Sozialgericht erkennt Mehrbedarf an

Anspruch auf 20 Masken – wöchentlich

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Berlin -

Ein Job-Center in Baden-Württemberg muss einem ALG-II-Empfänger wöchentlich 20 FFP2-Masken schicken oder monatlich 129 Euro zusätzlich zahlen. Das hat das Sozialgericht Karlsruhe entschieden. Das Gericht gab dem Eilantrag eines Arbeitsuchenden auf „Gewährung eines im Epidemie-bedingten Einzelfall unabweisbaren Hygienebedarfs an FFP2-Masken“ bis zum Sommeranfang am 21. Juni statt.

ALG-II-Empfänger:innen erhalten gemäß der Schutzmaskenverordnung (SchutzmV) einmalig zehn FFP2-Masken. Die ersten Berechtigungsscheine sind bereits in Apotheken eingelöst worden. Etwa 5,3 Millionen Menschen bundesweit haben diesen Anspruch. Doch das reicht offenbar nicht in jedem Einzelfall aus.

Ein besonderer Mehrbedarf an wöchentlich 20 FFP2-Masken sei glaubhaft gemacht worden, teilt das SG Karlsruhe mit. Ohne Mund-Nasen-Bedeckungen dieses Standards seien Empfänger:innen von Grundsicherungsleistungen in ihrem Grundrecht auf sozialen Teilhabe in unverhältnismäßiger Weise beschränkt. Nach drei Monaten Lockdown müssten Arbeitsuchende wieder am Gemeinschaftsleben in einer dem sozialen Existenzminimum entsprechenden Art und Weise teilnehmen können.

Auf Alltagsmasken oder OP-Masken müssten sie sich nicht verweisen lassen. Diese seien für den Infektionsschutz vor SARS-Cov-2-haltigen Aerosolen etwa in der Straßenbahn, im Supermarkt, oder Wartezimmern – auch angesichts der Virusvarianten – nicht gut genug geeignet. Wer bei der Verrichtung alltäglicher Erledigungen trotzdem lediglich eine OP-Maske gebrauche und einen Mitmenschen mit dem lebensgefährlichen Virus anstecke, schädige eine andere Person an der Gesundheit und verstoße gegen das gesetzliche Verbot gefährlicher Körperverletzungen. Aus Sicht des Gerichts fällt es nicht ins Gewicht, dass die CoronaVO FFP2-Masken lediglich in Krankenhäusern oder Pflegeheimen vorschreibe und andernorts OP-Masken genügen lasse.

Deshalb wurde hier ein individueller Mehrbedarf an FFP2-Masken anerkannt, der nicht nur der Befriedigung privater Bedürfnisse diene. Sie bezwecke den Infektionsschutz der Allgemeinheit vor einer weiteren Verbreitung des Virus. Zur effektiven Abwehr dieser gesteigerten Ansteckungsgefahr sind aus Sicht des Gerichts wöchentlich 20 FFP2-Masken angemessen. Dem Infektionsschutz werde ein Bärendienst erwiesen, falls nicht mindestens täglich eine neue Maske sowie durchschnittlich ca. zwei weitere neue Ersatz-FFP2-Masken bereitgestellt würden.

Es sei davon auszugehen, dass wenige Personen bereit und fähig seien, fortlaufend zuverlässig die sehr hohen Sorgfaltsanforderungen an die private Wiederverwendung von FFP2-Masken zu erfüllen. Diese seien zum Einmalgebrauch für geschultes Medizinpersonal konstruiert. Ohne die Beachtung der zum Trocknen notwendigen Hygiene-Routinen würden gegebenenfalls über mehrere Tage und Wochen hinweg für den Infektionsschutz ungeeignete oder sogar virushaltige Masken getragen. Diese erweckten nur den falschen Anschein des Infektionsschutzes. Der massenhaft irreführende Anschein der Verwendung pandemie-adäquater FFP2-Masken wäre aber dem Infektionsschutz nicht zu-, sondern abträglich. Der Beschluss des Sozialgerichts ist rechtskräftig.

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