Arzneimittel-Missbrauch

Arzt stellt Rezepte auf Wunsch aus – Approbation entzogen

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Berlin -

Wer als Arzt Patienten auf Wunsch Benzodiazepine verordnet, verletzt damit seine Berufspflichten – so viel dürfte jedem klar sein. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat nun bestätigt, dass man dafür seine Approbation verlieren kann – es wies die Klage eines Arztes zurück, der mehreren Patienten auf Wunsch Fluninoc, Tramadol und Zoplicon verordnet hatte.

Den Patientenwunsch bei der Ausstellung von Rezepten zu beachten, kann in vielen Fällen vernünftig sein. Bei einem Arzt aus Niedersachsen hatte es aber mit Vernunft nicht viel zu tun: Er hatte drei Patienten über einen Zeitraum von mindestens Januar 2009 bis März 2011 zulasten der AOK das Benzodiazepin Fluninoc (Flunitrazepam) verordnet, und zwar „auf deren Betreiben hin in einer Regelmäßigkeit und Dosierung, die medizinisch nicht indiziert war“, wie das Verwaltungsgericht schreibt. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, dass bei den Patienten entweder eine Abhängigkeit besteht oder die Tabletten unkontrolliert an Dritte weitergegeben werden.

„Ihm war dabei bewusst, dass eine medizinische Indikation für die Verschreibung nicht bestand, die benannten Versicherten dadurch keinen Leistungsanspruch gegenüber der AOK Niedersachsen hatten und er die Krankenkasse durch die Verschreibung der Medikamente dennoch zur Kostenübernahme verpflichtete“, so das Gericht. Der Krankenkasse sei dadurch ein Schaden von 899,10 Euro entstanden. Im Februar 2016 verurteilte ihn deshalb ein Amtsgericht wegen Untreue in 101 Fällen zu einer Gesamtstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 Euro. Doch keine zwei Monate später hatte er erneut Post von der Justiz: Anfang April 2016 wurde er erneut von derselben Staatsanwaltschaft angeklagt, diesmal aber mit ihm gemeinsam ein weiterer Hausarzt sowie fünf Patienten der beiden Mediziner. Ihm wurde vorgeworfen, sich in der Zeit von Januar 2013 bis Februar 2015 durch die vielfache und medizinisch nicht indizierte Verschreibung von Tramadol und Zopiclon an eine Patientin der Untreue in 32 Fällen schuldig gemacht zu haben. Auch hier soll ihm aufgrund der ihm bekannten Krankengeschichte der Patientin und ihrem erheblichen Tablettenbedarf bewusst gewesen sein, dass bei ihr entweder eine Abhängigkeit besteht oder aber zumindest ein Teil der Tabletten von ihr an Dritte weitergegeben wird. Erneut erfolgten die Verordnungen auf Kosten der AOK Niedersachsen.

Nachdem weder er noch sein Verteidiger zur Hauptverhandlung erschienen waren, wurde der Mediziner im November 2016 erneut zu 90 Tagessätzen à 100 Euro verurteilt, konnte aber erfolgreich Einspruch einlegen. Nach erneuter Hauptverhandlung wurde das Verfahren im März 208 unter der Auflage eingestellt, dass er innerhalb von sechs Monaten und in monatlichen Raten einen Betrag in Höhe von 1500 Euro an die Staatskasse zahlt. Dem kam er ordnungsgemäß nach. Doch das Geld dürfte ihm weit weniger schmerzen als das, was danach kam: Im November 2018 hatte er nämlich ein Schreiben seiner Kammer, die eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt verlangte. Und die konnte offenbar nicht überzeugen. Mit Bescheid vom 7. Januar 2019 wurde ihm die Approbation entzogen.

Insbesondere die erste Verurteilung – es ging immerhin um 101 Fälle – habe die Unwürdigkeit des Verurteilten zur Ausübung des ärztlichen Berufes belegt, so das Argument. Doch das wollte er nicht auf sich sitzen lassen und klagte gegen den Bescheid. Sein Argument: Die letzte Tat, für die er verurteilt wurde, fand im Jahr 2011 statt. Hintergrund: Die Rückerlangung des für die Ausübung des ärztlichen Berufs notwendigen Ansehens und Vertrauens beispielsweise nach einer Verurteilung erfordere regelmäßig einen längeren inneren Reifeprozess. Dieser außerberufliche Bewährungszeitraum verlange bei gravierenden Verfehlungen im beruflichen Wirkungskreis laut ärztlicher Berufsordnung einen Reifeprozess von mindestens acht Jahren. Ihm im Jahr 2019 die Approbation zu entziehen, sei schon aus diesem Grunde nicht rechtmäßig gewesen. Hinzu komme der verhältnismäßig geringe finanzielle Schaden, den er der Krankenversicherung verursacht hatte. Er habe den Schaden zudem beglichen und auch die Geldstrafe gezahlt, die sich mit 90 Tagessätzen unterhalb dessen bewege, was in das Führungszeugnis einzutragen sei.

Doch das Verwaltungsgericht konnte der damit nicht überzeugen. Denn auch wenn er beim zweiten Verfahren nicht verurteilt wurde: Da der Arzt vom Zeitpunkt der letzten Tat im März 2011 bis zur Entscheidung des Amtsgerichts im Januar 2016 unter dem Eindruck des laufenden strafrechtlichen Verfahrens gestanden habe, sei diesem Zeitraum mit Blick auf den außerberuflichen Bewährungszeitraum allenfalls ein geringerer Wert beizumessen – nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in Höhe des Faktors zwei Drittel. Doch selbst ein zeitlicher Aufschub hätte nicht gereicht: Nach Anhörung mehrerer Sachverständiger kam das Gericht zu dem Urteil, dass schon die ungerechtfertigten Beruhigungsmittelverordnungen ausreichen, um ihm die Approbation dauerhaft zu entziehen – und nicht zuletzt die Packungsbeilage dient da als Beleg.

„Als Anhaltspunkt für die Grenzen der ärztlichen Behandlung im Rahmen der Therapiefreiheit lassen sich die einem Medikament vom Hersteller für den Patienten beigefügte Gebrauchsinformation sowie die an Fachkreise gerichtete Fachinformation heranziehen“, schreibt das Gericht. Schon aus diesen öffentlich zugänglichen Informationen werde das Sucht- und Missbrauchspotential besagter Medikamente klar. Offensichtlich fanden sich keine weiteren Indizien, dass der Arzt an den Verordnungen verdient oder sich in irgendeiner anderen Art bereichert habe. „So bleibt völlig unverständlich, worauf das unkritische Verschreibungsverhalten des Kollegen Dr. A. zurückzuführen ist“, schrieb einer der Sachverständigen in seinem Gutachten. „Nicht nur aufgrund der absolut mangelhaften Dokumentation ist keine Kausalität in seinem Therapieregime nachvollziehbar, ebenso nicht im Bereich der gesetzlichen Grundlagen, auf die er seine Verordnungen beziehen musste.“ Der Arzt wird sich nun einen neuen Job suchen müssen.

 

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