Gewinnspiel und Quittung

BGH entscheidet zu DocMorris und Shop-Apotheke

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Berlin -

In Karlsruhe geht es heute mal wieder um die Rx-Boni von Versandapotheken – und die beiden anstehenden Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) könnten durchaus Einfluss auf das laufende Gesetzgebungsverfahren von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben. Es geht um Rabatte für Privatversicherte – und die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) für ausländische Versandapotheken. Die Urteile werden gegen Mittag erwartet, APOTHEKE ADHOC wird aktuell berichten.

In beiden Ausgangsverfahren hatte die jeweils die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) die Versandapotheken verklagt: DocMorris wegen der Teilnahme an einem Gewinnspiel, die an die Rezepteinlösung gekoppelt war, und die Europa Apotheek (heute Shop-Apotheke) wegen der auf der Quittung nicht ausgewiesenen Gutscheine. Es geht auch um die Frage, ob die im HWG geregelten Werbebeschränkungen auch für ausländische Versender gelten. Die beiden Verfahren in der Übersicht:

Der Fall Europa Apotheek – Die schweigende Quittung

Spahn will mit dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) die Boni-Gewährung verbieten. Da dies über eine Änderung im Sozialgesetzbuch (SGB V) erfolgen soll, ist davon nur der GKV-Bereich erfasst. Das heißt: Privatversicherten könnten die EU-Versender immer noch Boni gewähren. Allerdings haben zwischenzeitlich die Oberlandesgerichte (OLG) in Stuttgart und Naumburg entschieden, dass die gewährten Boni auf der Quittung ausgewiesen werden müssen. Der Versicherte hat dann entsprechend nur Anspruch auf Erstattung des gekürzten Betrages, was den Anreiz natürlich schmälert.

Im heute vor dem BGH anhängigen Verfahren ging es aber nicht um direkte Rx-Boni, sondern Gutscheine, die die Europa Apotheek bei der Rezepteinlösung gewährt hatte. Der sogenannte Sofort-Bonus wurde – anders als der Name vermuten lässt – Privatversicherten zwar sofort gutgeschrieben, konnte aber erst beim nächsten Kauf eingelöst werden kann.

Die Kammer Nordrhein (AKNR) wollte die Europa Apotheek verpflichten, die gutgeschriebenen Boni auf den Quittungen der Privatversicherten zu vermerken. Die Versandapotheke verleite die Kunden damit, ihre Pflichten gegenüber der Versicherung zu verletzen und einen Betrug zu begehen. Andererseits wäre die Werbung irreführend, wenn der Bonus gegenüber der Versicherung angezeigt werde, weil der Kunde den versprochenen Vorteil dann gar nicht erhalte, argumentierte die Kammer.

Doch das OLG Stuttgart kam – wie schon zuvor das Landgericht – zu einem anderen Ergebnis. Zwar wäre ein Preisnachlass von bis zu 30 Euro grundsätzlich ein Verstoß gegen die Preisbindung, auch wenn er erst beim nächsten OTC-Einkauf verwendet werden könne. Der BGH hatte bereits klargestellt, dass die künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Vorganges in ein Erst- und ein Zweitgeschäft bei der rechtlichen Beurteilung nicht zulässig ist. Ob der Kunde den gewährten Vorteil mit einer weiteren Bestellung vornehme, sei zum Zeitpunkt der Bonusgewährung aber noch offen, so das OLG: „Von daher steht der Bonus einem Preisnachlass auf die Ausgangsbestellung – anders als dies bei einer Bargutschrift der Fall sein könnte, was der Senat aber nicht zu entscheiden hat – auch wirtschaftlich nicht gleich.“

Ein Abtretungsanspruch der PKV besteht aus Sicht des OLG auch nicht, weil dieser von der späteren Entscheidung des Kunden abhänge. Laut Urteil lag auch kein sitten- oder treuwidriges Umgehungsgeschäft zu Lasten des privaten Krankenversicherers vor. Nur in einem Punkt konnte sich die Apothekerkammer vorm OLG durchsetzen: Die Europa Apotheek darf sich künftig nicht mehr „Die Rezept-Apotheke“ nennen – und zwar weil dies eine Selbstverständlichkeit sei.

Das Gewinnspiel – Der Fall DocMorris

In dem zweiten Verfahren ging es um eine Gewinnspiel von DocMorris. Die Zur Rose-Tochter hatte im März 2015 als Hauptpreis einen Gutschein für ein E-Bike im Wert von 2500 Euro ausgelobt, ebenfalls verlost wurden neun hochwertige elektrische Zahnbürsten. Voraussetzung für die Teilnahme war das Einsenden eines Rezepts.

Aus Sicht der Apothekerkammer war das ein Verstoß gegen die Preisbindung, das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und den Rahmenvertrag zwischen GKV-Spitzenverband und Deutschem Apothekerverband (DAV). Im Berufungsverfahren trug die Kammer außerdem erstmals vor, DocMorris betreibe illegal eine Versandapotheke in Deutschland, da sie Arzneimittel in Deutschland lagere und hier an Kunden versende. Letzteres war aber vom Klageantrag gar nicht erfasst.

Das Landgericht Frankfurt hatte in erster Instanz einen HWG-Verstoß verneint, weil das Gewinnspiel keinen Vorschub zu einem Fehlgebrauch von Arzneimitteln leiste. Und nach dem EuGH-Urteil gelte die Preisbindung für EU-Versender ohnehin nicht mehr, auch das HWG sei nicht anwendbar. Der Rahmenvertrag sei erst gar keine Marktverhaltensregel nach dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, so das LG weiter.

Die Kammer ging in Berufung und hatte vor dem OLG Frankfurt Erfolg: Die Frage des Preisrechts ließen die Richter offen. Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sei aber anzunehmen. Davon ausgehend sei noch der Frage nachzugehen, „ob die deutschen Regelungen der arzneimittelrechtlichen Preisbindung geeignet ist, eine flächendeckende und gleichmäßige Arzneimittelversorgung zu gewährleisten“. Genau diese Frage hatte der EuGH im Prozess um Rx-Boni schon beantwortet und die deutsche Preisbindung für nicht gerechtfertigt erklärt.

Das OLG Frankfurt nutzte ausgerechnet die Begründung des EuGH, um das Gewinnspiel von DocMorris zu untersagen. Zunächst erklärte das Gericht aber das HWG für anwendbar: Anders als DocMorris annehme, werde diese Norm nämlich von der EuGH-Entscheidung nicht beeinflusst. Denn § 7 HWG habe nicht die Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften zum Gegenstand, sondern das Verbot der Wertreklame, das durch die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) nur verschärft werde. Und die Teilnahme an einem Gewinnspiel sei eine Werbegabe im Sinne des HWG. Der Ausnahmetatbestand „geringwertige Kleinigkeit“ greife auch nicht: Auch die bloße Chance, ein E-Bike im Wert von 2500 Euro zu gewinnen, liege über der Geringwertigkeitsschwelle.

Das Verbot des Gewinnspiels ist für DocMorris an sich kein Problem: Denn die vom EuGH abgesegnete Gewährung von Rx-Boni ist von der HWG-Frage nicht berührt. Direkte Rabatte sind für die Kunden sicherlich attraktiver als eine Verlosung.

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