Auswirkungen auf Klima und Ressourcen

Fleischkonsum: Die tägliche Dosis Antibiotika

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Berlin -

Dass in der Viehwirtschaft häufig Antibiotika eingesetzt werden, ist mittlerweile bekannt. Über die Nahrung werden die Rückstände schließlich auch in den menschlichen Organismus aufgenommen und es können sich Resistenzen entwickeln. Außerdem hat der Fleischkonsum Auswirkungen auf Klima und Ressourcen – ein neu entwickelter Online-Rechner soll die Auswirkungen zeigen.

Das eigene Ernährungsverhalten kann weitreichende Folgen nach sich ziehen: „Kein bewusster Mensch möchte durch seinen Konsum willentlich Klima oder Umwelt schädigen“, heißt es auf der Homepage Blitzrechner.de, wo der Test zu finden ist: „Doch viele Menschen wissen gar nicht, wie mächtig ihr eigener Konsum ist.“ Der Fleischrechner soll zeigen, wie viel Fleisch der Benutzer im Laufe der Zeit isst, welche Ressourcen dafür verbraucht werden und inwieweit Klima und Umwelt entlastet werden, wenn das Fleisch durch eine vegetarische Alternative ersetzt wird.

In Tierzuchten werden meist besonders große Mengen von Antibiotika eingesetzt. Denn Tiere in Massenhaltung erkranken schneller und müssen daher häufiger behandelt werden. Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr wird zudem meist die ganze Herde vorbeugend behandelt, um Verluste zu vermeiden. So werden beispielsweise beim Konsum von Fleisch versteckte Antibiotika aufgenommen. Der neue Rechner berechnet unter anderem diese Mengen: Benutzer müssen Angaben zur wöchentlich verzehrten Fleischmenge differenziert nach Geflügel, Schwein und Rind machen. Außerdem wird abgefragt, wieviel Prozent des Fleischkonsums durch eine andere Proteinquelle ersetzt werden könnten.

Durch den Rechner wird der aktuelle Fleischkonsum ermittelt und anhand dessen berechnet, wie viele Antibiotika und Ressourcen durch den Konsum verbraucht werden. Die Zahl ist erschreckend: Wer Fleisch isst, sorgt dem Rechner zufolge in zehn Jahren durchschnittlich für den Einsatz von 219 Antibiotika-Dosen. „Den meisten Menschen ist nicht klar, auf welche Mengen sich das im Laufe der Zeit summiert“, erklärt Projektleiter Tim Lilling. „Im Schnitt bekommt jeder Deutsche innerhalb von zehn Jahren 47 Tagesdosen Antibiotika verschrieben. Die von ihm in dieser Zeit verzehrten Tiere im Durchschnitt aber 219 Tagesdosen“, so Lilling weiter.

Den individuellen Verbrauch kann jeder Verbraucher mit dem Fleischrechner selbst ausrechnen. Dabei sieht er auch gleich, wie sich eine Einschränkung des eigenen Fleischkonsums auf den Einsatz von Antibiotika auswirken würde: Denn neben der Angabe der Antibiotika-Dosen macht der Rechner gleichzeitig Angaben dazu, wie viele Antibiotika und Ressourcen sich einsparen lassen, wenn das Fleisch – zumindest teilweise – durch andere Proteinquellen ersetzt wird.

Der Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht wird schon länger als problematisch angesehen. Denn durch die vermehrte Verabreichung entstehen zunehmend Resistenzen gegen bewährte antibiotische Wirkstoffe – sowohl beim Tier wie auch beim Menschen. Die Folge: Das Antibiotikum bleibt wirkungslos. In der Humanmedizin wird daher mittlerweile seltener zum Antibiotikum gegriffen. Außerdem werden gleichzeitig neue Alternativen erforscht. Was allerdings laut Lilling gerne vergessen wird: „Menschen nehmen Antibiotika nicht nur – sie sorgen durch ihren Konsum auch aktiv dafür, dass Antibiotika verbraucht werden. Und zwar deutlich mehr als sie selbst einnehmen.“

Im vergangenen Jahr teilte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit, dass Pharmaunternehmen und Großhändler in den vergangenen Jahren zwar weniger Antibiotika an Tierärzte abgegeben haben als zuvor. Allerdings habe es Zuwächse zum Beispiel bei einer Antibiotikaklasse gegeben, die für den Einsatz beim Menschen als besonders wichtig gilt – den sogenannten Fluorchinolonen, die zu den Reserveantibiotika gezählt werden. Nach Schätzungen gibt es in Deutschland zwischen 1000 und 4000 Todesfälle pro Jahr durch antibiotikaresistente Erreger.

Seit März 2018 gelten strengere Regeln in der Tiermast: Seitdem ist es verboten, besonders wichtige Wirkstoffe bei Rindern, Schweinen, Puten und Hühnern umzuwidmen – also auch für andere Krankheiten oder Tiere anzuwenden, als in der Zulassung bestimmt. Möglich ist dies nur noch, „soweit im Einzelfall die notwendige arzneiliche Versorgung der Tiere ernstlich gefährdet ist“. Konkret geht es um bestimmte Reserve-Antibiotika, die auch bei Menschen für schwere Krankheiten verwendet werden, wenn normale Antibiotika nicht mehr wirken. Die Verordnung bezieht sich auf die Wirkstoffgruppen Cephalosporine der dritten oder vierten Generation sowie Fluorchinolone.

Mittlerweile versuchen einige – vor allem kleinere Betriebe – die Antibiotikagabe zu reduzieren: Birgit Gnadl beispielsweise bewirtschaftet mit ihrer Familie einen modernen Bio-Milchviehbetrieb mit 45 Kühen im Chiemgau, der seit 22 Jahren ohne Antibiotika auskommt. Stattdessen greift Gnadl sowohl bei akuten als auch bei chronischen Erkrankungen zur Homöopathie. Mindestens auf die Hälfte der üblichen Gaben, wenn nicht noch mehr, könne sie verzichten, schätzt sie. In Gnadls Betrieb werden die Kühe mit homöopathischen Einzelmitteln behandelt. Seit sechs Jahren werden die Homöopathika teilweise sogar über den Melkroboter mit Hilfe des eines Sprühsystems den Kühen direkt auf die Nase gesprüht. Dadurch sei der „Placebo by Proxy-Effekt“ – also Placebo durch Zuwendung – ausgeschlossen, sagt Gnadl.

Behandelt werden mit den homöopathischen Mitteln alle täglichen Wehwechen und Krankheiten – entweder eigenständig oder nach Rücksprache mit dem Hoftierarzt. Neben der Geburtseinleitung werden so auch akute und chronische Euterentzündungen, Kälberdurchfall, Fruchtbarkeitsprobleme, Klauen- und Gelenksprobleme und vieles mehr behandelt. Auch im Bereich Virus- und Infektionskrankeiten, wo ansonsten keine konventionellen Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, setzt Gnadl auf die Möglichkeiten der Homöopathie: Unter anderem bei bakteriell ausgelösten Geschlechtskrankheiten wie Clamydien-Infektionen, Staphylokokken-Infektionen und Rota-corona-Durchfällen.

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