Kalender

Da war sie – die K-Frage Silvia Meixner, 03.06.2017 09:08 Uhr

Berlin - 

Sie sind rezeptfrei, gratis, schön bunt und stehen deshalb bei Schnäppchenjägern hoch im Kurs. In diesem Jahr setzt der Run auf die beliebten Apothekenkalender allerdings ungewohnt früh ein. Schon jetzt fragen Kunden nach Kalendern für 2018. Die Apotheker wundern sich – und lächeln darüber.

Viele Menschen verbinden den Begriff „K-Frage“ mit Politik. Bei den Apothekern gibt es sie auch, dort hat sie allerdings eine andere Bedeutung. Bei Facebook wird darüber gewitzelt, dass derzeit die ersten Kunden schon nach Kalendern für 2018 fragen. Sicher ist sicher. Nicht, dass man zu spät kommt. „Zufällig haben wir letzte Woche einen Kalender aus 2013 hinter einem Schrank vorgezogen, sollen wir den liefern?“, fragt eine Apothekerin ironisch. Kurzkommentar eines männlichen Kollegen: „Kranker Shit.“

Eine andere Apothekerin postet fröhlich: „Ich weiß gar nicht, was ihr wollt, ist doch höchste Zeit! Ostern ist vorbei, Weihnachten steht vor der Tür und damit auch Kalenderzeit.“ Alle machen sich Sorgen um ihren Kollegen Bernd Dotzauer, dessen Horrorzeiten anfangen und der online fleht: „Vor dem 1.12.: Bitte von keinem das K-Wort“. Dotzauer, Inhaber der Neuen Apotheke im oberfränkischen Gräfenberg, sagt: „Es ist ein Running Gag unter Kollegen, aber vor Dezember kann ich wirklich keine Kalender sehen.“ Er sagt: „Ohne Kalender geht im Apotheken-Jahr nichts.“

Seine Apotheke hat feste Regeln: „Ab dem 1. Dezember bekommt jeder einen Kalender. Wenn sie weg sind, sind sie weg.“ Das wissen die Kunden in und um Gräfenberg genau: „Die letzten Novembertage können wir jedes Mal ein Absinken der Kundenzahlen beobachten.“ In den ersten Dezembertagen ist die Apotheke dann voll: Kalenderzeit! Dotzauer betrachtet die Thematik mit einem Lächeln, sieht aber dennoch einen ernsten Hintergrund bei der Jagd um den Kalender: „Es ist ein Zeichen dafür, wie wir Apotheker uns mit der Zeit für die Kunden zum Affen gemacht haben. Ein Metzger oder Bäcker würde da nie mitmachen.“

Er gibt gern und bestellt 1200 Kalender im Jahr, ärgert sich aber ein bisschen darüber, dass einige Kunden den Kalender als Selbstverständlichkeit betrachten. „Ich bin der festen Überzeugung, dass es nicht der Kalender selbst ist, sondern das psychologische Gefühl, dass die Leute denken: ‚Ich habe ein Recht darauf!'“ Er kennt Kunden, die „panisch drei Wochen vor Anfang Dezember anrufen und sich einen reservieren lassen möchten.“

Seine Antwort ist dann höflich, aber bestimmt: „Kommen Sie gern vorbei, aber Reservierungen können wir leider keine entgegennehmen.“ Die Zielgruppe ist bunt gemischt, Menschen aller Altersklassen sind wild auf die Apotheken-Kalender. Trotz des gelegentlichen Ärgers über die Schnäppchenjäger würde Dotzauer die beliebte Gabe niemals abschaffen. „Wenn wir keine Kalender hätten, könnte ich mich im Dezember nicht in meiner Apotheke blicken lassen. Die Enttäuschung der Kunden wäre einfach zu groß“, sagt er lächelnd.

Unvergessen ist ein besonders dreister Kunde, der eines Tages im Notdienst klingelte: „Es war Samstagabend, 23 Uhr. Ein Mann Ende 60 fragte, ob er einen Kalender haben könne“, erzählt Dotzauer. Er wollte nicht unhöflich sein, überreichte ihm einen und sagte: „Das macht bitte 2,50 Euro Notdienstpauschale. Der Kunde sagte, er wolle aber lieber den Kalender, den es gratis gebe.“

Und er fragte, ob er ihn zu den normalen Geschäftszeiten kostenlos bekäme. Als Dotzauer bejahte, sagte der Kunde: „Glauben Sie, ich bin so blöd und komme morgen noch einmal? Ich wohne 18 Kilometer weit weg!“ Beleidigt verließ er die Apotheken-Klappe – ohne Kalender.

Und dann gibt es noch die Kunden, die schon zwei Kalender abgestaubt haben und unverblümt nach dem dritten fragen. Auch die müssen damit rechnen, dass es ein höfliches „Nein“ gibt. Die Neue Apotheke hat immer einen hübschen, schmalen Jahres-Wandkalender mit den Fotos von Arzneipflanzen.

Manche Patienten plaudern gern darüber, was sie damit machen: „Der eine erzählt mir, dass er ins Schlafzimmer kommt, der nächste will ihn für die Küche der Tante, und er soll bitte eine Größe haben, die genau zwischen Kruzifix und Herd passt.“ Jedem recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann. Dotzauer verwaltet seine Termine via iPhone. „Ich bin 43 Jahre alt, mein Gehirn funktioniert sehr gut, die meisten Termine merke ich mir problemlos“, sagt er. Einen Apothekenkalender für die Wand braucht er jedenfalls nicht.