Misshandlungsprozess

Frau bunkert Medikamente für eine Million Euro APOTHEKE ADHOC, 18.09.2019 14:20 Uhr

Eine Frau soll Arzneimittel im Gegenwert von mehreren Millionen Euro bei sich gehortet haben. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Am Landgericht Lübeck wird derzeit ein verstörender Fall verhandelt: Eine 49-jährige Frau soll jahrelang ihren Kindern schwere Erkrankungen angedichtet haben, um unberechtigterweise Sozialleistungen zu erschleichen. Wie eine Amtsärztin am Mittwoch aussagte, soll die Beschuldigte Arzneimittel im Wert von mehr als einer Million Euro in ihrer Wohnung gehortet und damit die Gesundheit ihrer Kinder aufs Spiel gesetzt haben.

Mit gefälschten Attesten und Arztbriefen soll die Angeklagte jahrelang vorgetäuscht haben, dass vier ihrer fünf Kinder an schweren Krankheiten leiden. Unter anderem sollen die zwischen 2000 und 2008 geborenen Kinder den Behauptungen zufolge an Glasknochenkrankheit, Asthma und Rheuma gelitten haben. Drei der vier Kinder sollen darüber hinaus Bluter gewesen sein. Ende August hatte ein Arzt vor dem Amtsgericht ausgesagt und angegeben, dass alle diese Erkrankungen erfunden gewesen sein. Die Kinder seien allesamt gesund. Trotzdem habe die Frau, so der Vorwurf, mindestens ein Kind jahrelang gezwungen, den größten Teil des Tages im Rollstuhl zu sitzen.

Am Mittwoch dann sagte eine weitere Ärztin aus und warf der Frau vor, zuhause zum Teil „hoch wirksame Arzneimittel“ im Wert von über einer Million Euro gebunkert zu haben. Durch unsachgemäße Lagerung seien die Medikamente aber bereits teilweise verdorben und gefährlich für die Kinder gewesen, so die Amtsärztin des Kreises Ostholstein.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 49-Jährigen Misshandlung von Schutzbefohlenen und gewerbsmäßigen Betrug vor. Sowohl die Angeklagte selbst als auch die Kinder machen von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch und schweigen zu den Vorwürfen. In der Vergangenheit ist sie laut Anklage sogar im Fernsehen aufgetreten: In Talkshows habe sie sich als tapfere Heldin mit vier behinderten Kindern feiern lassen. Eine dieser Sendungen war im Gerichtssaal abgespielt worden.

Dass etwas an der Geschichte der Kinder nicht stimmt, war laut Aussagen vor Gericht schon in der Schule aufgefallen. Eine 51-jährige Schulbegleiterin sagte aus, dass eines der Kinder – das angeblich sowohl an Glasknochenkrankheit, Asthma und Rheuma litt – bei einem Lauftag der Schule problemlos eine einstündige Joggingrunde gelaufen sei. Als die Mutter darauf angesprochen wurde, habe sie geantwortet, der Junge könne selbst entscheiden, wann er im Rollstuhl sitzen will.

Gegenüber anderen Lehrern habe sich die Mutter unter Verweis auf den Gesundheitszustand der Kinder aufgespielt. „Sie hat mir eingeschärft, dass ich das Kind in der Schule keinen Moment aus den Augen lassen dürfe“, sagte eine 44-jährige Lehrerin aus. „Am Nachmittag habe ich ihn und seine Brüder aber oft Fahrrad fahren und in der Stadt rumlaufen sehen.“ Mehrere Lehrerinnen beschrieben die Frau als resolut und schwierig im Umgang. „Sie trug ihre Forderungen mit Nachdruck vor und drohte gleich mit Klage, falls die Forderungen nicht erfüllt würden“, so eine Lehrerin im Zeugenstand.