Landapotheke

Einbahnstraße vertreibt Apothekenkunden

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Berlin -

Unser Dorf soll schöner werden, denkt sich wohl die Verwaltung von Neuhofen. Die Gehsteige ihrer viel befahrenen Hauptstraße sollen verbreitert, die Fahrbahnen dafür schmaler werden. Dafür wird gerade eine Einbahnstraßenregelung getestet. Sehr zum Verdruss von Kurt Hölzel. Dem Apotheker bleiben Kunden weg.

Hölzel arbeitet seit 1986 als Apotheker, zunächst als einfacher Angestellter, dann als Chefvertreter in seiner Heimatstadt Heidelberg. Als Lokalpatriot schwärmt er von den schönen Dörfern der Rheinpfalz, hier wollte er sich selbstständig machen. „Zwei Jahre lang habe ich nach einem geeigneten Objekt gesucht“, erzählt er. „Mithilfe einer befreundeten Kollegin und einem Außendienstmitarbeiter fand ich die Löwen-Apotheke in Neuhofen.“ Zum 1. Juli 1999 übernahm er die Geschäfte im 7000-Einwohner-Ort. Er fühlte sich heimisch, auch die Resonanz der Bevölkerung war vom Start weg gut.

Die Apotheke gibt es seit etwa 50 Jahren, das Haus stammt aus dem Jahr 1869. „Vor 15 Jahren habe ich die Apotheke aufwändig renoviert und alles schön im italienischen Stil gestaltet“, erzählt Hölzel. Allerdings gebe es eine Einschränkung: „Weil der Bürgersteig so schmal ist, kann ich keine Rampe bauen, um eine Barrierefreiheit zu gewährleisten. Das weiß auch der Pharmazierat. Jetzt habe ich noch Bestandsschutz, aber wenn ich die Apotheke mal verkaufen will, wird das schwierig.“

Dem Umsatz habe die mangelnde Rollstuhlfreundlichkeit über lange Jahre nicht geschadet. „Ich habe eine sehr lebhafte Apotheke“, freut sich ihr Besitzer. Dabei half bislang auch die gute Erreichbarkeit über die viel befahrene Hauptstraße, die auch Kunden aus den Nachbarorten anlockte. „Die Straße stammt aus dem 17. oder 18. Jahrhundert“, hat Hölzel erfahren. „Früher war sie sogar eine Kreisstraße, aber mittlerweile gilt hier Tempo 30. Der Belag muss dringend erneuert werden.“

Das fand auch die Gemeinde und dachte gleich an eine Rundumrenovierung. Nach der Straßensanierung soll die Fahrbahn schmaler, der Gehweg dafür breiter werden, damit er auch von Menschen mit Kinderwagen und Rollatoren ohne Einschränkungen genutzt werden kann, so zumindest die Vorstellung.

„Doch dann passen keine zwei Fahrspuren für Autos mehr auf die Straße“, hat Hölzel erfahren. Versuchsweise hat die Verwaltung die Jahn- und die Hauptstraße zur Einbahnstraße erklärt. Entsprechende Hinweis- und Verbotsschilder weisen den richtigen Weg. Zumindest theoretisch.

In der Praxis müssen sich viele Autofahrer noch an die neuen Regelungen gewöhnen. „Es gab hier schon viele Beinahe-Unfälle. Die Kunden erzählen mir, dass sie keinen Fernseher mehr brauchen: Was sie aus dem Fenster sehen, ist spannender als jeder Krimi“, sagt Hölzel. „Auch ich habe im Notdienst beobachtet, dass Kunden ihr Auto auf dem Parkplatz gegenüber unserer Apotheke abstellen und dann in die falsche Richtung wieder davon fahren.“ Ob aus Versehen oder mit voller Absicht, wie die örtlichen Behörden sagen, könne er nicht beurteilen.

Wohl glaubt er einen Umsatzrückgang verspürt zu haben. „Ich habe sehr viel treue Kunden, zu mir fahren viele aus den umliegenden Nachbarorten, obwohl wir nicht ganz so verkehrsgünstig gelegen sind und nicht so viele Parkplätze vor der Tür haben. Aber es werden weniger.“ Wer etwa aus Waldsee komme, müsse umständliche Umwege in Kauf nehmen. „Ich hab schon kleinere Verkehrsstaus gesehen, weil die Kunden verunsichert sind.“

Hölzel befürchtet, dass manche seiner Patienten auf andere, bequemer zu erreichende Apotheken ausweichen könnten. Er warte noch auf genaue Zahlen der Betriebswirtschaftlichen Auswertung, die seine Vermutungen bestätigen könnten.

„Ständig lese ich Berichte über Kollegen, die wegen hartnäckiger Baumaßnahmen in große Schwierigkeiten kommen oder sogar gleich ganz schließen müssen“, erzählt der Apotheker. „Da steigt der Blutdruck, wenn ich dann sehe, was gerade hier in Neuhofen passiert.“ Bis zum 30. April soll die Versuchsphase noch dauern. Hölzel zählt schon die Tage. „Ich hoffe, dass dann alles zum Alten zurückkehrt.“

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