Mecklenburg-Vorpommern

Altentreptow: Eheschließungen in der Apotheke APOTHEKE ADHOC, 21.04.2019 07:35 Uhr

Berlin - 

Den meisten Apotheken ist nach der Schließung keine schöne Zukunft vergönnt: Entweder werden sie umgenutzt und geraten bald in Vergessenheit oder langer Leerstand hinterlässt ein trauriges Bild der Vergangenheit. Der Adler-Apotheke in Altentreptow ging es ähnlich: Jahrzehnte stand die fast 300 Jahre alte Apotheke leer. Es fand sich kein Investor, der das denkmalgeschützte Gebäude sanieren wollte. Am Ende nahm die Stadt selbst die Zügel in die Hand – heute werden Paare in der geschichtsträchtigen Offizin getraut.

Wie alt genau das Haus ist, weiß niemand. Fest steht nur: Bereits 1767 hat Friedrich der Große ein Privileg unterzeichnet, das auf eine dort bereits eingerichtete Apotheke Bezug nahm. „Es soll der Apothequer Johann Caspar Kieck Freyheit haben, zu Treptow an der Tollense auf seine Kosten eine hinreichende Officin mit allem Zubehör in der acquirirten Lüttkemannschen Apotheque einzurichten“, zitierte die Lokalzeitung Nordkurier vor einigen Jahren aus dem königlichen Beschluss. Demnach hat besagter Lüttkemann seine Apotheke dort bereits 1707 eingerichtet.

Besser dokumentiert ist die Geschichte des Hauses im 20. Jahrhundert. 1904 übernahm ein gewisser Paul Schröder die darin befindliche Adler-Apotheke, der offensichtlich mit stattlicher Lebenskraft gesegnet war: Ein halbes Jahrhundert führte er sie, bis er 1954 starb. Zwei Jahre zuvor musste allerdings noch auf Drängen der Staatsmacht der namengebende schwarze Adler vom Gebäude entfernt werden. Sieben Jahre nach Ende des Faschismus, argumentierte die SED-Bezirksleitung Neubrandenburg damals, sei es nicht mehr zumutbar, dieses Symbol preußischer Herrschaft so zentral im Stadtbild zu erhalten.

Peter Malchow, langjähriger Apothekenleiter nach Schröder, verteidigte sich noch: Der Adler habe nichts mit Preußen zu tun, sondern lediglich mit der Apotheke selbst, die wie viele andere nunmal einen Tiernamen trage. Doch es half nichts, der Wappenvogel musste weg. Vor der wahrscheinlichen Vernichtung konnte Malchow ihn dennoch retten: Er gab den Raubvogel einem Westbekannten mit, der ihn außer Landes brachte und später dem Deutschen Apotheken-Museum in Heidelberg schenkte. Dort kann er noch heute begutachtet werden.

Noch vor der deutschen Wiedervereinigung war es vorbei für die Adler-Apotheke, Apotheker-Witwe Elli Malchow wohnte allerdings noch bis 1996 in dem Gebäude; seit im Folgejahr die letzte Mieterin auszog, stand es leer. Über 20 Jahre hatte die Stadt vergebens versucht, einen neuen Nutzer für das historische Gemäuer zu finden. „Jahrelang haben wir das Objekt angeboten, aber es hat sich kein Apotheker gefunden, der den Aufwand auf sich nimmt“, erklärt die Altentreptower Stadträtin Silvana Knebler. Denn weil das Gebäude unter Denkmalschutz steht, war mit erheblichen Kosten zu rechnen, die kein privater Investor für ein Objekt in einer Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern auf sich nehmen wollte.

Doch eines Tages trafen sich dann Bedarf und Angebot: Im Rahmen einer Gebietsreform fusionierte die Stadt Altentreptow mit zwei umliegenden Ämtern. „Von da an war es ein Anliegen der Stadt, die Verwaltung an einem Ort zusammenzuführen“, erzählt Knebler. Und da hatte die ehemalige Apotheke einen enormen Standortvorteil: Über ihren Hinterhof kommt man nämlich direkt ins Rathaus. So fiel 2014 der Entschluss, dass die Stadt die alte Adler-Apotheke selbst saniert.

Und in der Tat, es wurde teuer. War zu Baubeginn mit Kosten von zwei Millionen kalkuliert worden, wurden es am Ende 2,6 Millionen Euro – 30 Prozent mehr. Das Geld kam aus Städtebaufördermitteln, vom Landkreis, dem Land Mecklenburg-Vorpommern und zu einem nicht ganz unerheblichen Teil von Spendern. 135.000 Euro hatten die dazu gegeben. Die Restaurationsarbeiten brachten Unerwartetes und unerwartet Teures zutage, beispielsweise eine alte Decke mit historischen Gemälden und eine Holzvertäfelung, die restauriert werden mussten.

Entsprechend des für eine kleine Gemeinde erheblichen Aufwands war auch das Interesse daran groß, was sie denn aus dem Geld gemacht hat. 500 Menschen – jeder zehnte Einwohner des Städtchens – kamen laut Knebler Ende März zu einem Tag der offenen Tür anlässlich der bevorstehenden Eröffnung. Das Feedback sei durchweg positiv gewesen, erinnert sie sich. „Es macht auch ganz schön was her, wenn man da rein kommt“, sagt Knebler nicht ohne Stolz. „Das sieht schon sehr edel aus.“

Keine zwei Wochen später war es dann so weit: Der Umzug war abgeschlossen, der neue Trauungssaal konnte eingeweiht werden. Gleich zwei Paare gaben sich am 12. April, dem ersten Tag nach dem Umzug, das Ja-Wort in der ehemaligen Apotheke. Zuvor waren Trauungen im „sehr unpersönlichen“ Rathaussaal erfolgt, erklärt Knebler. Einige Sachen mussten bei der Premiere in der alten Apotheke noch improvisiert werden: Es fehlte an Deko, sodass die örtliche Standesbeamtin mit einem Blumenstrauß von zuhause aushelfen musste, und auch die Garderobe war noch nicht an ihrem Bestimmungsort. Das waren aber nur Details: „Die waren alle begeistert, dass es dort so schön war.“

Sorgen um die Arzneimittelversorgung in Altentreptow muss man sich übrigens trotz der Umwidmung der Offizin vorerst nicht machen: Mit zwei Apotheken auf 5000 Einwohner ist der Ort überdurchschnittlich gut versorgt.