Bundessozialgericht

BSG begründet 16.000-Euro-Regress

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Berlin -

Sparen, sparen, sparen: Ärzte müssen sich an das Wirtschaftlichkeitsgebot halten und notfalls auch die Apotheken umgehen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) am 13. Mai entschieden. Aus den jetzt vorliegenden Gründen der Kasseler Richter geht hervor, warum der „Aufschlag“ der Apotheken bei Gerinnungsfaktoren zu teuer und daher zu vermeiden ist.

Eine Ärztin aus Sachsen-Anhalt erlitt einen Regress von 16.000 Euro, weil sie einen Bluterpatienten mit den Rezepten in die Apotheke geschickt hatte. Aus Sicht der Kasse hätte sie die Medikamente günstiger direkt beim Hersteller bestellen müssen. Gestritten wurde über Verordnungen von Gerinnungsfaktoren zwischen April 2006 und März 2007.

Das Sozialgericht Magdeburg wies die Klage der Ärztin im Frühjahr 2012 ab. Vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (LSG) bekam Anfang 2014 die Medizinerin recht. Doch in letzter Instanz erklärte das BSG die Regresse für rechtmäßig. Die Ärztin habe „gegen das sie unmittelbar verpflichtende Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen“, so das BSG.

Der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ fordere im engeren Sinne entsprechend dem Minimalprinzip, mit dem geringstmöglichen Aufwand die erforderliche Leistung zu erbringen, heißt es in der Urteilsbegründung. „Die für die Behandlung von Blutern regelmäßig aufzuwenden Arzneimittelkosten sind erheblich, sodass sich bei einem Direktbezug – also ohne den an die Apotheken fließenden 'Aufschlag' – ein entsprechendes Einsparpotenzial ergibt“, heißt es.

Das Minimalprinzip ist laut BSG schon bei zwei therapeutisch gleichwertigen Arzneimitteln mit unterschiedlichem Preis zu beachten. Es wäre daher schwer nachvollziehbar, wenn der Arzt dies bei der Auswahl des Arzneimittels – und vergleichsweise geringen Einsparungen – beachten müsse, nicht aber beim Bezugsweg mit Preisunterschieden von rund 4000 Euro pro Quartal.

Das BSG musste im Fall der Ärztin klären, ob sie wegen der allgemeinen Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit zum Direktbezug verpflichtet war. Hintergrund ist eine Ausnahme bei der Apothekenpflicht: Im Arzneimittelgesetz (AMG) ist geregelt, dass Hersteller und Großhändler bestimmte Produkte – darunter Gerinnungsfaktoren – direkt an Ärzte liefern dürfen.

Daraus allein lässt sich laut BSG noch keine allgemeine Pflicht der Ärzte ableiten, zumal sie gar nicht Adressat der Regelung sind. Normalerweise müsse es eine Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots geben, wenn Ärzten bei dessen Nichtbeachtung rechtliche Folge drohen. Auf einen absoluten Zwang zur billigsten Lösung wollten die Kasseler Richter die Mediziner nicht verpflichten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sei zwar gehalten, Richtlinien zur Verordnung von Arzneimitteln zu beschließen, verpflichtet sei er dazu aber nicht, so das BSG. Der B-GA könne dies auch unmöglich für jede denkbare Fallgestaltung vornehmen, heißt es in der Urteilsbegründung.

Im konkreten Fall sahen sie die Ärztin aber in der Pflicht. Immerhin hätten Mitarbeiter der Kasse die Ärztin bereits im Oktober 2005 bezogen auf den konkreten Behandlungsfall auf die Möglichkeit des Direktbezugs hingewiesen. Die Ärztin habe ihr Vorgehen weder geändert noch dies gegenüber der Kasse begründet. Sie habe sich nur darauf kapriziert, sie sei zum Direktbezug nicht verpflichtet. „Damit verkennt sie Bedeutung und Reichweite des Wirtschaftlichkeitsgebotes, das sie im Rahmen ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit beachten muss, ganz grundlegend“, urteilte das BSG.

Regresse haben Ärzte normalerweise nicht im Einzelfall zu erdulden, sondern im Rahmen ihrer Richtgrößenprüfung. Späteren Korrekturen im Einzelfall steht das BSG generell skeptisch gegenüber. Gerinnungsfaktoren sind jedoch von der Richtgrößenprüfung explizit ausgenommen, womit aus Sicht des BSG der Weg zum Einzel-Regress frei war. Und im Einzelfall könne ein Arzt auch ohne Konkretisierung verpflichtet sein, sich für die wirtschaftlichere Variante zu entscheiden.

Seit 1998 dürfen Hersteller laut AMG ihre Gerinnungsfaktoren auch direkt an „hämostaseologisch qualifizierte Ärzte“ abgeben. Die Allgemeinmedizinerin hatte vorgetragen, sie sei nicht entsprechend qualifiziert. Die entsprechende Zusatzbezeichnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt nach Weiterbildung gab es jedoch erst ab 2007. Als qualifiziert konnte demnach zuvor jeder Arzt mit Erfahrung in diesem Bereich angesehen werden.

In der Begründung zum Transfusionsgesetz wird der Direktbezug mit der ärztlich betreuten und gut kontrollierten Anwendung des Arzneimittels gerechtfertigt. „Unter diesem Aspekt erscheint es als widersinnig, einem Arzt die Qualifikation zum Direktbezug abzusprechen, welcher die fortlaufende Behandlung eines Bluters übernommen hat“, so das BSG. Im vorliegenden Fall habe es sich jeweils um Folgeverordnungen gehandelt.

In einem ähnlichen Fall hatte vor einem Jahr das Bayerische Landessozialgericht (LSG) entschieden, dass Wirtschaftlichkeitsgründe bei der Zubereitung von Sterillösungen nicht alleine ausschlaggebend sind. In dem Fall hatte ein Arzt bei einer Apotheke monoklonale Antikörper als Rezeptur bestellt – obwohl er sie selbst hätte herstellen können. Ein Regress sei nicht möglich, weil die Praxis nicht verpflichtet gewesen sei, die Antikörper-Lösung selbst herzustellen, so die Richter. Die Anforderung als Rezepturen von einer Apotheke sei nicht unwirtschaftlich.

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