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Kennzeichnungspflicht für die Sichtwahl

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Berlin -

Erst hatten sie in der Flinte-Apotheke noch über die Pillenbibel gelacht. Den Schinken „Medikamente im Test“ würde sich doch sowieso kein Kunde kaufen und dann am HV-Tisch mit neuen Erkenntnissen nerven. Doch dann erfuhr Inhaberin Anne Ammenmärchen, dass jemand im Ministerium die Idee mit der Arznei-Ampel supertoll findet. Und dass sie demnächst wohl die komplette Sichtwahl bekleben muss.

Dass Kombinationspräparate bei Arzneimittelkritikern keinen besonders guten Stand haben, ist hinlänglich bekannt. Aber wie sieht das Team von Test-Testern den Rest des Sortiments? Zumindest für die ersten 9000 Rx- und OTC-Präparate wissen wir es jetzt – grün, zartgrün, gelb oder rot. Das Urteil ist gesprochen.

Gerd Glaeske findet, dass das Buch in jedem Haushalt stehen sollte. Aber Gerd Glaeske ist nicht Joanne K. Rowling. Die wenigsten dürften 29,90 Euro für eine Information zahlen wollen, die sie gratis und bei Bedarf ausführlicher in der Apotheke erhalten. Genau das hat jetzt die Politik auf den Plan gerufen.

Der noch geheime Plan: Alle Apotheken sollen verpflichtet werden, sich das Buch zu kaufen und ihre Sichtwahl entsprechend zu kennzeichnen. Dazu müssen sie beim Ministerium kostenpflichtig Bögen mit Ampelaufklebern bestellen und jede Packung mit der passenden Farbe versehen. Das Nachschlagewerk hilft. „Die Aufkleber und den ganzen Aufwand zahlt mir kein Mensch“, klagt Apothekerin Ammenmärchen.

Sie befürchtet, dass ihre Kunden Medikamente mit einem roten Ampelmännchen überhaupt nicht mehr einnehmen möchten. Genau das ist aber das Ziel: Im Idealfall sollen nur noch Arzneimittel in der Offizin zu sehen sein, die von Stiftung Warentest die grüne Ampel erhielten. Die Kategorie „auch geeignet“ geht gerade noch durch. Und wenn sich der Apotheker nicht belehren lässt, soll er dem Kunden wenigstens erklären müssen, warum er von Test abgewertete Mittelchen abgeben möchte.

Und das Ganze lässt sich noch weiter spinnen. Immerhin waren auch Rx-Medikamente im Test. Angeblich gibt es in Kassenkreisen schon Überlegungen, bei „gelben“ Arzneimitteln nur noch 50 Prozent des Listenpreises zu erstatteten und bei „roten“ gar nichts mehr. Nur logisch: Die Abgabe eines wenig geeigneten Arzneimittels ist ein glaesklarer Fall von Nullretax.

Keine Angst, so weit reicht der Arm von Warentest in Wirklichkeit noch nicht. Aber Apotheker sollten nicht unterschätzen, welchen Einfluss die Botschaften der Stiftung auf die Bevölkerung haben können. So nützlich die Empfehlungen oft sind, bei Arzneimitteln sind durchaus auch unerwünschte Nebenwirkungen eines solchen Nachschlagewerkes denkbar. Was das Apothekenteam bei Erkältung wirklich empfiehlt, haben die Kollegen von APOSCOPE abgefragt.

Eine von Konsumenten erwünschte, wenn auch nicht wünschenswerte Nebenwirkung von Pregabalin: Es macht – extra hoch dosiert – euphorisch. Fälle von Missbrauch werden deshalb öfter beobachtet. Alles andere als gut gelaunt ist ein Apotheker aus München. Wegen einer jahrelangen Baustelle ging es wirtschaftlich so bergab mit seiner Apotheker, dass ihm nur der Notverkauf blieb. Jetzt verklagt er die Stadt auf Schadenersatz.

Wenn die Kunden gar nicht bis zur Offizin vordringen, hilft vermutlich auch kein Imagevideo mehr. Für alle anderen gilt: Klappern gehört zum Handwerk. Aber bitte schön klappern. Ein gut gemachtes Video kann Kunden begeistern und anlocken, ein mieses hat immerhin die Chance, im Netz ein viraler Hit zu werden. Erfahrungen der Kollegen zeigen: Sex sells und Slapstick funktioniert auch ganz gut.

Wem Youtube nicht reicht, wer es in die Primetime schaffen will, der hat aktuell in der „Höhle der Löwen“ ganz gute Karten. Der legitime QVC-Nachfolger von Vox hat immer wieder Nahrungsergänzungsmittel im Programm oder Kosmetika, die ein bisschen wie Arzneimittel präsentiert werden. Doch manchmal angeln sich die „Gründer“ nicht nur einen Investor, sondern auch gleich eine Abmahnung. So geschehen bei Parodont, so geschehen bei Veluvia.

Stada geht zwar nicht mehr als Start-up durch, hat aber immerhin einen Newcomer an Bord: Der neue Chef Dr. Claudio Albrecht hat Großes vor mit dem Konzern, der turbulente Zeiten hinter sich hat. Albrecht ist zuzutrauen, dass er den Hersteller wieder fit bekommt. Und er glaubt an die Apotheke vor Ort.

Die FDP wird in dieser Frage Farbe bekennen müssen, sollte sie tatsächlich mit am Regierungstisch sitzen. Christine Aschenberg-Dugnus hat jedenfalls noch einmal bekräftigt, dass es ein Rx-Versandverbot mit den Liberalen nicht geben werde. Leider muss man ihr das glauben. Eine Umkehr in dieser Frage könnte sich die FDP kaum leisten.

Währenddessen beklagt der Bundesverband Deutscher Versandapotheken, dass die eigenen Mitglieder ausbluten, weil die Konkurrenz aus den Niederlanden mit Boni locken dürfen. DocMorris holt sich die Marge notfalls an anderer Stelle zurück – Dynamic Pricing heißt das Zauberwort. Was auch geht: Ein Preisbruch für den guten Zweck. Dass sich die angeblich mittelstandsfreundliche Telekom mit dem Konzern ins Bett legt, gefällt Apotheker Keidel gar nicht. Er hat einen Protestbrief geschrieben.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Urteil geschrieben – zu Prokuristen in der Apotheke. Die Karlsruher Richter sehen die Liberalisierungsdebatte aber anderswo. In Essen muss sich demnächst „Pfusch-Apotheker“ Peter S. verantworten. In Bottrop gehen die Proteste weiter, die Mitarbeiter in der Alten Apotheke klagen über Bedrohungen.

Und nach dem Aus der exklusiven Zytoverträge suchen die Kassen in drei Bundesländern jetzt auf Herstellerseite Rabattpartner. Die ersten Verträge laufen jetzt an. Notfalls müssen sich die Apotheker die Partnerfirmen im Netz suchen, wenn sie nicht retaxiert werden wollen. Das sind ja gute Aussichten.

Wann waren Sie zuletzt bei einem Klassentreffen? Das kann lustig sein oder bloß interessant, mitunter auch enttäuschend. Jeder macht da so seine Erfahrungen. Aber was Michael Jilek erlebt hat, ist schon etwas Besonderes. Der Apotheker war nämlich der einzige aus seiner Klasse, der überhaupt noch beruflich aktiv war. Nicht weil er musste, sondern weil es ihm Spaß macht. Das ist doch mal eine schöne Geschichte. Ihnen allen ein entspanntes Wochenende!

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