Paul Newsman

Fake-Version der Apotheken Umschau Silvia Meixner, 03.08.2017 08:26 Uhr

Berlin - 

„Verdacht: Wurde Frauke Petrys Baby schwul geimpft?“, fragt das Online-Medium die-apotheken-rundschau.de. Und weiter: „Krankenhausmitarbeiter berichtet von möglicher Homo-Impfung von Fraukes Baby“. Der Autor: Dr. h.c. Thor Kunkel. In der Journalistenszene ist der Mann völlig unbekannt. Kein Wunder – die Seite ist ein Scherz.

Einen Bezug zur Apothekenbranche haben die Macher nicht. „Von meinem Arbeitsplatz aus schaue ich auf eine Apotheke, das war‘s auch schon“, schreibt Mike Lieser, Webentwickler aus Koblenz, der sich die Seite mit Kollegen ausgedacht hat. Ein Telefon-Interview lehnte er ab und bot ein Mail-Interview an – wir hoffen, dass der Mann trotzdem existiert.

Wie oft bei guten Ideen entstand auch diese aus einem Scherz heraus: Im April vergangenen Jahres wollte ein Mitarbeiter einer Kreativagentur aus Koblenz einen Kollegen mit einem fingierten Artikel veräppeln. Darin stand, dass die Firma, an der das Veräppelungsopfer vor Kurzem noch beteiligt war, für 30 Millionen Euro verkauft worden sei.

Weil der Kollege keinen brauchbaren Dienst fand, bearbeitete er einen bereits vorhandenen Newsartikel im Browser, tauschte Titel, Text und Bild aus und fertigte einen Screenshot an. Sein Opfer glaubte die Nachricht nur für eine Sekunde, forderte die URL – und schon war der Schwindel aufgeflogen.

Da fragten sich die beiden Männer: „Warum gibt es so etwas eigentlich noch nicht?“ Einen Webdienst, der eine authentische URL generiert, mit Facebook-, WhatsApp- und Slack-Ankündigung. Dazu das seriöse Layout im Stil einer Zeitung, die es so oder so ähnlich schon gibt. Kurzerhand gründeten die beiden vom Schreibtisch aus ein paar fiktive Zeitungen und Magazine: „Kölner Abendblatt“, „Britta – das Magazin für die Frau“, „Blitzkurier“, „Grätsche“ und eben die „Apotheken-Rundschau“.

Alles firmiert unter dem Namen „Paul Newsman“ – in Anlehnung an den US-Schauspieler Paul Newman, der über Jahrzehnte zu den erfolgreichsten Schauspielern in Hollywood gehörte und insgesamt neun Oscar-Nominierungen bekam. Im Jahr 1981 spielte er in dem Film „Die Sensationsreporterin“ mit. Also ein guter Mann fürs Logo.

„Jeder kann nun kostenlos innerhalb von Sekunden ‚seriöse‘ Fake-Artikel in unseren Fake-Zeitungen schreiben und verbreiten. Es kostet nichts und bringt kein Honorar. Man braucht eine Idee, einen Titel, einen Text und ein Titelbild“, erklärt Lieser. Auf der Website paulnewsman.com lockt er potenzielle Autoren: „Hast du schon immer davon geträumt deine investigativen Recherchen in einer großen deutschen Zeitung zu veröffentlichen? Das wird wohl auf ewig ein Traum bleiben. Es sei denn du hast einen Heidenspaß daran deine Freunde und Kollegen zu veräppeln. Paul Newsman, dein Sprungbrett in das kalte Haifischbecken der Medienlandschaft. Paul Newsman bringt dich groß raus. Veröffentliche deinen vermeintlich seriösen Artikel im Kölner Abendblatt oder befriedige die voyeuristische Gier des Boulevards mit exklusivem Regenbogenjournalismus im Blitz-Kurier.“ So funktioniert das Veröffentlichen: Account anlegen und loslegen.

Dass das „A“ im Logo sehr dem geschützten Apotheken-A ähnelt, sieht er so: „Unsere erste Version war deutlich näher am Apotheken-A. Da wir keine Lust auf Rechtsstreitigkeiten mit dem Deutschen Apothekenverband haben, haben wir das Logo angepasst, auf Schlange und Kelch verzichtet und es unserer Meinung nach für uns rechtssicher gestaltet. Außerdem kann man mit dieser Version beweisen, wie wenig ‚Original‘ man sein muss und es der vermeintlichen Glaubwürdigkeit keinen Abbruch tut.“

In einer Zeit, in der viele Menschen nicht zwischen echten Nachrichten und Fake-News unterscheiden können oder wollen, soll Paul Newsman zum Nachdenken anregen. Liese sagt: „Wir machen es dem Leser zugegebenermaßen nicht einfach, eine Satire zu erkennen, da die Hülle nach ‚normalen Journalismus‘ aussieht.

Satire aus gewohnten erkennen die meisten schnell: Postillon, Titanic, Die PARTEI, Heute Show, Böhmermann. Da funktioniert das mit der Einschätzung noch ganz gut. Wenn man allerdings darüber hinaus im Internet unterwegs ist, verlieren einige den Durchblick. Selbst beim Postillon sind manche Kommentatoren damit überfordert, satirische Kommentare zu erkennen.“ Die Philosophie der Idee: „Die Lektion lautet: Glaube nicht alles. Vor allem nicht aus Quellen, die du nicht kennst.“

Die Auswahl der fiktiven Titel fiel ihm nicht schwer: „Wir sind relativ strukturiert vorgegangen, die zentrale Frage war, welche Branchen eine hohe Reichweite und Auflage haben. Die Apotheken Umschau alias Rentner-Bravo gehört sicherlich dazu und deckt zudem ein breites Spektrum ab: Gesundheit, Medizin, Ernährung, Sport. Und es war eine passende Ergänzung zu den bestehenden Magazinen.“

Eine eifrige Userin namens Kerstin „meldete“ die Geschichte über Frau Petrys Baby via Facebook an die Apotheken Umschau. Der Social Media-Redakteur antwortete: „Danke für den Hinweis, aber da diesem ganzen eine Fake-News-Seite zu Grunde liegt, können wir nicht viel machen. Die Website die-apotheken-rundschau.de gibt es zum Beispiel gar nicht. Ist schwer, gegen so etwas vorzugehen. Wir werden es aber weiter beobachten.“ Das ist genau das, was die Apotheken-Rundschau möchte: Beobachtet werden. Denn ein paar mehr Leser und Schreiber könnten der Idee nicht schaden, die Facebook-Community besteht derzeit aus 97 Personen.

Mitschreiben kann jeder, er sollte aber vorher die Geschäftsbedingungen genau durchlesen, denn die journalistische Verantwortung liegt allein beim Autor. Im Klartext: Findet Frauke Petry die Geschichte mit der möglichen Homo-Impfung ihres Babys nicht amüsant, könnte sie einen Anwalt einschalten und den Autor verklagen. Bislang hat sich die AfD-Politikerin nicht gemeldet.