Jeder dritte Kunde will Apotheken-App

Zur Plattform verpflichtet

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Berlin -

In der Phase des Corona-Lockdowns hat der Onlinehandel massiv zugelegt und dieser Effekt dürfte die Krise zumindest teilweise überdauern. Apotheken müssen ihren Kunden umso dringender auch digitale Angebote machen. Doch was wünschen sich diese überhaupt? Und können Apotheken das leisten? Die Noweda hat zu diesen Fragen beim Institut für Handelsforschung (IFH) eine Studie in Auftrag gegeben. Den Ergebnissen zufolge haben Apotheken durchaus Chancen sich zu behaupten – müssen sich aber beeilen.

Die schlechte Nachricht zuerst: 94 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass vielen Apotheker das Wissen sowie die finanziellen, technischen und personellen Ressourcen fehlen, um im „digitalen“ Wettbewerb bestehen zu können. Und 69 Prozent sind der Meinung, dass Vor- Ort-Apotheken bei digitalen Angeboten und Services Nachholbedarf haben. Die gute Nachricht: Viele Onlineshopper würden ihre Arzneimittel lieber bei einer Vor-Ort-Apotheke bestellen, wenn die Bedingungen gegeben sind.

Bei den Digitalangeboten einer Vor-Ort-Apotheke sind die Ansprüche der Kunden gestiegen. Das Vorhandensein einer Homepage wird heute ohnehin vorausgesetzt, aber auch beim Onlineshop gaben immerhin 46 Prozent an, dass sie diesen für selbstverständlich ansehen oder den Apotheken ans Herz legen würden, ernsthaft darüber nachzudenken. Bestellplattform (37 Prozent) und Apotheken-App (32 Prozent) liegen zwar etwas dahinter, das Potenzial ist dennoch erkennbar. Auf der anderen Seite gaben 62 Prozent der Teilnehmer an, dass eine Apotheke keine Präsenz auf Amazon braucht, nur 4 Prozent halte diese für unerlässlich.

Die zentralen Fragen der Studie: Wie verändern sich das Konsumentenverhalten und der Einzelhandel im digitalen Zeitalter und welche Rolle spielt die Coronakrise dabei? Welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich aus der Digitalisierung speziell für Apotheken? Was müssen Apotheken im Kontext der Digitalisierung tun, um im Wettbewerb bestehen zu können? Hierzu wurden Mitte Dezember 1000 Apothekenkunden befragt.

Zunächst zur Verteilung der Kunden: Etwa die Hälfte der befragten Internetnutzer (49 Prozent) kaufen Medikamente ausschließlich vor Ort. Fast ebenso viele (46 Prozent) werden dem „selektiven Kundentyp“ zugerechnet, der beide Kanäle benutzt. Und 5 Prozent beziehen ihre Arzneimittel nach eigenen Angaben ausschließlich online. Insgesamt sind Menschen bei Medikamenten zurückhaltender bei Online-Geschäften: Zwei Drittel der treuen Vor-Ort-Kunden kaufen mindestens einmal pro Monat andere Waren im Internet.

Wasser auf die Mühlen der Versandkritiker: 88 Prozent der „selektiven Apothekenkunden“ bestellen bei Versendern häufig Medikamente, bei denen sie keine Beratung benötigen und gehen im anderen Fall in eine Vor-Ort-Apotheke. Als Vorteile der Versender werden angegeben: günstige Preise, bequeme Bestellung auch außerhalb der Öffnungszeiten, eine große Auswahl sowie schnelle und bequeme Lieferung. Auf der Schattenseite stehen die fehlende persönliche Beratung, das umständliche Einreichen von Rezepten, die Verzögerungen bei der Lieferung, Angst vor Arzneimittelfälschungen und Bedenken wegen der Temperaturen beim Transport.

Doch auch die Apotheke vor Ort hat laut Umfrage eine erhebliche Schwachstelle: 88 Prozent geben an, dass das Arzneimittel nach Einreichen des Rezepts häufig erst noch bestellt werden müsse. Sie fänden es deshalb gut, wenn man online vorbestellen könnte, um die Medikamente später in der Apotheke abzuholen oder sich vom Botendienst bringen zu lassen. Genau auf diesen Service zielen die Plattformen ab. Als Top-Argument für die Online-Vorbestellung bei einer Vor-Ort-Apotheke ist laut Umfrage die Sicherheit, dass das Medikament dann auch wirklich da ist. Das Hauptargument dagegen ist übrigens die hohe Verfügbarkeit von Apotheken in unmittelbarer Nähe.

80 Prozent der Kunden, die heute auch online bestellen würden laut Umfrage Medikamente bei Vor-Ort- Apotheken bestellen, wenn sie ein digitales Rezept direkt übermitteln könnten. Und 75 Prozent dieser Kundengruppe würden bei der eine Onlinebestellung bei Vor-Ort- Apotheken reinen Arzneimittelversendern vorziehen, wenn sie die Wahl hätten. In der Gruppe der treuen Vor-Ort-Kunden sind es sogar 93 Prozent. Das klingt nach einem starken Argument für die Plattform, wobei die Bedeutung eines Preisvergleichs in der Umfrage nicht erfasst wurde.

Klar ist, dass die Apotheken den Onlinehandel nicht mehr völlig ausblenden können: Die Zahl der Onlineshopper wächst weiter. Vor allem die Altersgruppe 60+ holt auf, hier lag der Anstieg zwischen 2017 und 208 bei 11 Prozent. Ein ebenfalls wichtiger Faktor für die Bedeutung des Online-Handels sind die Pro-Kopf-Ausgaben im Onlinehandel, denn diese steigen kontinuierlich. Die Autoren der IFH-Studie gehen davon aus, dass sich dieser Trend in der Coronakrise deutlich verstärkt hat.

Dagegen ist die Kundenfrequenz im Einzelhandel in den vergangenen Jahren gesunken. Während 1A-Lagen an attraktiven Standorten noch gut über die Runden kommen, äußert sich der Rückgang an weniger attraktiven Standorten oftmals umso stärker. Und zwischen 2010 und 2019 ist die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte in Deutschland um 38.700 oder 10 Prozent gesunken; die Zahl der Unternehmen sank sogar um 13 Prozent. Bis zum Jahr 2030 sei deutschlandweit mit einem weiteren Rückgang an Geschäften zu rechnen, je nach Handelsszenario um bis zu 25 Prozent, berichtet das IFH.

Aktuell wird laut Studie rund jeder zehnte Euro online umgesetzt. Was im Umkehrschluss nicht anderes bedeutet, als dass etwa 90 Prozent der Umsätze im Einzelhandel nicht online erzielt werden. Auffällig ist, dass immer mehr Einkäufe „online vorbereitet“ werden – hier liegt auch für die Apotheken eine Chance.

„Vor-Ort-Apotheken müssen den Aktivitäten der Versender mit eigenen (Vor)Bestellsystemen und Lieferdiensten entgegentreten, um Umsatzverluste und Apothekenschließungen zu verhindern. Zur Profilierung gegenüber Versandhändlern empfehlen sich für Vor-Ort-Apotheken Omnichannel-Konzepte, bei denen On- und Offlinevertriebskanäle sinnvoll miteinander kombiniert werden“, so Dr. Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am IFH Köln und Autor der Studie.

 

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