Patientin am Rande des Nervenzusammenbruchs

Shop-Apotheke: Geld weg, Rezept weg, falsche Medikamente verschickt

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Berlin -

Arzneimittel bei Versandapotheken zu bestellen, erscheint vor allem in der Coronakrise vielen Patienten sehr attraktiv: Anstatt vor die Tür zu gehen und sich in der Apotheke einer Infektionsgefahr auszusetzen, kann man sich seine Medikamente bequem nach Hause ordern. Das dachte sich auch Renate T. Also schickte sie ihr Rezept zur Shop-Apotheke – und begann damit eine Dienstleistungsodyssee, die sie an den Rand des Nervenzusammenbruchs brachte.

Eigentlich kann man ihre Entscheidung, bei der Shop Apotheke zu bestellen, nachvollziehen: Mit 76 Jahren gehört Renate T. nicht nur wegen ihres Alters einer Risikogruppe an, sondern leidet noch dazu an chronischer Bronchitis. Eine Covid-19-Erkrankung wäre für sie höchstwahrscheinlich lebensgefährlich. Mitte März, als die Pandemie hierzulande schwere Ausmaße anzunehmen begann und die Unsicherheit entsprechend groß war, packte sie das aktuelle Kassenrezept für ihre Schilddrüsenmedikamente deshalb in einen Umschlag und schickte es nach Venlo. Laut Homepage hätte sie das Paket zwei Tage später erhalten sollen.

Doch es kam nicht. Eine Woche später sollte sie es in einem Paketshop abholen. Da hätte die Bestellung eigentlich schon aufgehört, sich zu lohnen – aus dem Haus musste sie schließlich trotzdem, um ihre Medikamente zu erhalten. Was sie zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Damit fing der Ärger erst richtig an. „Im Hermes-Shop wurde mir das Paket mit den Medikamenten nicht übergeben, weil die Shop-Apotheke vergessen hatte, meinen Namen darauf zu vermerken“, erzählt T. Also wandte sie sich erneut an den Versender und bat um die Lieferung der von ihr dringend benötigten Medikamente. Was die Shop-Apotheke unterdessen nicht vergessen hatte, war die Abbuchung des Geldes für einen ebenfalls bestellten Artikel. „Am 26. März, also im Voraus, war von meinem Konto ein erhöhter Betrag in Höhe von 19,19 Euro abgebucht worden“, sagt sie. Der eigentliche Preis habe 12,33 Euro betragen.

Shop-Apotheke sagte T. währenddessen zu, ihr das Paket mit der vollständigen Empfängeradresse zuzusenden – doch Fehlanzeige, eine Woche später wiederholte sich das Ärgernis: „Obwohl ich explizit darum gebeten hatte, die Medikamente an meine Hausanschrift zu senden, da ich verstärkt coronagefährdet bin, wurden diese wiederum an den Hermes-Kiosk geschickt, so dass ich am 31. März erneut gezwungen war, in den Kiosk zu gehen, um das Paket abzuholen.“

Und auch bei der zweiten Sendung hatte es die Online-Apotheke offenbar nicht geschafft, den richtigen Empfänger auf das Paket zu schreiben. „In diesem Fall war zwar mein Name korrekt, allerdings waren ein anderer Straßenname und eine andere Hausnummer angegeben.“ Doch auch dieses Ärgernis war schnell vergessen, nachdem T. das Paket öffnete – und zu ihrem Entsetzen nicht das entdeckte, was sie bestellt hatte. „Zu allem Überfluss befanden sich in diesem Paket zum einen Medikamente im Wert von nur 12,33 Euro und zum anderen wurde das mit gesetztem Aut-idem-Kreuz verschriebene L-Thyroxin 75 von 1A Pharma einfach ausgetauscht durch Eferox, ohne vorher Rücksprache mit mir oder meiner Ärztin zu nehmen“, erklärt sie. „Das geht allerdings überhaupt nicht! Meine Ärztin hatte sich natürlich etwas dabei gedacht.“

Also setzte sie sich ans Telefon und versuchte, dem Versender das zu erklären. Doch das war gar nicht so einfach. Fünf verschiedene pharmazeutische Beraterinnen hatte sie am Telefon, die sie nach ihren Angaben allesamt dazu aufgefordert haben, einfach das Eferox zu nehmen, da es ja die gleichen Wirkstoffe beinhalte. Verwirrung stiftete bei T. zusätzlich, was sie entdeckte, als sie die Nummer, mit der sie sprach, recherchierte: Es war eine Telefonnummer von Red Tec Lab, dem IT-Dienstleister der Shop-Apotheke.

T. zeigt sich unterdessen entsetzt von der Qualität der Beratung: „Pharmazeutischen Beratern dürfte eigentlich bekannt sein, dass gerade bei Schilddrüsen-Medikamenten eine Ausnahme besteht“, sagt sie. So sei ihr TSH-Wert 2017 auf 15.850 mU/l angestiegen – der Normalwert liege zwischen 0.3500 und 4.500 mU/l. „Die Ursache dafür war, dass ich zuvor in der Apotheke Medikamente unterschiedlicher Hersteller erhalten hatte“, erklärt die 76-Jährige. Sie habe deshalb längere Zeit unter einer extremen Schilddrüsenunterfunktion mit erheblich gesundheitlich einschränkenden Nebenwirkungen gelitten.

Und nicht nur der Inhalt der Beratung, auch die Vorgehensweise der Berater macht sie wütend. „Die sogenannten Experten beziehungsweise der sogenannte Kundenservice der Shop-Apotheke, die ich nach einer Warteschleife von ungefähr 20 Minuten endlich ans Telefon bekam, mussten jeweils angeblich Rücksprache mit Ihrem Vorgesetzten halten, um mir zu antworten“, erzählt sie. „Danach meldeten sie sich allerdings überhaupt nicht.“

All das bedeutete neben den gesundheitlichen Sorgen vor allem: Stress. „Über einen Zeitraum von drei Wochen war die Angelegenheit äußerst nervenaufreibend für mich“, sagt sie. E-Mails seien grundsätzlich nicht beantwortet worden, schließlich wurde ihr aber die Möglichkeit angeboten, die Medikamente zurückzuschicken. „Ein Nachbar druckte mir hierfür einen Retouren-Aufkleber aus, so dass ich natürlich erneut gezwungen war, mit dem Paket den Hermes-Kiosk zum dritten Mal aufzusuchen.“ Zwischenzeitlich hatte sie sowohl per Post als auch per E-Mail jeweils einen Retouren-Aufkleber für DHL und Hermes erhalten – und wurde erneut böse überrascht.

„Fassungslos stellte ich fest, dass auf diesen nicht die Shop-Apotheke als Empfänger angegeben worden war, sondern ich selbst! Es war einfach nicht zu fassen. Damit hätte ich das Paket an meine eigene Anschrift geschickt!“, erklärt sie. „Das Personal ist offensichtlich komplett überfordert und scheinbar nicht in der Lage, zu lesen beziehungsweise meine E-Mails zu beantworten.“ Shop-Apotheke will sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern. „Wir bitten um Ihr Verständnis, dass aus Gründen der Apotheken-Schweigepflicht und des Datenschutzes Shop Apotheke Europe den Verlauf des Vorgangs öffentlich nicht nachzeichnen darf. Somit können wir nicht weiter auf die verschiedenen Punkte in der Kommunikation mit Dritten eingehen", so ein Sprecher. Eine unzureichende Beratung scheint dem Versender nach eigenen Angaben fernzuliegen. „Für alle Bestellungen wenden wir sehr hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards an. Zudem unterliegen wir, wie Sie wissen, als Online-Apotheke, wie alle anderen Apotheken auch, strengen gesetzlichen Anforderungen. Diese bilden wir in unseren Prozessen ab.“

Und auch die Geldfrage war noch nicht geklärt. „Mehrfach habe ich vergeblich darum gebeten, den zu Unrecht eingezogenen Betrag an mich zu erstatten.“ Da das nicht passierte und sie dazu auch keine Antwort erhielt, ließ sie den einbehaltenen Betrag am 13. April von ihrer Bank zurückbuchen. „Noch am selben Tag habe ich das der Shop-Apotheke mitgeteilt. Als Antwort erhielt ich darauf doch tatsächlich von dieser am Folgetag die Antwort: ‚Die Erstattung wurde heute angewiesen‘. Im Anschluss erhielt ich zu allem Überfluss die Mitteilung, ich möge den Betrag wieder zurücküberweisen, obwohl dieser zu diesem Zeitpunkt nicht auf meinem Konto eingegangen war. Auch das war ein Chaos!“

Und dann war da noch die Sache mit dem Rezept. Das lag nämlich noch in Venlo. T. schrieb erneut an die Shop-Apotheke und forderte sie dringend dazu auf, ihr das Original-Rezept von Mitte März – es war zu dem Zeitpunkt bereits einen Monat alt – zurückzusenden und ihrer Krankenkasse die zu Unrecht abgerechneten Medikamente zu erstatten. Erneut habe sie keine Reaktion erhalten. Also schaute sie sich in ihrem Frust im Internet um. „Dabei habe ich festgestellt, dass ich nicht die Einzige bin, die schlechte Erfahrungen mit der Shop-Apotheke gemacht hat“, sagt sie. Plattformen wie Trustpilot und Shopauskunft.de sind voll von negativen Bewertungen von Kunden, die ähnliche – wenn auch meist nicht so dramatische – Probleme mit der Shop-Apotheke hatten.

Also schloss sie sich an und hinterließ eine vernichtende Kritik. Und siehe da: Sobald es öffentlichkeitswirksam wurde, bewegte sich die Shop-Apotheke. „Erst nach Veröffentlichung meiner Negativ-Bewertung bestätigte mir die Shop-Apotheke für meine Hausärztin pauschal, dass das Kassenrezept nicht beliefert wurde und bei der Rezeptverrechnungsstelle zurückgefordert worden sei“, sagt sie. „Einen entsprechenden Beleg dafür, um den ich gebeten habe, gibt es angeblich nicht. Wie will man denn dort nachverfolgen, ob das Kassenrezept tatsächlich eingegangen ist?“ Das Rezept selbst hat sie bis heute nicht zurückbekommen.

 

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