entscheidung eben nicht auf die Gesundheitsgefahren stütze, sondern auf die straf- und berufsrechtlichen Verfehlungen des Apothekers.

Dazu gehört etwa, dass die Patienten nicht zu dem enthaltenen Tetrazepam beraten wurden. Vergeblich brachte der Apotheker vor, er sei davon ausgegangen, dass der Heilpraktiker die Patienten beraten habe, und die Patienten hätten nachfragen können. „Die Informations- und Beratungspflicht ist eine Kernpflicht und eine Bringschuld des Apothekers“, so die Richter. Der Hinweis des Apothekers, die Patienten hätten nachfragen können, dokumentiert ihrer Meinung nach „einmal mehr sein mangelndes Bewusstsein von den bestehenden gesetzlichen Pflichten eines Apothekers“.

Arzneimittel seien überwachungsbedürftige Waren ganz besonderen Charakters, betonten die Richter. Die Information und Beratung stehe damit im Vordergrund der beruflichen Tätigkeit des Apothekers. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben habe sich der Apotheker von seiner Verantwortung für das Leben und die körperliche Unversehrtheit leiten zu lassen. Die gewissenhafte Erfüllung dieser Grundpflichten erwarte nicht nur die Öffentlichkeit – sie sei vielmehr zwingende Voraussetzung für die Erfüllung der dem Apotheker übertragenen Aufgabe.

Grundlage des spezifischen Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Apotheker ist aus Sicht der Richter die charakterliche Integrität des Apothekers. Bliebe das Fehlverhalten des Apothekers aber folgenlos, könnte es das Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit aber nachhaltig erschüttern.

Der beteiligte Heilpraktiker war vom Amtsgericht Aurich zunächst zu acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht Aurich hatte ihn später freigesprochen. Der Heilpraktiker hatte behauptet, lediglich eine Beimischung einer 10.000-fach verdünnten und damit nicht verschreibungspflichtigen Dosis gewünscht zu haben. Das Oberlandesgericht kam jedoch im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass Aussage gegen Aussage stehe und der Fall umfassend geprüft werden müsse, und hob den Freispruch auf. Damit liegt der Fall wieder beim Landgericht.

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