Apothekervermittlung aus dem Ausland

„Auf Kante genäht“: Bosnisches Apothekerpaar rettet Filiale

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Berlin -

Die leidige Nachfolgersuche raubt vielen Apothekern den Schlaf. Regelmäßig müssen Betriebe schließen, weil sich keine neuen Inhaber oder Filialleiter finden. Das drohte auch Hans-Rüdiger Elsters Muldestausee-Apotheke in Gossa nördlich von Leipzig. Seiner Filiale drohte im Jahr ihres zehnten Jubiläums das Ende, wenn er niemanden bekommt. Doch dann wurde er gleich doppelt fündig: Das junge Apothekerehepaar Elvedin und Emina Husejnović führt die Apotheke nun, er als Filialleiter, sie als Approbierte. Doch es war eine Zitterpartie. Denn die beiden kamen für die Stelle eigens aus Bosnien-Herzegowina nach Deutschland und mussten ihre Approbationen hier anerkennen lassen. Sie hatten nur einen Versuch – wäre die Punktlandung schiefgegangen, hätte Elster wohl schließen müssen.

„Das war auf Kante genäht“, sagt Elster. „Wenn die beiden ihre Anerkennungsprüfung nicht bestanden hätten, wären wir in sehr großen Schwierigkeiten gewesen.“ Denn es ist alles andere als leicht, in ländlichen Regionen Apotheker zu finden, zumal in der Gegend, in der Elsters beiden Apotheken liegen. „Mir sind jetzt schon zwei Apotheker in die Industrie abgewandert, denn wir haben ja hier gleich um die Ecke Bayer in Bitterfeld und Mibe in Brehna.“ Seit über zwei Jahren war er deshalb auf der Suche nach Approbierten, ohne Erfolg. Eine Filialleiterin hatte er zwar noch, doch vergangenes Jahr kam die Hiobsbotschaft. „Sie hatte einen Job in ihrem Wohnort gefunden und ist dann dahin gewechselt.“

Ein Arrangement mit einem Vertretungsapotheker aus Leipzig half ihm, den Betrieb auch 2020 offen zu halten, er wurde zwar ganz regulär zum Filialleiter ernannt. „Doch schon da hatte er angekündigt, dass er maximal bis Juli bleibt und dann in Elternzeit geht.“ Die Uhr tickte also und eigentlich sah es auch gut aus – aber dann kam die Pandemie.

Doch der Reihe nach: „Seit dem Mai vor zwei Jahren habe ich erfolglos versucht, Apotheker zu finden“, erklärt Elster. Inserate auf der Kammerseite und andere Werbemaßnahmen brachten nichts. „Da trat eines Tages eine Agentur an mich heran, die Apotheker aus dem Ausland vermittelt.“ Das Angebot war verlockend, hatte aber seine Schattenseiten, denn eine Agentur lebt ja nicht von der Dankbarkeit allein. „Da habe ich mir erklären lassen, wie das funktioniert, und dachte mir, dann muss ich halt in den sauren Apfel beißen und eine Vermittlungsprovision zahlen.“ Er sollte die Entscheidung nicht bereuen.

Denn Elvedin und Emina Husejnović warteten bereits. Die beiden 28-Jährigen haben in der bosnischen Stadt Tuzla Pharmazie studiert, ihre Approbation erhalten und bereits knapp vier Jahre gearbeitet. Doch sie sahen keine wirkliche Perspektive mehr in Bosnien und Herzegowina. „In Bosnien ist es schwierig, die wirtschaftliche Lage ist nicht so gut und überall gibt es Korruption“, sagt Elvedin Husejnović. „In Deutschland gibt es mehr Möglichkeiten für junge Leute, deshalb haben wir uns dann entschieden, dass wir uns dort etwas suchen wollen“, erklärt er bereits in sehr gutem Deutsch. Dass er die Sprache erst etwas mehr als ein Jahr lernt, kann man sich dabei nur schwer vorstellen.

Ein Freund, der selbst nach Deutschland gezogen war, hatte ihnen daraufhin eine Vermittlungsagentur empfohlen. Doch der Weg nach Deutschland war keineswegs einfach, denn anders als beispielsweise Kroatien ist Bosnien und Herzegowina nicht in der EU – die beiden konnten also weder von der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch von der automatischen Anerkennung ihrer Approbation profitieren. Die Folge: Ein Behördenmarathon von Visum über Aufenthaltstitel bis hin zu Fachsprachentest bei der Apothekerkammer, Prüfung zur Anerkennung der Approbation und ungezählten weiteren Hürden wie der Überschreibung des Führerscheins.

Und die beiden lagen perfekt in der Spur, im Frühjahr hätten sie die Prüfung zur Anerkennung ablegen sollen – doch dann kam die Covid19-Pandemie und plötzlich wurde der Zeitplan wackelig. Zwar durften beide schon seit Mitte Mai als Apotheker unter Aufsicht bei Elster arbeiten, aber allein ging das erst nach bestandener Prüfung zur Anerkennung der Approbation. Also mussten die drei hoffen, zittern und warten. Der neue Termin war eine Punktlandung: Der 18. Juni. Sie hatten also nur eine Chance, die Prüfung zu bestehen. Scheitern sie, hätte Elster wohl schließen müssen. Doch sie legten sich ins Zeug und waren erfolgreich. Prüfung bestanden, Apotheke gerettet. „Jetzt dürfen wir beide auch alleine arbeiten“, freut sich Elvedin Husejnović. Für ihn und seine Frau kehrt damit jetzt auch nach über einem Jahr endlich Sicherheit in die Lebensplanung: Jetzt haben sie alles in der Tasche, was sie brauchen, um sich dauerhaft niederzulassen. Und sie bereuen ihre Entscheidung nicht. „Wir sind sehr zufrieden hier. Die Gegend ist schön, die Leute sind sehr nett, Leipzig und Berlin sind auch in der Nähe.“ Und Elster ist mindestens genauso glücklich wie die beiden. „Sie haben sich gut eingelebt und machen sehr gute Arbeit, das sind wirklich zwei ganz Nette“, sagt er.

 

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