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Whatsapp schmeißt Apotheken raus

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Berlin -

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat Whatsapp-Vorbestellungen in der Apotheke fast unmöglich gemacht, aber nur fast: Mehrere Unternehmen versuchen seitdem, mit neuen Angeboten ein Geschäft aus den rechtlichen Einschränkungen zu machen und in Zusammenarbeit mit Whatsapp-Premiumpartnern DSGVO-konforme Kanäle für Apotheken anzubieten. Doch nun hat ausgerechnet Whatsapp selbst den Apothekern den Stecker gezogen: Der Messengerdienst verbietet Apothekenkanäle in Deutschland. Wer als Apotheker weiterhin auf eigene Faust Whatsapp-Dienste anbietet, verstößt damit nicht nur gegen die DSGVO, sondern auch gegen die Handelsrichtlinien der Facebook-Tochter. Das kann zur Löschung des Whatsapp-Accounts führen.

Apotheken müssen immer digitaler werden, gleichzeitig erschwert die Rechtslage Innovationen: Whatsapp hat fast jeder Smartphone-Besitzer und damit ein Großteil der Verbraucher in Deutschland. Naheliegend also, dass Apotheken den Messenger-Dienst für Vorbestellungen und Beratungsleistungen genutzt haben. Doch im März 2018 war es damit vorerst vorbei: Nach DSGVO-Kriterien ist Whatsapp, das Daten nicht nur speichert, sondern auch in die USA – nach EU-Definition unsicheres Drittland – sendet, für sensible Informationen wie Rezepte oder Arzneimittelbestellungen nicht geeignet.

Viele Betriebe wollen solche Serviceleistungen natürlich trotzdem anbieten – DSGVO-konforme Whatsapp-Anwendungen mit Opt-in- und Opt-out-Optionen wurden damit zu einem neuen Geschäftsmodell. Schon ein knappes halbes Jahr nach Inkrafttreten der DSGVO ging mit „Whatsappotheke“ das erste dieser Angebote an den Markt und wurde quasi aus dem Stand Marktführer. Doch dieses Frühjahr kam der Knall: Im März hat Whatsapp verkündet, dass Premium-Partner keine Anwendungen für den Arzneimittelmarkt mehr anbieten dürfen.

Der Hintergrund sind die Handelsrichtlinien des Messengers: Die Facebook-Tochter arbeitet mit sogenannten Premiumpartnern zusammen. Diese können die Whatsapp-Benutzeroberfläche für ihre Bedürfnisse anpassen und dann wiederum Angebote für weitere Geschäftspartner bereitstellen. Dem Facebook-Partnerverzeichnis zufolge gibt es 48 solcher Premiumpartner – weltweit. Der einzige deutsche unter ihnen ist der Dienstleister Messenger People aus München (früher WhatsBroadcast), der eine Whatsapp-Anwendung programmiert hat, die auf die Bedürfnisse der Apotheker zugeschnitten ist. Das Unternehmen HealthcareComm wiederum bietet diese Anwendung als Whatsappotheke an.

Damit hat man in der Whatsapp-Führungsetage aber ein Problem. Denn die Handelsrichtlinien sind zwar in den USA beschlossen worden, aber weltweit einheitlich gültig. Und sie enthalten eine lange, bunte Reihe von möglichen Geschäftsbereichen, mit denen man bei Whatsapp nichts zu tun haben will: So dürfen keine Geschäfte getätigt oder beworben werden, die beispielsweise mit Alkohol, Tabak, Waffen, Pornographie, Prostitution, Sexspielzeug, Nutztieren, Glücksspiel, Körperflüssigkeiten, Perücken oder Kryptowährungen zu tun haben. Und das ist nur eine Auswahl. Eine weitere Richtlinie lautet: „Unternehmen dürfen sich nicht am Verkauf von illegalen oder Freizeitdrogen beziehungsweise verschreibungspflichtigen Medikamenten beteiligen.“ Auf Anfrage bestätigt Whatsapp den Ausschluss von Arzneimitteln durch die Handeslrichtlinie: Der Dienst sei beispielsweise für den Austausch sensibler Infomationen mit Ärzten oder Zahnärzten bestens geeignet, heißt es aus der Zentrale im kalifornischen Palo Alto, aber den Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wolle man nicht unterstützen.

Apotheken sind damit raus. Im März soll Whatsapp deshalb seine Premiumkunden informiert haben, dass Geschäfte mit Apotheken oder Arzneimittelhändlern tabu sind und eine Umgehung des Verbots schlimmstenfalls zum Entzug der Lizenz führen könnte – Unternehmen, die zum erlauchten Kreis der 48 Premiumpartner zählen, wollen dieses Risiko nicht eingehen und haben das Verbot weitergereicht. Warum die Bekanntmachung erst im März erfolgte, hat Whatsapp auf Nachfrage nicht erklärt.

Messenger People bestätigt das Verbot und erklärt den Hintergrund. Die Whatsapp-Dienste stünden zwar einer ganzen Reihe von Unternehmen zur Verfügung, aber: „Apotheken werden hierbei ausgeschlossen, da sie mit verschreibungspflichtigen Medikamenten handeln und in den USA nicht nur der Händler (d.h. Apotheke), sondern auch der Verkaufskanal verklagt werden kann“, so Chief Marketing Officer Matthias Mehner auf Anfrage. „In Europa hätten wir hier wieder andere Spielregeln, aber hier gibt es derzeit noch keine geographische Unterscheidung.“

Für Angebote wie Whatsappotheke kommt der Schritt einer mittleren Katastrophe gleich. „Das Projekt steht jetzt auf Hold“, sagt HealthcareComm-Geschäftsführerin Anna Schatz. „Wir haben es noch nicht abgeschrieben und verwalten die Channels noch, können aber keine Neukunden mehr akquirieren. Bis März hatten wir jeden Monat ein enormes Wachstum.“ Immerhin: Alle Kunden, die bereits vor der Entscheidung einen Vertrag unterzeichnet haben, können die Dienstleistung weiter nutzen. Messenger People hingegen verweist auf seine weiteren Angebote: „Im Moment können Apotheken ohne Probleme die anderen Messenger, die an unsere Messenger Communication Platform angeschlossen sind, für ihre Kundenkommunikation nutzen – zum Beispiel Telegram oder den Apple Business Chat“, so Mehner ohne zu erwähnen, dass deren Marktanteil nur einen Bruchteil dessen von Whatsapp beträgt.

Apotheken wiederum, die auf eigene Faust und informell Whatsapp-Dienste für ihre Kunden anbieten, verstoßen damit nicht nur gegen die DSGVO, sondern auch gegen die Nutzungsbedingungen von Whatsapp. Bekommt der Messengerdienst das mit, kann das – zumindest theoretisch – zur Sperrung und Löschung des Accounts führen. Dass Whatsapp das bei einer einzelnen Apotheke selbst mitbekommt, ist angesichts von 1,5 Milliarden Nutzern und 3 Millionen Unternehmen, die den Dienst nutzen, allerdings recht unwahrscheinlich. Schatz hofft nun auf eine Einigung, die die Apothekendienste wieder erlauben würde.

Dem Vernehmen nach versuchen die Premiumpartner seit der Entscheidung, bei Whatsapp eine Abmilderung zu erreichen. Ihr Argument: Die Einschränkung wurde vor dem Hintergrund des US-Arzneimittelmarktes getroffen. Der ist für seine Unterregulierung berüchtigt: So sind die USA beispielsweise die einzige Industrienation, in der Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel erlaubt – und entsprechend verbreitet – ist. Deutschland wiederum ist am anderen Ende der Skala: Auf dem hiesigen hochregulierten Markt ist nicht nur Rx-Werbung verboten, auch sämtliche anderen Kategorien, von OTC bis Nahrungsergänzungsmitteln, unterliegen teils strengen Regulationen. Whatsapp wendet dann aber ein: Dass diese Regulationen auch immer eingehalten werden, könne es nicht kontrollieren.

Unternehmen wie HealthcareComm und vor allem Apotheker, die den Kundenservice gern legal anbieten wollen, müssen nun auf eine Einigung zwischen Whatsapp und Drittanbietern hoffen. „Wir stehen im ständigen Austausch mit den relevanten Messenger-Unternehmen und sprechen regelmäßig über Einsatzmöglichkeiten von Messengern für Unternehmen aus den verschiedensten Branchen, auch für Apotheken“, verbreitet Mehner Zuversicht. „Welche Veränderungen es hier geben wird, können wir noch nicht sagen. Wenn, sind wir aber die ersten, die es erfahren werden – auch weil wir einer von wenigen WhatsApp Business Solution Providern sind – und interessierte Apotheken darüber informieren werden.“

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