Apotheker sagt Teststation ab

„Ich möchte nicht nochmal an den Rand des wirtschaftlichen Überlebens gedrängt werden“ Alexander Müller, 05.12.2021 08:40 Uhr

Apotheker Wolfram Schmidt fühlt sich in der Pandemie von der Politik alleingelassen. Foto: Privat
Berlin - 

3G am Arbeitsplatz hat einen neuen Ansturm auf die Testzentren ausgelöst. Teilweise müssen die Kapazitäten erst wieder hochgefahren oder überhaupt aufgebaut werden, zudem fehlt vielerorts Ware. Apotheker Wolfram Schmidt aus Northeim hätte einem größeren Unternehmen vor Ort gern mehr geholfen, findet die aktuelle Gemengelage aber zu unübersichtlich für eine so große Investition.

Schmidt betreibt im niedersächsischen Northeim die Mühlen-Apotheke sowie die Apotheke am Wieter, unter dem Namen Aponom gibt es außerdem ein größeres Hilfsmittel- und Impfstoffgeschäft. Aktuell bietet er bei den Apotheken auch Teststationen an, außerdem fährt ein Testmobil zu knapp zehn Firmen in der Region, damit sich die Mitarbeiter:innen testen können.

Doch jüngst erreichte den Apotheker eine Anfrage des Reifenherstellers Continental. Der „Conti“ ist mit rund 1700 Beschäftigten der größte Arbeitgeber in Northeim. Wegen der Produktion im Schichtbetrieb müsste das mobile Testzentrum im Industriegebiet auch an den Wochenenden durchgehend einsatzfähig sein.

Schmidt wollte das gerne ermöglichen. Die größte Hürde – das benötigte Personal – hätte er sogar nehmen können: Vom Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hatte er schon eine Zusage. Doch allein für die Personalkosten wäre ein mittlerer fünfstelliger Betrag im Monat fällig gewesen. Zuzüglich der Ausgaben für die Tests sowie Raum- und EDV-Kosten hatte Schmidt mit 60.000 Euro monatlichem Vorschuss kalkuliert – und das sei konservativ gerechnet.

Zu großes Risiko für Apotheker

Doch letztlich musste er Continental absagen: Nach vielen Gesprächen und intensiven Recherchen zur Rechtslage habe er nirgends eine Zusage erhalten, dass die Bürgertests hier in dem gewünschten Umfang zum Tragen kommen und abgerechnet werden könnten. „Ohne sichere Abrechnungsmöglichkeit ist mir das Risiko dafür zu groß“, schrieb der Apotheker. Denn ein Scheitern der Abrechnung wäre vermutlich erst nach Monaten festzustellen – wenn die Apotheke schon eine sechsstellige Summe investiert hätte. Das würde zu viele Arbeitsplätze in seinem Unternehmen, wenn nicht den ganzen Betrieb selbst gefährden, insofern bitte er um Verständnis für die Absage.

Schmidt fehlt nicht nur Klarheit beim Aufbau einer Test-Infrastruktur, er ärgert sich vor allem über die jüngsten Aussagen aus der Politik zum Thema Impfstoff. Das I-Tüpfelchen sei die Sendung „Anne Will“ am Sonntag gewesen. „Mit welcher Arroganz dort Politiker die größten Unwahrheiten behaupten können, fördert in keiner Weise das Vertrauen in der Bevölkerung für deren Entscheidungen oder die Sicherheit für Projekte wie oben genannt, die ich zur Unterstützung der Bevölkerung und Unternehmen gerne in meiner Heimatstadt Northeim erbracht hätte.“ Wenn etwa FDP-Chef Christian Lindner behaupte, es sei genug Impfstoff da, sei das „einfach nur Volksverdummung“, so Schmidt. Seine Bestellungen über rund 1800 Vials Comirnaty sei um ein Drittel gekürzt worden. Auch für die folgende Woche gebe es eine Reduzierung, nochmals um rund ein Drittel.

Ein Drittel weniger Impfstoff

Aus Schmidts Sicht wird hier viel verschenkt: „Eine große Anzahl bisher nicht geimpfter Menschen ist aktuell bereit dazu, sich impfen zu lassen, es sollte eine große Impfoffensive geben, aber was fehlt ist der Impfstoff, unglaublich. Und die Politiker geben sich einmal mehr gegenseitig die Schuldzuweisungen.“

Der Apotheker hat im vergangenen Jahr schon schlechte Erfahrungen mit der Lieferung von Grippeimpfstoffen gemacht. Gesundheitsminister Jens Spahn habe die Apotheken angehalten, Impfstoff aus der Reserve des Bundes zu ordern. Dann sei aber sechs Wochen nichts gekommen, erst in der Adventszeit seien die Lieferungen gestartet. Doch kurz vor Weihnachten und bei dem inzwischen eingetretenem Lockdown sei die Nachfrage nach einer Grippeimpfung eingebrochen. „Seitdem liegt bei mir Ware mit einem Wert von über 300.000 Euro, die inzwischen verfallen ist“, so Schmidt. Nach einem Jahr solle nun die Vergütung durch den Bund erfolgen.

„Ich möchte nicht noch einmal, ich kann es nicht noch einmal akzeptieren, an den Rand des wirtschaftlichen Überlebens gedrängt zu werden von den verantwortlichen Politikern“, so Schmidt mit Blick auf sein nunmehr zurückgestelltes Engagement bei Testen. Aktuell wisse schließlich auch niemand, ob Tests überhaupt noch benötigt würden, wenn es doch einen neuen Lockdown gibt.