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Lassen Sie mich durch, ich bin PhiP!

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Berlin -

Auf dem Campus der Universität Würzburg, im Jahr 2030: Mit dem zweiten Staatsexamen in der Tasche geht die frisch gebackene Pharmazeutin in die Fachschaft. Vor der Tür warten schon rund drei Dutzend Damen und Herren in weißen Kitteln. Es sind Apotheker aus der Umgebung. Jeder hofft darauf, sich einen PhiP für das praktische Jahr schnappen.

Jetzt beginnt für die Studenten der angenehme Teil des Tages. Die Apotheker überbieten sich gegenseitig, versprechen Approbiertengehälter für das halbe Jahr PJ, gar das Salär eines Filialleiters, wenn sich der Nachwuchs für ein Jahr oder länger verpflichtet. Drinnen in der PhiP-Lounge sitzen die Absolventen. Sie können sich nicht vorstellen, dass ihre Vorgänger noch vor Jahren für den Mindestlohn gekämpft haben. Aber die hatten im Studium auch nicht die Sondermodule „Hilfsmittelantrag“ und „Retax-Killer I-III“…

Zurück ins Jahr 2015: PhiP erhalten aktuell für das erste Halbjahr monatlich 750 Euro brutto, 880 Euro im zweiten Halbjahr. Die Studenten sind zwar voll weitsichtigem Verständnis für ihre Arbeitgeber und künftigen Kollegen, hätten aber dennoch gerne mindestens Mindestlohn. Das wären 1470 Euro – und eine Apotheke (alias „kleine Bude“), die an dieser Differenz ökonomisch zerbricht, ist womöglich sowieso nicht die beste Adresse zum Lernen.

Die Apothekengewerkschaft Adexa muss das PhiP-Gehalt schon aus existentiellen Gründen für ungerecht halten. Was wäre das sonst für eine Gewerkschaft?! Als dann in dieser Woche auch noch der Arbeitgeberverband Deutscher Apotheker (ADA) ohne Verhandlungsmandat bei den Tarifgesprächen aufkreuzte, schäumte die Adexa vor Wut. Mit dem Furor des Klassenkämpfers machte sich die Gewerkschaft über die „Machtlosigkeit der Standesvertretung“ lustig, diagnostizierte den Apothekenleitern gar eine „depressive Inaktivität“. Hossa, das bringt Stimmung in die Bude, selbst in die kleinste.

Viele Gedanken zum Thema gemacht hat sich der angehende Apotheker Christian Roth, Fachschaftsmitglied der Universität Regensburg und Mitglied im internationalen Verband der Pharmaziestudierenden (IPSF): „Mein derzeitiger Eindruck ist, dass einige Apotheker ihren eigenen Nachwuchs in den Praxisphasen vergraulen – und das in Zeiten des Fachkräftemangels.“

Roth geht es im PJ nicht nur ums Geld, sondern vor allem um eine gute Ausbildung: „Erfahrene Apotheker oder PTA sollten uns zeigen, wie ein Kundengespräch geführt wird und so den qualitativen Standard weitergeben.“ Dazu Einweisung in ABDATA, Rezeptabrechnung und ein bisschen HV-Tisch-BWL. „Das gehört meines Erachtens nach ins PJ.“ Und eine Apotheke hat er schon gefunden.

Was jeder Inhaber seinem Praktikanten unbedingt einmal zeigen sollte, ist eine Großhandelsrechnung. Das schärft das Bewusstsein für Zwänge des Gehaltsspiegels und eröffnet auch intellektuell vollkommen neue Welten. Zum Beispiel aktuell, dass die Belieferten dem Lieferanten einen „Belieferungsbeitrag“ zahlen sollen. Grund dafür ist der Mindestlohn der Fahrer, das wird der PhiP sofort verstehen. Bei der Gelegenheit lässt sich ganz wunderbar das Kartellrecht nebenher erklären.

Lektion Verträge, Teil 2: Hersteller hochwertiger Kosmetika wollen nicht, dass ihre Produkte bei jedem Krämer verramscht werden. Die Lösung sind selektive Vertriebssysteme. Mit den entsprechenden Verträgen werden die Apotheken dann häufig gleich zur Abnahme definierter Mengen oder Listung der Neuerscheinungen verpflichtet. Dann heißt es Depotvertrag.

Aber es geht auch um Apothekenexklusivität: Beiersdorf hat nicht nur eine dreiköpfige Taskforce, sondern setzt auch auf GPS-Signale. Zwölf Apotheken wurden so schon beim Weiterverkauf erwischt, das dreckige Dutzend sozusagen. Und solche Geschäftspartner haut ein Kosmetikkonzern natürlich umgehend raus.

Rausschmeißen müssen auch die Apotheker wieder nicht verkehrsfähige Arzneimittel: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat seine neue Liste veröffentlicht, diesmal mit zusätzlichen EU-Daten. Darauf stehen 54 Präparate, für die das Ruhen der Zulassung angeordnet wurde. Für die Apotheken gibt es insgesamt wenig Neues zu beachten. Interessant: Mittel mit dem Wirkstoff Tacrolimus haben für die Versorgung eine „entscheidende Bedeutung“, weshalb die Behörde bei Tacpan von Panacea ein Auge zudrückt.

Eine Auge zugedrückt hat auch das Bundessozialgericht (BSG) beim Kassenabschlag: Die Kassen müssen den Apothekern natürlich keine Millionen zurückzahlen, nur weil sie sich nicht an die Abrechnungsregeln gehalten haben. Das wäre ja auch verrückt. Der Kunstgriff des BSG: Die Zehntagesfrist zur Begleichung offener Rechnungen gilt nur für die normale Abrechnung, nicht für Nachforderungen zum Kassenabschlag. Dass ausgerechnet die Kassen bei der Rückabwicklung des Abschlags für 2009 auf eine erneute Rechnung pochten, die den Richtern zufolge „entbehrlich“ war, ist unerheblich. Der Jurist spricht von ständiger Rechtsprechung.

Nicht vor Gericht erscheinen muss Dr. Thomas Trümper im Skonto-Prozess kommende Woche. Er wüsste auch gar nicht, was er da soll; das sei schließlich eine Sache zwischen AEP und der Wettbewerbszentrale. Und in der Tat: Trümper war ja schon zu seinem eigenen „Godfather-Prozess“ gegen AEP in Berlin nicht persönlich erschienen, sondern mutmaßlich nur kurznachrichtlich involviert.

Aber AEP-Chef Jens Graefe hat vielleicht noch Möglichkeiten, Trümper doch noch in richterlichem Beisein zu marktüblichen Konditionen zu befragen – der Prozess wird uns noch eine Weile beschäftigen. Und irgendwann vermutlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen.

Dort angekommen ist schon ein Verfahren zwischen der Drogeriekette Müller und der Wettbewerbszentrale, das auch für Apotheken interessant ist. Die Vorinstanzen haben Müller unisono genehmigt, auch Gutscheine mitbewerbender Drogeriemärkte anzunehmen, einzulösen und dann aufzuessen. Nicht zuletzt die Vereinigung der Flyerdrucker starrt gebannt nach Karlsruhe.

Vor Gericht rechtfertigen muss sich auch ein Landarzt, der seine Rezepte digital an zwei Apotheken in Nachbarorten schickte, dafür warb und offenbar eine dritte Apotheke in der Nähe nicht in den Service einbezog. Die Wettbewerbszentrale sieht Probleme mit dem Berufsrecht und jetzt muss sich das Landgericht Dessau-Roßlau den Kopf zerbrechen, wo flächendeckende Versorgung aufhört und unzulässige Zuweisung anfängt.

Gegen die dabei entstehenden Kopfschmerzen hat der Spiegel ein Mittel: Thomapyrin. Natürlich empfiehlt das „Sturmgeschütz der Pharmaindustrie“ nicht direkt ein Arzneimittel, sondern rät selbst sogar von einem übertriebenen Pillenkonsum ab. Aber der Beitrag wird dann eben doch vom Hersteller präsentiert – und das Logo verlinkt direkt in den Webshop von DocMorris. Stimmig.

Probleme gibt es auch fünf Monate nach dem OTC-Switch noch immer bei der „Pille danach“: Ärzte weigern sich, jungen Frauen Rezepte auszustellen, was diese eine Kostenübernahme kostet, und wertvolle Zeit. Die Apotheker haben sich auf den Wechsel anscheinend mal wieder besser vorbereitet als ihre ärztlichen Kollegen. Für Betroffene bleibt zu hoffen, dass sich das Ganze noch rumspricht und einspielt – oder dass der Gesetzgeber noch einmal nachbessert und die Erstattungsfähigkeit erleichtert.

Was auch nicht so gut geklappt hat, war der Start der Gesundheitsterminals in Apotheken. Erst mit Light Show vorgestellt, dann Monate zu spät ausgeliefert. Aber gut Ding will manchmal eben Weile haben. So wie die Hilfsmitteldatenbanken, bei denen es jetzt einen regelrechten Wettlauf um Kunden gibt. Das kann nur helfen.

Sich selbst und womöglich vielen Kollegen geholfen hat Apotheker Abdalmeneim Zourob. Als er die Masche eines chronischen Tilidin-Rezeptfälschers durchschaut hatte, stellte er dem Betrüger eine Falle. Bei dessen viertem Besuch wartete nicht nur das vorbestellte Tilidin in der Apotheke, sondern auch mehrere Polizisten in Zivil. Abführen. Schönes Wochenende!

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