Spektakulärer Betrug

Mehrere Jahre Haft für Rezeptfälscherbande APOTHEKE ADHOC, 27.11.2019 17:27 Uhr

Berlin - 

Das Amtsgericht Nordhausen hat die Apothekerin Heike K. und ihren Ehemann Manfred K. zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass die drei über mehrere Jahre ein ausgeklügeltes System zur Fälschung und Einlösung von Rezepten betrieben und die Krankenkassen so um zehntausende Euro betrogen haben. Am härtesten traf es Manfred K., er gilt nach den Erkenntnissen des Gerichtsprozesses als Spriritus Rector der Betrugsmasche – noch dazu als ein ziemlich dreister. Er muss für drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis.

Ehefrau und Apothekerin Heike K. hingegen muss für drei Jahre und vier Monate hinter Gittern. Bei beiden blieb das Gericht je zwei Monate unter dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Vergleichsweise gering fiel die Strafe für die in der Apotheke von K. angestellte PTA Jennifer R. aus: Obwohl sie eine tragende Säule des Betrugssystems war, wurde sie zu einer Haftstrafe von einem Jahren und acht Monaten verurteilt, die für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird, sowie zu 100 Sozialstunden. Sie hat es weit weniger hart erwischt, weil in ihrem Fall die Kronzeugenregelung der Paragraphen 46b und 49 Abs. 1 der Strafprozessordnung angewendet wurden: R. hatte bereits direkt nach ihrer Festnahme umfassend ausgepackt und so maßgeblich zur Aufklärung des Falles beigetragen. Deshalb war sie im Gegensatz zur Apothekerin und ihrem Mann auch schon vor Prozessbeginn aus der U-Haft entlassen worden.

Für Manfred K. galt das weniger. Er erhielt die härteste Strafe. Ausschlaggebend war dabei nicht nur, dass er als Mastermind die Masche entwickelt hatte, sondern auch, dass er seine Ehefrau und die 35-jährige PTA auf perfide Art mit hineingezogen haben soll. Er habe bei beiden ausgenutzt, dass sie sich in einer schweren Situation befunden haben, ihnen geholfen und dann ihre emotionale Bindung an ihn missbraucht. Doch auch seine Kaltschnäuzigkeit ist ihm zum Verhängnis geworden: Denn eine ähnliche Masche war bereits zuvor aufgeflogen.

Bereits im Jahr 2014 hatte nämlich ein Berliner Gericht eine ehemalige Angestellte der Apotheke von K. für eine ähnliche Rezeptfälschermasche verurteilt. Offenbar gab es ein Schweigeabkommen zwischen Manfred K. und jener Angestellten, dass sie ihn nicht anschwärzt, sollte sie gefasst werden. Jedenfalls hatte sie ihn während des Gerichtsprozesses nicht belastet – wohl aber im Nachhinein, nachdem sie zum Einzug des Schadensbetrages von 25.000 Euro verurteilt wurde. Die Staatsanwaltschaft Cottbus nahm daraufhin Ermittlungen gegen K. auf, die mittlerweile abgeschlossen sind. Am Amtsgericht Königs Wusterhausen liegt deshalb eine fertige Anklageschrift gegen K. – der trotzdem unbeirrt an anderer Stelle dieselbe Masche weitergeführt hat.

Die Einschätzung von Oberstaatsanwalt Gert Störmer fällt deshalb vernichtend aus. Manfred K. sei ein „Intensivtäter“, der nach der Haftentlassung unter Führungsaufsicht gestellt werden müsse, sagte Störmer am Mittwoch vor Gericht. „Wir sprechen immer nur von Intensivtätern, wenn es um Jugendliche mit Migrationshintegrund geht“, so der Staatsanwalt nach Prozessende. „Hier aber haben wir ein Beispiel für einen deutschen Intensivtäter.“ Seinem Antrag auf Führungsaufsicht kam das Geircht dennoch nicht nach. Die Begründung: Die beiden haben schließlich keine Apotheke mehr – ein weiterer Betrug nach dem bisherigen Muster sei deshalb also ohnehin ausgeschlossen.

Den Gesamtschaden, den die drei den Krankenkassen verursacht beziffert Störmer auf rund 75.000 Euro. Das Eheppar K. hatte laut Gericht versucht, „auf betrügerische Weise den Bestand ihrer Apotheken zu retten, die schlecht liefen“. Sie haben Dutzende Krankenkassen betrogen, indem sie mit erschlichenen Patientendaten Rezepte fälschten, in verschiedenen Apotheken im gesamten Bundesgebiet einlösten und die Arzneimittel dann über die eigenen beiden Apotheken weiterverkauften. Während R. bereits Rechtsmittelverzicht bekanntgab, gilt die Frist bei Manfred und Heike K. noch. Ihre Urteile sind damit noch nicht rechtskräftig.

Beim Hergang der Taten hatte sich das Gericht umfänglich Störmers Auffassung angeschlossen – ein Umstand, der ihn nach eigener Aussage erfreut. Allerdings wird der Fall möglicherweise weitergehen: Dutzende weitere Fälle, die abgetrennt wurden, liegen noch bei der Staatsanwaltschaft Cottbus. Es ist geplant, dass die Akte aus Nordhausen Anfang kommenden Jahres nach Cottbus übermittelt wird und die dortige Staatsanwaltschaft dann gegebenenfalls ein weiteres Verfahren einleitet. Für Oberstaatsanwaltschaft Störmer hingegen ist die jetzige Verurteilung der vorläufige Endpunkt von mehr als drei Jahren Arbeit. Er zeigt sich zufrieden. Es habe sich insbesondere gezeigt, dass die Polizei in dem Fall sehr gut gearbeitet habe. „Heute war ein guter Tag für den Rechtsstaat“, so Störmer.