AvP-Insolvenz

Was passiert mit den September-Rezepten?

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Berlin -

Am 20. eines Monats beziehungsweise dem darauffolgenden Wochentag werden bei AvP-Kunden regelmäßig die Rezepte abgeholt – also heute. Wie sollen sich die Apotheken verhalten? Viele betroffene Kollegen haben das Rechenzentrum in den vergangenen Tagen gewechselt. Doch es gibt Zweifel, dass das ausreichen könnte.

Viele betroffene Apotheker haben sich nach dem Ausbleiben der Abschlagszahlung beziehungsweise Insolvenzantrag rechtlichen Beistand gesucht. In der Regel wurde AvP außerordentlich gekündigt, außerdem wurde die Abtretung der Forderungen aus der Rezeptabrechnung widerrufen.

Juristisch entscheidend könnte sein, ob ein solcher Widerruf erst „ex nunc“ gilt, also ab dem Zeitpunkt, an dem er ausgesprochen wird – oder ob er eine rückwirkende Wirkung entfaltet und damit auch die Rezepte erfasst, die seit Anfang September aufgelaufen sind. Denn in der Regel übermitteln die Apotheken die Images vorab – auf dieser Grundlage können die Rechenzentren bereits Abschläge bei den Krankenkassen einfordern.

So manche Apotheke hat bei AvP sprichwörtlich den Stecker gezogen und auch keine Images mehr an das Rechenzentrum geschickt. Dennoch dürften auch hier nicht wenige Rezepte vorliegen, die vor Bekanntwerden der Probleme in der Apotheke eingelöst wurden. Und hier könnte die entscheidende Frage sein, ob die Kassen bereits Abschläge geleistet haben. Üblicherweise gibt es einen solchen regelmäßigen Geldtransfer bei allen Rechenzentren – Geld, das die Kassen bereits überwiesen haben, werden wohl kaum erneut abgerechnet werden können.

Um den betroffenen Apotheken zu helfen, werden sich die Beteiligten also schnell an einen gemeinsamen Tisch setzen müssen. Der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) hält es für zwingend erforderlich, dass ein geordneter Prozess angestoßen wird. „Insbesondere die rechtlichen Besonderheiten für die Apotheken, als unverzichtbare Institutionen in unserem Gesundheitssystem, müssen dabei angemessen berücksichtigt werden. Gleichzeitig muss aber auch Licht in die derzeit ausgesprochen unklare Situation der Mitglieder als Kunden der AvP Deutschland GmbH gebracht werden.“

Da AvP den Sitz in Düsseldorf hat, geht der AVNR davon aus, dass überproportional viele Mitglieder betroffen sind. „Dies spiegelt insbesondere auch die Vielzahl der Nachfragen besorgter Mitglieder bei uns auf der Geschäftsstelle wider. In zahlreichen Einzelgesprächen wurden und werden daher betroffene Mitglieder von uns beraten. Gleichzeitig führen wir zahlreiche Gespräche mit Lieferanten, Banken und Rechtsexperten, um an sofort wirksamen Hilfsmaßnahmen zu arbeiten. Auch mit den Medien steht der AVNR intensiv in Kontakt.“

An vorderster Stelle stehe jetzt aber aktuell der Kontakt zum Insolvenzverwalter von AvP, der unmittelbar stattfinden werde. „Ziel ist es, die berechtigten Interessen der unverschuldet in diese Situation geratenen, betroffenen Apotheken konsequent einzufordern, ebenso wie notwendige rechtliche Lösungen zu eruieren. Gleichzeitig sondieren wir auch Möglichkeiten, staatliche Bürgschaften für betroffene Apotheken zu erhalten.“

Nach dem Insolvenzantrag von AvP fliehen die Kunden in Strömen. Auch die Steuerberater der Apotheken empfehlen den Inhabern, sich schnellstmöglich ein neues Rechenzentrum zu suchen. Für den Außendienst der Mitbewerber eine heiße Phase – immerhin gibt es knapp 3500 potenzielle Neukunden. Gekämpft wird mit harten Bandagen und aggressiven Preisen.

Die Zeiten, in denen sich die standeseigenen Rechenzentren in ihren jeweiligen Stammgebieten kartellverdächtig in Ruhe gelassen haben, sind längst vergangen. Der Wettbewerb ist intensiv – und schon in diesem Frühjahr noch härter geworden. Vor allem das ARZ Darmstadt ist den Mitbewerbern mit einer besonders aggressiven Preispolitik aufgefallen: Eine Gebühr von 0,09 Prozent des Umsatzes mit einer Kappung bei 500 Euro Rezeptwert liegen deutlich unter dem Marktschnitt. Kostendeckend könne man erst am 0,12 Prozent arbeiten, so eine öfter gehörte Einschätzung.

Das ARZ Haan hat trotzdem den Kampfpreis aufgenommen und bietet ihn aktuell auch allen Apotheken, die AvP den Rücken kehren. Um die Kapazitäten zu schaffen, sollen kurzfristig Mitarbeiter aushelfen, die sonst andere Leistungserbringer abrechnen. Mit einem Dreischicht-System in der Rezeptabrechnung könnten bis zu 1000 Kunden zusätzlich an Bord genommen werden, heißt es aus Haan. Auch beim ARZ Darmstadt hat der Vertrieb das ganze Wochenende durchgearbeitet. Es würden stündlich neue Verträge abgeschlossen, heißt es vom Rechenzentrum.

Doch inzwischen hat Marktführer Noventi den Preiskampf angenommen: 0,079 Prozent ist der neue Tiefstpreis, ebenfalls mit einer Kappung bei den Rezeptwerten. Dem Vernehmen nach ist dem Branchenprimus zudem schon ein dicker Fang geglückt. Angeblich wurde ein Rahmenvertrag mit der Omincare-Gruppe geschlossen, die bislang bei AvP waren. Zwar entscheiden die 45 Zyto-Apotheken selbstständig, mit wem sie abrechnen, doch das Noventi-Angebot soll noch einmal unter dem allgemeinen Kampfpreis liegen. Bestätigt wurde der Deal bislang allerdings nicht.

Beim Wettbieten um bisherige AvP-Kunden machen aber nicht alle Rechenzentren mit: NARZ/AVN hat sich bewusst gegen Sonderkonditionen entschieden, um die Bestandskunden nicht zu düpieren. Natürlich werde man allen AvP-Kunden, zur Seite stehen, die Hilfe benötigen, heißt es aus Bremen. Die meisten betroffenen Apotheken werden froh sein, wenn sie jetzt überhaupt kurzfristig eine Lösung finden. Kapazitätsprobleme sollte es nach Einschätzung der Branche nicht geben, sodass notfalls alle AvP-Kunden versorgt werden könnten, wenn der Geschäftsbetrieb eingestellt wird.

Die AvP-Insolvenz sorgt für Bestürzung und Existenzängste. Insolvenzexperte Dr. Rainer Eckert beantwortet Ihre Fragen – heute ab 13 Uhr live bei APOTHEKE ADHOC.

 

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