Bombastus

„Wir mussten erst einmal Marktwirtschaft lernen“ Carolin Bauer, 04.10.2015 07:55 Uhr

Berlin - 

Enteignung, Kombinate, Versorgungsdepots. Ostdeutsche Unternehmer traf die Teilung Deutschlands hart. Der Teehersteller Bombastus versuchte während der DDR-Zeit, sich gegen das SED-Regime durchzusetzen, und schickte eine kleine Außendienst-Truppe in die 16 Bezirke. Die Zwangskollektivierung haben der sächsischen Firma aber auch zu ihrer heutigen Größe verholfen.

Die Firma wurde 1904 von Emil Bergmann, Max Däbritz und Otto Braune im sächsischen Freital gegründet. In den Nachkriegsjahren wurde ein Teil der in Leipzig hergestellt: Bombastus übernahm die „Fabrikationsstätte für die Zubereitung von Arzneimitteln“, auf die der Phytohersteller Dr. Willmar Schwabe zurückgeht. Das Werk stand zum Verkauf, nachdem der Inhaber in den Westen gezogen war.

Apotheken wurden vor der Wende kaum beliefert. Angeboten wurden Präparate zur Mundpflege wie die Marke Sedative sowie Schwefelbäder für Haare und Gesicht. Außerdem gab es verschreibungspflichtige Arzneimittel; auch Schüßler-Salze hatte Bombastus im Gepäck.

Der wichtigste Vertriebskanal für Bombastus waren Drogerien und Kaufhallen. „Wir hatten freie Handelsvertreter, obwohl es vom Staat nicht gewollt war“, sagt Vertriebsleiter Wieland Prkno. Die fünf Mitarbeiter besuchten vor allem die Drogisten und Kaufhallen. Die Produkte wurden in firmeneigenen Kleinbussen nachgeschickt – entgegen der Vorgaben der Partei.

Denn die Vermarktung sollte eigentlich zentral geschehen: In Zeiten der Planwirtschaft wurden pharmazeutische Produkte hauptsächlich über Messen in Leipzig vermarktet. Mit den Versorgungsdepots (VD) gab es nur eine Form des Großhandels. Die Hersteller stimmten die Absatzzahlen für ein Jahr ab und legten monatliche Liefertermine fest. Das gleiche System gab es für Drogerien und Kaufhallen.

Ab den 1970er Jahren wurde Bombastus wie andere Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern zwangsweise von den Genossen verstaatlicht. Das Unternehmen wurde mit dem Pharmazeutischen Werk Halle zusammengelegt. „Die Landesregierung hat uns aber das Geschäft machen lassen und stand nur als Eigner im Hintergrund“, sagt Prkno. In den 1980er Jahren trieb die SED Kombinate voran. Bombastus wurde an das Arzneimittelwerk Dresden mit dem Betriebsteil Li-il Arzneibäder angegliedert.

Der politische Eingriff stellte sich als zukunftsweisend heraus. Denn mit der Zusammenlegung kamen auch Teemischungen zum Portfolio. Bis dahin hatte Bombastus nur Salbeitee sowie Erzgebirgstee angeboten. Hinter dem eisernen Vorhang wurde auch der Kontakt zum Westen gepflegt: Nach dem Mauerbau suchte der Hersteller nach Wegen, um die BRD weiter beliefern zu können. Nach dem Ende der DDR konnten die Geschäftsbeziehungen jedoch noch nicht sofort aufgefrischt werden. Denn der Einheitsvertrag habe eine zweijähriges Vertriebsverbot in die alten Bundesländer vorgeschrieben, erinnert sich Prkno.

Unterdessen wurden die angegliederten Firmen an die eigentlichen Inhaber zurückgegeben. Dadurch kam die Produktion zum Stocken. Den Versorgungseinrichtungen sei der Tee ausgegangen, so Prkno, der in den Umbruchzeiten die Vertriebsleitung übernommen hatte. Der Hersteller reagierte und baute eigene Produktlinien auf.

Als der Vertrieb in die BRD 1993 startete, arbeitete Bombastus mit Dienstleistern zusammen. „Wir mussten erst einmal selbst Marktwirtschaft lernen“, so Prkno. Der Westen sei eine neue Welt gewesen. Von den fünf Vertriebsfirmen arbeitet Bombastus heute noch mit einer Hamburger Firma zusammen. Im Osten gab es einen flächendeckenden Außendienst. „Ost-Apotheken wurden von Westprodukten überschwemmt“, so Prkno. Die Pharmazeuten hätten sich über die vertrauten Vertriebsmitarbeiter gefreut, und gesagt: „Schön, endlich ein Ossi.“ Jede Neugründung sei begleitet worden.

Bombastus wurde nach dem Mauerfall reprivatisiert und 2000 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Seitdem wurden rund 19 Millionen Euro in Produktion, Lagerung und Anbau investiert. Im vergangenen Jahr erzielte der Hersteller mit knapp 140 Mitarbeitern einen Umsatz von etwa 12 Millionen Euro. In diesem Jahr wird ein Wachstum erwartet. Zum Sortiment gehören neben Tee auch Arzneimittel, Kosmetika und ätherische Öle.