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Telemedizin als Rettung auf hoher See

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Oldenburg -

Mit Hilfe der Telemedizin können Ärzte vom Land aus Menschen auf der Nordsee das Leben retten. Die Technik könnte auch medizinische Versorgungslücken in ländlichen Regionen schließen. Doch bis dahin sind noch viele Hindernisse zu überwinden.

Mitten in der Nacht bekommt ein Mitarbeiter auf einem Offshore-Windpark in der Nordsee einen Herzinfarkt. Ein Rettungshubschrauber am Festland wird alarmiert, während ein Sanitäter die Ersthilfe vor Ort übernimmt. Doch bis der Hubschrauber und ein Arzt eintreffen, ist der Mann gestorben. Ein fiktives, aber durchaus realistisches Szenario.

Die Ärzten im Zentrum für Telemedizin in Oldenburg wollen in Kooperation mit dem Hamburger Notfall-Medizinnetzwerk Windeacare solche „Versorgungslücken“ auf hoher See verringern. Mit moderner Technik können sie von der Klinik aus Menschen auf dem Meer behandeln, bis etwa ein Notarzt eintrifft. 114 Mal hatten Dutzend Ärzte der Abteilung im vergangenen Jahr Einsätze vor der Küste, ohne jedoch ihren Standort in Oldenburg zu verlassen. Solche „Fernbehandlungen“ unterliegen in Deutschland strengen Auflagen. Das Team kämpft seit Jahren für eine Änderung.

„Mit unserer Technik wollen wir vor allem Distanzen überwinden, und schneller entscheiden, ob weitere Hilfe vor Ort nötig ist oder nicht“, sagt Dr. Dirk Tenzer, Vorstand des Klinikums Oldenburg, zu dem die Telemedizin-Zentrale gehört. Mit zwei Kollegen steht er im Kontrollzentrum der Abteilung. Der kleine Raum ist vollgepackt mit Computern, Monitoren und Geräten. Von hier aus haben die Ärzte einen Überblick über die Hubschrauber und Schiffe, die vor der Küste im Einsatz sind. Von hier aus können sie auch Herzfrequenz, Sauerstoffversorgung und Hirntätigkeit eines Patienten überprüfen. Dann entscheiden sie, was zu tun ist.

Dafür muss der Patient an ein kleines Gerät angeschlossen sein, das auf den ersten Blick wie eine tragbare Spielekonsole aussieht. Der sogenannte Intensivmonitor misst sämtliche Lebensfunktionen eines Menschen und sendet sie an die Zentrale in Oldenburg. Tenzer und seine Kollegen wollen, dass die Technik bald auch in ländlichen Regionen eingesetzt wird, dort wo es immer weniger Ärzte gibt. Vor allem chronische Erkrankungen ließen sich dadurch behandeln. „Es geht uns nicht darum, den Arzt zu ersetzen“, sagt Tenzer. „Die Patienten wollen ihren Doktor anfassen. Das wird auch in Zukunft so sein.“

Doch durch die Telemedizin könnten Hausärzte schneller die Meinung eines Facharztes einholen, der wiederum Hunderte Kilometer entfernt in einem Krankenhaus die medizinischen Daten auswertet. Die Oldenburger sind nicht allein mit diesem Wunsch.

In Deutschland sind sogenannte „Fernbehandlungen“ laut Berufsordnung der Bundesärztekammer nur mit großen Einschränkungen möglich. Eine Behandlung ohne mindestens einen persönlichen Kontakt zwischen Arzt und Patient ist verboten. Das ist aus Sicht der Kassenärzte auch gut so, auf die es beim Einsatz von Telemedizin auf dem Land ankommen würde.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung in Berlin, hält ein „Fernbehandlungsverbot“ für richtig. Dennoch lasse sich diskutieren, ob der entsprechende Paragraph nicht etwas aufgeweicht werden könnte. „Wir würden da schon gerne mehr in diese Richtung machen“, sagt der Sprecher, Roland Stahl. Widerstand gebe es aber vor allem bei den Krankenkassen: Bislang werde nur eine einzige telemedizinische Leistung vergütet.

Dabei sind auch die Krankenkassen nicht abgeneigt, was die neue Technik angeht. „Wir sehen in telemedizinischen Verfahren eine Chance für die Zukunft, insbesondere in ländlichen Regionen die Versorgung der Versicherten zu verbessern“, sagt ein Sprecher des Spitzenverbands Gesetzlicher Krankenversicherungen (GKV). Allerdings heißt es dort auch im Grundsatz: „Die ärztliche Behandlung, insbesondere die Erstdiagnose, sollte von Angesicht zu Angesicht erfolgen.“

Dennoch sind Tenzer und sein Team optimistisch: Innerhalb eines Jahres soll es in Niedersachsen ein Pilotprojekt geben, das den Einsatz der Telemedizin in ländlichen Regionen in Niedersachsen ermöglicht. Bis die Technik fester Bestandteil der bundesweiten medizinischen Versorgung ist, wird es laut Tenzer noch rund zehn Jahre dauern.

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