Versandapotheken

Wie DocMorris einen Apotheker reich machte

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Berlin -

Bei seiner Mission, den deutschen Markt zu konsolidieren, setzt Walter Oberhänsli, CEO von Zur Rose, nicht nur auf Rabatte, sondern auch auf Zukäufe. Mit Vitalsana und Eurapon hat er sich im vergangenen Jahr gleich zwei Konkurrenten einverleibt – und dabei erstaunlich hohe Kaufpreise bezahlt. Operativ steckt Zur Rose tief in der Verlustzone – mit Absicht, wie das Management erklärt.

18,4 Millionen Euro zahlte Zur Rose für die ehemalige Schlecker-Tochter Vitalsana, zuzüglich einer Million Euro an Transaktionskosten. Bei einem Umsatz von 30 Millionen Euro im Jahr 2016 ergibt sich damit ein Multiple von 61 Prozent. Wie viel der bisherige Eigentümer Ströer zusätzlich an Werbeflächen spendiert, ist nicht bekannt.

Noch besser lief es für Kubilay Talu: 46,6 Millionen Euro zahlt Zur Rose für Eurapon, das sind fast 90 Prozent des Umsatzes von 52 Millionen Euro im Jahr 2016. 18 Millionen Euro erhielt der Apotheker sofort, ein halbe Million Euro wird im Juni überwiesen. Weitere 11,5 Millionen Euro wurden bis 2020 gestundet. Die restlichen 16,6 Millionen Euro hängen von der Umsatzsteigerung gegenüber dem Vorjahr sowie der Entwicklung neuer und bestehender Kunden ab. Im Vertrag ist kein Maximalbetrag genannt.

Rund 220 Millionen Schweizer Franken hatte der Börsengang im vergangenen Jahr in die Kasse gespült, abzüglich Rückzahlung von Verbindlichkeiten von 56 Millionen Franken konnten so 166 Millionen Franken an frischem Kapital gewonnen werden. Die Kriegskasse ist gefüllt: Nach Abzug der Anschaffungskosten waren zum Jahreswechsel 107 Millionen Franken auf der hohen Kante.

Das Geld will Zur Rose auch weiterhin für ein aggressives Wachstum nutzen: „Unseren Ansatz, über ein verstärktes Marketing zu wachsen, behalten wir weiterhin bei. Wir nehmen damit bewusst rote Zahlen in Kauf“, so Oberhänsli. Im vergangenen Jahr wies Zur Rose einen Fehlbetrag von 36 Millionen Franken aus, nach 13 Millionen Franken im Vorjahr. Auch 2018 soll das Ergebnis negativ sein.

„Ab einem gewissen Punkt der Marktdurchdringung werden wir den Marketingaufwand relativ zum Umsatz reduzieren können, was uns dann in die schwarzen Zahlen führen wird“, verspricht Oberhänsli. Vorerst laute die Devise aber: „Wachstum, Wachstum, Wachstum.“

Auch DocMorris-Chef Olaf Heinrich sieht die „aktive Teilnahme an der Marktbereinigung“ ganz oben auf der Agenda: „Wir sehen nach wie vor ein beträchtliches Wachstumspotenzial in Deutschland.“ Ein großes Thema sei die absehbare Konsolidierung im OTC-Markt, verursacht durch einen verschärften Wettbewerb. „Wir werden eine aktive Rolle spielen“, so seine Kampfansage. „Die Entwicklung stimmt uns sehr zuversichtlich, die weitere Marktkonsolidierung erfolgreich nutzen zu können.“

Bei Zur Rose hofft man, dass die Digitalisierung die Entwicklung beschleunigt: „Wir gehen davon aus, dass im deutschen Gesundheitssystem E-Health Anwendungen, Plattformlösungen sowie ein digitales Medikationsmanagement künftig eine zentrale Rolle spielen werden“, so Heinrich. „DocMorris entwickelt sich daher Schritt für Schritt vom Arzneimittelhändler zum digitalen Gesundheitsberater.“

Doch auch den Schweizer Markt will Oberhänsli auf den Kopf stellen: „Wir leben in einem Markt, in dem kein Preiswettbewerb stattfindet, weil die Apothekenketten dem Großhandel gehören. Einer Kannibalisierung wirkt man entgegen, indem man das Niveau der Preise möglichst auf einem Höchststand hält. Unsere Initiative, über den stationären Handel das Angebot für den Konsumenten zu vergrößern, ist ein Erfolg versprechender Weg, zumal wir mit relevanten Rabatten operieren – faktisch als einzige in der Schweiz. Wir sehen in unserer Strategie viel disruptives Potenzial, den Schweizer Markt zu verändern.“

Opfer der Entwicklung sind derzeit rund 40 Mitarbeiter von Zur Rose in Halle/Saale. Weil die Logistik zur Jahresmitte am Standort aufgegeben wird, fallen ihre Stellen weg. 90 Köpfe sollen bleiben, denn vor Ort soll ein Servicecenter für die gesamte Gruppe aufgebaut werden. Die Mitarbeiter von Eurapon in Bremen bekommen noch Zeit: Erst „mittelfristig“ soll das Versandgeschäft in Heerlen abgewickelt werden. Vorerst braucht Zur Rose die erst 2014 bezogene Halle mit immerhin 4500 Quadratmetern noch. Denn der ebenfalls 2014 eingeweihte Neubau von DocMorris mit rund 10.000 Quadratmetern Fläche ist zwar auf bis zu 30.000 Pakete am Tag angelegt. Doch nach wie vor werden viele Prozesse händisch erledigt, die Skalierbarkeit stößt damit an Grenzen. So brauchen die Schweizer Unternehmer mit ihren saudischen und amerikanischen Investoren für ihre niederländische Versandapotheke einstweilen einen deutschen Partner – Zweifel, dass die Wachstumsstory durch Apothekenrecht aufgehalten werden könnte, gibt es nicht.

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