Medizinalhanf

Cannabis: Israel hofft auf Boom

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Tel Aviv -

In Deutschland dürfen Kranke seit diesem Monat Cannabis auf Rezept erhalten – in Israel ist die medizinische Anwendung schon seit einem Vierteljahrhundert Praxis. Das kleine Land am Mittelmeer gilt weltweit als sehr fortgeschritten in der Erforschung und dem Anbau von medizinisch nutzbarem Cannabis sowie der Herstellung von Marihuana-Produkten.

Die medizinische Nutzung von Cannabis steht auch im Mittelpunkt einer zweitägigen Konferenz, die am Montag in Tel Aviv beginnt. Forscher und Unternehmer wollen bei dem internationalen Experten-Gipfel CannaTech 2017 über Innovationen und Behandlungsmöglichkeiten auf diesem schnell wachsenden Markt sprechen.

„Wir sind überzeugt, dass Cannabis bei verschiedenen Krankheiten helfen kann“, sagt Professor Arnon Afek, Vize-Leiter des israelischen Gesundheitsministeriums. Er ist zuständig für eine Reform, die die Verschreibung von medizinischem Marihuana erleichtern soll. Cannabis kann auf verschiedene Weise eingenommen werden, etwa mit einem Verdampfer für die Inhalation oder in Form von Tropfen oder Kapseln.

Rund 28.000 israelische Patienten haben nach Angaben Afeks bereits eine Genehmigung des Gesundheitsministeriums, Marihuana zur Linderung ihres Leidens zu konsumieren. Das sind viele für ein kleines Land wie Israel, das nur 8,6 Millionen Einwohner hat. Doch bisher war der Weg zu einer Genehmigung sehr steinig und führte immer über das Gesundheitsministerium. „Wir bilden jetzt Ärzte aus, damit diese Cannabis auf Rezept verschreiben können“, erklärt Afek. Er rechne damit, dass die Reform bis Jahresende abgeschlossen werden könnte.

Cannabis wird in Israel schon für die Behandlung einer ganzen Reihe von Krankheiten eingesetzt, wie etwa Epilepsie, Parkinson und Morbus Crohn. Seine Wirkstoffe können auch schmerzlindernd wirken.

„Wir streben an, dass die Behandlung immer weiterer Krankheiten genehmigt wird“, sagt Saul Kaye, Gründer des Accelerators iCan (Israel-Cannabis) und Veranstalter der zweitägigen Konferenz in TelAviv. iCan fördert Startups auf dem Gebiet der medizinischen Cannabis-Industrie.

Bisher gibt es nach Angaben von Kaye in Israel acht Anbaugebiete für Hanf in pharmazeutischer Qualität. Bisher sei die Cannabis-Industrie ein Markt von rund 150 Millionen Dollar. „Wir rechnen damit, dass dies binnen zwei Jahren auf eine Milliarde Dollar steigt“, sagt Kaye. In Kanada und den USA hat sich die Behandlung per Hanf-Pflanze zum Milliarden-Markt entwickelt. Auch Deutschland sei ein vielversprechender Export-Markt, sagt Kaye. „Es ist eine boomende Industrie, und Israel hat die Nase ganz weit vorn“, meint er. „Europa ist nicht der beste Ort, um Cannabis anzubauen.“ Deshalb empfehle er Ländern wie Deutschland, zumindest die Rohware aus Gegenden zu importieren, die klimatisch besser für den Anbau geeignet seien.

Afek sagt, er habe sich in diesem Jahr bereits mit einer deutschen Delegation getroffen. „Sie haben großes Interesse an dem medizinischen Modell des Cannabis-Gebrauchs in Israel.“ Bisher haben in Deutschland rund 1000 Patienten eine Ausnahmegenehmigung für Cannabis. „In Israel sind es 28.000, obwohl die Bevölkerung in Deutschland zehnmal größer ist“, sagt Afek. „Auf Deutschland hochgerechnet wären es wohl rund 280.000.“

In Israel ist auch Kiffen zu nicht medizinischen Zwecken sehr verbreitet. Die Regierung hat zu Monatsbeginn beschlossen, den Konsum der Droge zu entkriminalisieren. Ersttäter sollen nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, sondern nur noch ein Bußgeld zahlen. Dennoch bleibt der Freizeitkonsum verboten.

Kritiker des Cannabis-Programms in Israel warnen davor, dass medizinisch verschriebenes Marihuana auch in die Hände von Freizeitkonsumenten geraten könnte. Kaye und Afek haben dazu unterschiedliche Meinungen. „Es ist so, als würde man sich von einem Freund eine Schmerztablette leihen“, sagt Kaye. „Es ist lächerlich, sich darüber aufzuregen, Cannabis ist keine Einstiegsdroge.“

Das sieht Afek ganz anders. „Cannabis ist eine Droge und als Arzt sage ich, dass es wie andere Medikamente auch keineswegs harmlos ist“, sagt der Vize-Leiter des Gesundheitsministeriums. „Ich hoffe, dass ich selbst nie Marihuana rauchen muss – ich würde es nur tun, wenn ich sehr krank wäre.“

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