Extremsport

Apotheker und Ironman

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Berlin -

23 Jahre lang leitete Klaus Purwin die Ahorn-Apotheke im hessischen Baunatal. Richtig „sein Ding“ sei das aber nie gewesen. Als Ausgleich trieb er Sport. „Zum richtigen Sport“, wie er sagt, kam er aber erst mit fast 50 Jahren. Er lief, schwamm, fuhr Rad und brachte es schließlich zum Vizeeuropameister, WM-Dritten und Ironman.

Bis 1980 studierte Purwin Pharmazie in Marburg. Im April 1984 gründete er seine Apotheke mit zwölf Angestellten, davon drei Apothekerinnen. Apotheker sei er sehr ungern gewesen. Der „Spaß“ habe sich in Grenzen gehalten, so Purwin. Das habe er erst im Beruf realisiert. In die Industrie wollte er nicht, in einer Apotheke angestellt sein auch nicht. Er gewöhnte sich: „Wenn du Erfolg hast, und das Geschäft läuft von Jahr zu Jahr besser, dann ist das natürlich auch befriedigend, dann macht es auch ein bisschen Spaß.“

Wenn er hinter dem HV-Tisch hervor kam, trieb er Sport, spielte etwa Tennis, fuhr Ski und ging joggen. Im Jahr 2000 besuchte er eine Beerdigung: „Viele Gäste waren in meinem Alter, und viele sahen alles andere als toll aus. Man fühlt sich immer gut und merkt nicht, dass es einem nicht ebenso gut geht. Objektiv betrachtet sah ich genauso aus und dachte: 'Du müsstest etwas ändern'.“

Purwin nahm sich vor, ein Vierteljahr später einen Marathon zu laufen; er schaffte die 42,5 Kilometer und lief weiter: „Ich habe gemerkt, dass es mir gut tut.“ Zufrieden stellte ihn die Strecke aber nicht, er suchte nach anderen Herausforderungen, absolvierte etwa Bergläufe. „Aber das war nicht das, was ich wollte. Drei Sportarten habe ich schon immer bewundert: Freeclimbing, Wellenreiten und Triathlon.“ Klettern fiel wegen Höhenangst aus, zum Wellenreiten gab es in Nordhessen nicht die richtigen Voraussetzungen – blieb noch Triathlon. „Ich dachte: 'Verdammt noch mal: Jetzt lerne ich kraulen.'“

Den ersten Triathlon absolviert er 2002. Faszinierend sei es gewesen: „Du stehst vor Freiwasser, im Regen, bei Wind und Wetter. Einen Rettungsschwimmer gibt es nicht, du weißt nie was passiert. Das ist schon eine Mutprobe, wenn 2000 Menschen zur gleichen Zeit in einen kleinen See rennen. Das ist ein Hauen und Stechen. Da gibt es auch Verletzungen.“ Wer das Schwimmen überstehe, habe es geschafft, sagt Purwin. „Ich war heilfroh.“

Fortan absolvierte er Trainingseinheiten von bis zu 30 Stunden in der Woche, fünf Stunden pro Tag. Mit seiner Apotheke ließ sich das zeitintensive Training vereinbaren: Von morgens bis abends stand er hinter dem HV-Tisch. Davor und danach wurde trainiert. „Das war kein Thema, nur insofern etwas ungeschickt, weil die Apotheke nur dann gut lief, wenn ich da war. Viele Leute kamen, um sich mit mir zu unterhalten.“ Auch dem Familienfrieden sei sein Hobby nicht in die Quere gekommen: Tochter und Frau ritten Turniere, auch sie seien häufig unterwegs gewesen.

Den ersten Ironman absolvierte er 2004 in Frankfurt – elf Stunden und acht Minuten lief, schwamm und radelte er, bis er das Ziel erreichte. Bei weiteren vier der Triathlons trat er an. Weltweit gebe es pro Jahr rund 30.

Im August 2007, mit 55 Jahren, verkaufte er seine Apotheke. „Ich hatte keine Lust mehr“, begründet er die Entscheidung. Im gleichen Jahr lief er bei der Europameisterschaft für Amateure in Belgien als Zweiter durchs Ziel.

Die Deutsche Triathlon-Union nahm ihn in die Nationalmannschaft auf und schickte ihn ein Jahr später nach Frankreich: Diesmal wurde er Vierter. 2009 ging es nach China: vier Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren, 42 Kilometer laufen. „Es war gnadenlos heiß, eine unheimlich feuchte Luft und ich war einen Tag vorher erst angereist. Das habe ich nicht geschafft.“ 2010 trat er bei der Weltmeisterschaft im Allgäu an und wurde Dritter.

Vor zwei Jahren stürzte er bei der Abfahrt und lag anschließend mit Gehirnerschütterung im Krankenhaus. „Mein Gesicht war hinüber, ich musste genäht werden“, sagt Purwin. Kurze Zeit später stürzte er erneut und brach sich das Schlüsselbein.

Die Lust verließ den Triathleten: „Wenn man nur früh oder spät trainieren kann, ist man mutterseelenallein.“ Er ging es fortan entspannter an und betrieb den Sport nur noch „aus Spaß und Tollerei, wie es sein soll“. Bei Purwin sind das etwa eineinhalb Stunden pro Tag, er läuft und geht zudem ins Sportstudio.

Daneben hält er Vorträge auf sportlichen Veranstaltungen wie Marathons oder Messen, etwa für Orthomol oder den Bandagenhersteller Bauerfeind. Er schreibt eine Kolumne in der Zeitschrift Teatimes sowie in der Zeitschrift Sportwelt von Orthomol. Im Sommer sei er ein- bis zweimal im Monat auf Veranstaltungen unterwegs.

Daneben hilft Purwin in Apotheken aus, etwa jeden Freitagnachmittag und ab und zu samstagvormittags in der St. Georg-Apotheke Großenritte. „Ich habe ja Zeit.“ Zeitweise bot er Beratungsdienste für Verbraucher an, zu den Themen Selbstmedikation und Nahrungsergänzungsmittel etwa, zu Nebenwirkungen und Verträglichkeiten mit anderen Medikamenten oder zu Alternativen und Besonderheiten im Bereich Sport. Als Honorierung erbat er eine Spende an das Tierheim. Die Nachfrage blieb aber aus. Für Purwin halb so schlimm: Nach den vielen Jahren mit vollem Terminkalender genieße er die Ruhe.

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