Eine Schließung von vielen

Die vernachlässigte Apotheke

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Berlin -

Über 30 Jahre lang führte Jochen Jakobi die Martinus-Apotheke im baden-württembergischen Zeutern. Obwohl der Ort eigentlich zu wenige Einwohner hatte, um eine Apotheke rentabel zu betreiben, liefen die Geschäfte ordentlich. Nun musste Jakobi aus Altersgründen schließen. Die Suche nach einem Nachfolger war nicht von Erfolg gekrönt. Kein Einzelfall, wie die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg berichtet. Dennoch sieht sie die Versorgung im Bundesland weiter gewährleistet.

Im Jahr 1981 öffnete die Martinus-Apotheke, im Februar 1989 wurde der Betrieb von Apotheker Jakobi übernommen. Dabei waren die Voraussetzungen nicht die besten. Der Ortsteil Zeutern, der zur Gemeinde Ubstadt-Weiher im Norden von Karlsruhe liegt, hatte damals nur 2500 Einwohner. Als Mindestgröße für einen Apothekenstandort galten 3500 Einwohner.

Jakobi ließ sich davon nicht entmutigen und gewann mit der richtigen Mischung aus Kompetenz und Empathie auch Kunden aus den Ortsteilen und Gemeinden im Umkreis. Leicht wurde es dem Apotheker vonseiten der Politik hingegen nicht gemacht: Bürokratische Hürden, Rabatt- und Rahmenverträge setzten seinem Betrieb zu. Auch deshalb scheiterte die Nachfolgersuche.

Die Trauer in Zeutern über die Apothekenschließung ist groß. Bürgermeister Tony Löffler kam persönlich vorbei und sprach sein Bedauern aus. Seit Mittwoch ist die Martinus-Apotheke geschlossen, zuvor fand noch ein Ausverkauf der Selbstbedienungsartikel statt. Jakobi wird fortan den Ruhestand genießen. Die Versorgung und die Notdienste übernehmen die in den benachbarten Ortsteilen gelegenen Apotheken. Der nächste Betrieb ist rund 3,5 Kilometer von der Martinus-Apotheke entfernt.

Mit der Nikolaus-Apotheke und der Storchen-Apotheke gibt es noch zwei Apotheken in der Gemeinde Ubstadt-Weiher. Die meisten Apotheken im Umfeld bieten an, die Arzneimittel ihren Kunden per Botendienst nach Hause zu liefern. Damit sei die flächendeckende Versorgung noch immer durch die örtlichen Apotheken gewährleistet, betont die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg.

Dennoch sehen auch die Vertreter der Kammer die aktuelle Entwicklung mit Sorge. 2017 sank die Zahl der Apotheken im Bundesland um 41, im Jahr darauf um 56 Betriebe. Als Gründe nennt die Apothekerkammer stark gestiegene Anforderungen an die Apotheken, ausbleibende Honorarerhöhungen und das Schließen von Arztpraxen.

Zudem kritisiert die Kammer, dass die Politik das Schaffen von fairen Wettbewerbsbedingungen lange vernachlässigt habe: Während die Apotheken rund um die Uhr Not-, Wochenend- und Feiertagsdienste leisten, dürften Versandapotheken sich die Rosinen des reinen Handels herauspicken. Diese ungünstigen Rahmenbedingungen hielten den Nachwuchs davon ab, sich mit der eigenen Apotheke selbstständig zu machen. Angestelltenverhältnisse würden mittlerweile bevorzugt. Betroffen seien davon sowohl ländliche als auch städtische Regionen. Derzeit die Versorgung in Baden-Württemberg aber sichergestellt. Mit Betonung auf „derzeit“.

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