Barmer-Arzneimittelreport

Glaeske: Negativliste für Frauen-Medikamente Carolin Bauer/dpa, 26.06.2012 11:24 Uhr

Berlin - 

Ärzte verordnen Frauen laut dem aktuellen Arzneimittelreport der Barmer GEK deutlich mehr Medikamente als Männern. Auf 100 Frauen entfielen durchschnittlich 937 Verordnungen im Jahr. Das sind 22 Prozent mehr als bei Männern. Der Autor der Studie, Professor Dr. Gerd Glaeske, forderte eine Negativliste für Medikamente mit einer erhöhten Gefahr für Frauen. Vorbild dafür könne die Priscus-Liste sein, die über gefährliche Wirkstoffe bei älteren Patienten informiert.

 

Frauen bekommen demnach etwa zwei- bis dreimal mehr Psychopharmaka als Männer. Medizinisch seien die Unterschiede kaum begründbar und widersprächen den Leitlinien. Glaeske warnte vor der hohen Suchtgefahr: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ein Heer von Abhängigen erzeugen.“

Frauen gingen offener mit psychischen Beschwerden um. „Anstatt dass die Ärzte ihnen zu einer psychologischen Behandlung raten, verschreiben sie ihnen zu oft Arzneimittel“, kritisierte der Wissenschaftler. Frauen würden „oft in die Abhängigkeit hineintherapiert“. Die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Männern müssten besser erforscht werden.

Die Verordnungsmengen bei älteren Männern und Frauen haben sich dagegen angeglichen: Frauen bekämen heute deutlich weniger Hormonpräparate gegen Wechseljahresbeschwerden verordnet, begründete Glaeske die Entwicklung. „Früher bekamen 30 bis 40 Prozent der über 45-jährigen Frauen solche Präparate dauerhaft.“

 

 

Insgesamt gab die Barmer GEK im vergangenen Jahr 3,9 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Hinzu kommen 400 Millionen Euro für Rezepturen und Einzelimporte. Rund die Hälfte der Ausgaben entfallen auf patentgeschützte Medikamente. Der Generikaanteil liegt mit 1,4 Milliarden bei 34,1 Prozent. Preistreiber sind demnach neue Spezialpräparate gegen Rheuma, Multiple Sklerose oder Krebs: Sie machen rund 32 Prozent der Kosten, aber nur 3 Prozent der Verordnungen aus.

Barmer-Vizechef Dr. Rolf-Ulrich Schlenker freute sich über die gebremste Ausgabenentwicklung durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG): „Die Nutzenbewertung trennt die Spreu vom Weizen“, sagte er. Allerdings dürfe das Gesetz jetzt nicht wieder aufgeweicht werden. Die frühe Nutzenbewertung sowie direkte Preisverhandlungen für neue Arzneimittel müssten entschlossen verteidigt werden, forderte Schlenker.