Offizin-Schmuckstück in Germersheim

Früher Lazarett, jetzt Apotheke

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Berlin -

Die Immobilie ist ein Filetstück, das einige Apotheker nur zu gern gemietet hätten. Sieben Konkurrenten hatten sich beworben, den Zuschlag bekam Michael Walch. Jetzt hat er im ehemaligen Garnisonslazarett in einem Germersheimer Festungsgebäude seine imposante Offizin eröffnet. Die alte Familienapotheke hat er geschlossen und am neuen Standort 500.000 Euro investiert.

Kunden soll das neue Einkaufszentrum am Paradeplatz bringen, auf dessen Areal sich auch die Apotheke befindet. Die meisten Geschäfte wurden in neu errichteten Flachbauten eröffnet, es gibt unter anderem Supermärkte, Schuh- und Inneneinrichtungsgeschäfte. Eigentlich wollte auch Walch mit seinem Team dort hinziehen. Aber der angrenzende Altbau mit seinen vier Geschäften war so schön. Deshalb beschloss er eines Tages mit seinem Architekten: „Wir ändern unsere Pläne!“ Er mietete die 400-Quadratmeter-Immobilie, 140 davon sind jetzt Offizin.

Der Standort hat Geschichte, die 21.000-Einwohner-Stadt in Rheinland-Pfalz wirbt auf ihrer Website: „Die Festungsstadt am Rhein“. Aus einem kleinen Fischerort am Rhein entstand im Laufe der Jahrhunderte ein wichtiger Militärstandort, viele Gebäude zeugen von der Geschichte. Die Festung, in der sich die Apotheke befindet, wurde im Jahr 1860 gebaut. In den vergangenen Monaten galt es, in kurzer Zeit Leben in die alten Gemäuer zu bringen. Offiziell heißt das Shopping-Areal ein wenig dröge „Fachmarktzentrum Stadtkaserne“.

„Es gibt hier viereinhalb Meter hohe Tonnengewölbedecken“, erzählt Walch, „das ist eine einmalige Bausubstanz.“ Sie stellte die Experten auch vor einmalige Aufgaben. Für das Aufstellen des Rowas musste zum Beispiel eine zwei Meter lange Kernbohrung für das Band unternommen werden. „Da helfen keine 08/15-Lösungen“, sagt er Apotheker. Aufgeben wollte er trotzdem nie. Hatte er doch einen erfahrenen Innenarchitekten an seiner Seite, dem immer gute Lösungsvorschläge einfielen.

Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, für die Außenfassade der Apotheke gelten strenge Richtlinien. „Als Außenwerbung ist nur ein Transparent erlaubt, alles andere darf keinen Kontakt zur Außenwand haben.“ Blinkende Schilder sind ein absolutes No-Go. „Die alten Gemäuer waren leer“, erzählt Walch, „die Festung war im Zweiten Weltkrieg Standort der Wehrmacht.“ Sie hatte einen berühmten Gefangenen mit militärhistorischer Bedeutung: General Hans Graf von Sponeck nahm im Rahmen der Heeresgruppe Süd an der Eroberung der Halbinsel Krim teil. Er bat angesichts der Lage – die Rote Armee hatte mit dem Gegenangriff begonnen – um die Erlaubnis zum Rückzug. Als diese ihm verweigert wurde, gab er den Befehl, die Halbinsel Kersch zu räumen. Damit rettete er tausenden Soldaten das Leben – Adolf Hitler tobte und ließ ihn zum Tode verurteilen. Dann wandelte er das Urteil in sechs Jahre Festungshaft um, die der General in Germersheim antrat.

Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 allerdings wurde der General ohne Gerichtsurteil erschossen. In den letzten Jahren geriet Hans Graf von Sponeck durch den amerikanischen Historikers Erik Grimmer-Solem in die Kritik. Nicht zuletzt deshalb trägt die Kaserne seit vier Jahren nicht mehr seinen Namen und wurde offiziell in „Südpfalzkaserne“ umbenannt.

Ein Ort mit Geschichte – und einer neuen Apotheke, die binnen vier Monaten geplant und umgesetzt wurde. „Ich habe die alte Apotheke vor zwei Jahren von meinen Eltern übernommen, die Familie ist seit 55 Jahren ortsansässig, mein Großvater ist als Apotheker nach Germersheim gekommen.“ Mit dem Umzug musste der Enkelsohn eine schwierige Entscheidung treffen. „Am alten Standort hätten wir keine Zukunftsaussichten gehabt. Das Einkaufszentrum liegt in der Innenstadt, hier hätte sowieso eine neue Apotheke eröffnet.“ Also war ihm klar, dass er, wollte er überleben, die neue Apotheke wagen muss. In Germersdorf gibt es fünf Apotheken.

Walch fiel die Entscheidung nicht leicht, wenngleich er wusste, dass sein Vater sie wohl gutgeheißen hätte. „Er ist im vergangenen Jahr gestorben.“ Mit der Schließung kann der Sohn das Lebenswerk zwar nicht am selben Ort, jedoch 100 Meter weiter entfernt weiterführen. „Viele Kunden sagen, dass es schade um die alte Apotheke ist, weil die so schön war“, sagt Walch, „und dann fügen sie hinzu: ‚Aber hier ist es noch schöner.‘“

Beim Umbau war Walch wichtig, dass die moderne Apotheke nicht das Historische des Gemäuers schmälert. „Die Rundbögen sollten erhalten werden, die Menschen sollen hineingehen und merken, dass das ein geschichtsträchtiger Raum ist. Gleichzeitig aber auch eine moderne Apotheke betreten, in der man sich wohlfühlt. Ich wollte auf keinen Fall Regale wie im Supermarkt.“

Eine Herausforderung war das Licht, das jetzt aus viel indirekter Beleuchtung besteht. Die HV-Tische sind in steingrauem Eichenton gehalten, es gibt eine Familienkasse mit Maxi-Cosi-Absteller und einer kleinen Treppe, auf der die Kinder das Bezahlen beobachten können.

Rund eine halbe Million Euro hat der Apotheker in seinen neuen Standort investiert. Während viele Kollegen über die aktuellen Verhältnisse klagen, glaubt er an die Zukunft. „Das Feld ist sicherlich schwierig geworden und sicher hat mein Opa mit der Apotheke mehr verdient. Aber heutzutage gibt es keine Berufe, in denen man Schweinegeld verdient und nichts machen muss. Der Wind ist überall rauher geworden. Dem muss man sich als Apotheker stellen und es kritisch hinterfragen.“ Denn eines steht für ihn fest: „Wenn jemand anders hier angefangen hätte, hätte ich die alte Apotheke schließen und mich anstellen lassen müssen.“

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