EU-Versandapotheke

Strafanzeige wegen Insolvenzverschleppung Alexander Müller, 26.07.2018 10:39 Uhr

Berlin - 

Hat die frühere Inhaberin der mittlerweile stillgelegten EU-Versandapotheke ihre Insolvenz verschleppt? Bei der Staatsanwaltschaft Cottbus ist eine Strafanzeige mit genau diesem Vorwurf eingegangen. Gleichwohl ist Apothekerin Dr. Bettina Habicht noch aktiv: In einer Massenmail an Ex-Kunden empfiehlt sie in diesen Tagen erneut die Shop-Apotheke – inklusive Sonderrabatt.

Dass die EU-Versandapotheke Monate vor ihrem Aus am 23. Februar 2018 Liquiditätsprobleme hatte, ist verschiedentlich belegt. Großhändler lieferten gar nicht mehr oder nur noch gegen Vorkasse, Kunden mussten wochenlang auf ihre bestellten Arzneimittel warten, Bestände im Lager wurden gezielt abverkauft. Mal wurde an den Zahlungsmodalitäten geschraubt, mal die Rezepte an „Partnerapotheken“ vermittelt, um schneller an Geld zu kommen. Schließlich wurde Habicht von der Aufsichtsbehörde die Versanderlaubnis entzogen.

Zugespitzt hat sich die Lage in Cottbus im Herbst, doch der Anfang vom Ende der Versandapotheke datiert schon auf den Beginn des Jahres 2017. Habicht hatte fällige Zahlungen an Phoenix zurückgehalten, angeblich wegen eines Millionenbetrags, den ihr früherer Finanzchef schon 2014 zu Unrecht an den Großhändler überwiesen haben soll. Die Parteien streiten in dieser Sache noch immer vor dem Landgericht Cottbus.

Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC durfte Habicht den Kaufpreis von rund 3,3 Millionen Euro in monatlichen Raten von 30.000 Euro an den ehemaligen Inhaber aus dem Gewinn der Versandapotheke abstottern. Phoenix unterstütze das Projekt mit einem großzügigen Zahlungsziel, drei Viertel der jeweils fälligen Summe wurde erst am 25. Des Folgemonats eingezogen. Für die ersten Rechnungen wurde ein Lastschriftverfahren vereinbart, das Bankmandat erst einige Wochen später griff. Diese Überweisungen greift Habicht jetzt an. Ihr damaliger Finanzchef hat im November 2017 Strafanzeige gestellt, wegen Betrug, Nötigung, Erpressung, falscher Verdächtigung, übler Nachrede und kreditgefährdender Verleumdung.

Dass Habicht die angebliche Falschüberweisung erst Jahre später aufgefallen sein will, wird auch von Phoenix naturgemäß bezweifelt. Mehrere damals beteiligte Personen haben an Eides statt versichert, dass die Kaufmodalitäten allseits bekannt waren. Kaufpreis und Verbindlichkeiten sind natürlich auch in den Jahresabschlüssen festgehalten. Vermutlich im Herbst wird das LG Cottbus entscheiden, ob Habicht ihre Forderungen gegen die Rechnungen von Phoenix aufrechnen darf oder nicht.

Parallel wird sich Habicht wahrscheinlich mit ehemaligen Angestellten streiten müssen. Etwa 50 Mitarbeiter für das Versandgeschäft waren über die Firma Equa Consulting angestellt, bei der Habichts Ehemann Sven Schumacher Geschäftsführer ist. Anfang März wurde Antrag auf Insolvenz gestellt, doch ein ordentliches Insolvenzverfahren ist noch immer nicht eröffnet. Offenbar hat das Amtsgericht noch Klärungsbedarf zur Frage der Zahlungsunfähigkeit. Für die Cottbuser Apotheke am Telering selbst ist kein Insolvenzverfahren bekannt. Die Staatsanwaltschaft Cottbus geht einem Sprecher zufolge jetzt dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung nach. Details zu der Anzeige konnte er nicht nennen.

Habicht und Schumacher sollen zuletzt noch versucht haben, einen Käufer für die Versandapotheke zu finden. Zwischenzeitlich war jedoch bekannt geworden, dass Habicht schon vor Jahren eine Kaufpreisabtretung unterschrieben hat – Habicht müsste Interessenten demnach an Phoenix verweisen.

Die Apothekerin wählte einen anderen Weg: Sie informierte die Kunden schriftlich über die Einstellung des Betriebs und empfahl mit sehr warmen Worten die Shop-Apotheke sowie die dazu gehörende Europa Apotheek. Ende vergangener Woche wurde die Aktion wiederholt, diesmal per E-Mail. „Vertrauen Sie in Zukunft auf die Vorteile von SHOP APOTHEKE und sichern Sie sich bei Ihrer ersten Bestellung einen Extra-Rabatt von 10 Prozent“, heißt es in dem Schreiben. Die Mails sollen Insidern zufolge an mehr als eine halbe Million Adressen verschickt worden sein.

Die Shop-Apotheke ließ eine Anfrage unbeantwortet, ob es eine Vereinbarung mit Habicht gab. Konkret: Ob die Shop-Apotheke für die Empfehlung eine Gegenleistung erbracht hat.