OTC-Produkte

On/off bei Vigantoletten

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Berlin -

Vitamin D ist en vogue – und Merck ist mit seinen Vigantoletten Marktführer. Doch im Herbst ging es vorübergehend turbulent zu. Die Sticks durften zwei Monate lang nicht ausgeliefert werden, bei den Tabletten musste der Konzern seine Werbung einstampfen. In Darmstadt kämpft man darum, sich auch weiterhin generell zu den positiven Effekten von Colecalciferol und den Mangelsymptomen äußern zu können.

Am 7. September kassierte Merck vor dem Landgericht Hamburg (LG) eine einstweilige Verfügung. Dem Konzern wurden 68 Werbeaussagen im Zusammenhang mit den Vigantoletten untersagt; außerdem wurde ein komplettes Vertriebsverbot für die erst im vergangenen Herbst eingeführten Sticks verhängt.

Was war passiert? Merck hatte auf seiner Internetseite zahlreiche Vorzüge von Vitamin D aufgeführt. So hieß es etwa, Müdigkeit, Infektanfälligkeit und Antriebslosigkeit seien erste Anzeichen einer Unterversorgung. Als Anwendungsgebiet wurde außerdem neben Rachitis, Osteoporose und Kariesprophylaxe unter anderem Leistungsfähigkeit genannt. Vitamin D sei außerdem ein „echtes 'Knochenvitamin'“ und habe sich auch bei Muskelschwäche bewährt.

Das Problem: Vitamin D wird zwar von immer mehr Verbrauchern bei diesen Symptomen eingesetzt. Die Vigantoletten sind jedoch dafür nicht zugelassen. Indikationen sind laut Fachinformation die Vorbeugung von Rachitis und Osteomalazie bei Kindern und Erwachsenen, die Prävention von Rachitis bei Frühgeborenen sowie die „Vorbeugung bei erkennbarem Risiko einer Vitamin-D-Mangelerkrankung bei ansonsten Gesunden ohne Resorptionsstörung bei Kindern und Erwachsenen“. Außerdem können die Tabletten eingesetzt werden zur unterstützenden Behandlung der Osteoporose bei Erwachsenen.

Damit war Merck in der Vermarktung weit über das Ziel hinausgeschossen, denn die Aussagen über Vitamin D waren nicht von der Zulassung gedeckt. Noch schlimmer traf es die Granulatbeutel, denn diese dürfen als Nahrungsergänzungsmittel gar nicht mit gesundheitsbezogenen Aussagen beworben werden. Hier untersagte das LG nicht nur die Werbeaussagen, sondern auch gleich den Vertrieb der Produkte. Die Sticks seien als Präsentationsarzneimittel einzustufen – und damit mangels Zulassung nicht verkehrsfähig.

Immerhin: Am 22. September hob das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) die Verfügung in Teilen wieder auf. Die Werbeaussagen blieben zwar verboten, aber zumindest konnte Merck die Sticks wieder ausliefern. Am 10. November gab es dann auch ein Urteil in der Hauptsache, demzufolge Merck nur 30 Prozent der Verfahrenskosten zu tragen hat. Über die Anträge selbst musste nicht mehr entschieden werden, da diese zum Teil von Merck anerkannt und teilweise für erledigt erklärt worden waren.

Pünktlich zum Start der Saison konnte der Konzern im November die Apotheken informieren, dass das Gericht der Ansicht gefolgt sei, „dass Vigantoletten Sticks auch weiterhin ohne Einschränkungen in den Verkehr gebracht werden können“. „Somit stehen wir als Ihr Partner mit Vigantoletten in einer starken Vitamin D-Saison an Ihrer Seite“, schrieben Geschäftsführer Erich Nobis und OTC-Deutschlandchef Dr. Ralph Grobecker.

Zu den Hintergründen will man sich in Darmstadt nicht äußern; unklar ist daher, wer dem Konzern auf die Füße getreten ist. In der Branche scheint es jedenfalls keine weiteren Abmahnungen gegeben zu haben. Die Werbematerialien wurden mittlerweile überarbeitet, auch die Website ist seit Freitag mit neuen Inhalten wieder erreichbar.

Doch offenbar ist das Verfahren noch nicht beendet – anscheinend kämpft Merck darum, sich auch in Zukunft zu den Eigenschaften von Vitamin D äußern zu können. Das dürfte nicht unwesentlich sein, denn eine breite Zielgruppe setzt Colecalciferol nicht in den medizinischen Indikationen ein, sondern zur Besserung des Allgemeinbefindens.

Die Vigantoletten waren mit der Umstrukturierung des Konzerns von der Pharmasparte Serono zum OTC-Team in Darmstadt gekommen. Weil in dem Zusammenhang auch die Produktion von Darmstadt nach Spittal in Österreich verlagert wurde, kam es um den Jahreswechsel 2013/14 vorübergehend zu Lieferengpässen. Dann kam das Comeback; zum Jahresbeginn wurde die Marke zum ersten Mal überhaupt im Fernsehen beworben. Das Motto lautete: „Ein Lächeln steht mir einfach besser als ein Gähnen“.

Merck ist mit den Vigantoletten mit weitem Abstand Marktführer: Jeweils rund zwei Drittel der 7,5 Millionen Packungen im Wert von rund 55 Millionen Euro (Apothekenverkaufspreise, AVP) entfallen auf den in den 1960er Jahren eingeführten Klassiker. Dahinter folgen Vitamin D3 von Hevert mit einem Marktanteil von rund 20 Prozent und Dekristol von Mibe mit 4 Prozent. Vitamin D3 von Köhler und Vitagamma von Wörwag kommen auf je 2 Prozent, Dedrei von Rottapharm und Vitamin D Loges auf jeweils 1 Prozent.

Der Markt wächst nach wie vor um rund 20 Prozent pro Jahr. Zuletzt gab es einige Neueinführungen im hochdosierten Bereich. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte bis zu 4000 Internationale Einheiten (I.E.) pro Tag für zulässig erklärt, das entspricht 100µg. Damit sind die Nahrungsergänzungsmittel in höheren Konzentrationen erhältlich als die Arzneimittel, für die nach wie vor eine Obergrenze von 1000 I.E. gilt. Die Chance genutzt hatten unter anderem Mibe und Wörwag, die im November 2014 mit Dekristolvit beziehungsweise Vitagamma entsprechende Präparate auf den Markt gebracht hatten. Jüngster Neuzugang war vor drei Wochen Hevert.

Merck gehört mit einem Umsatz von 130 Millionen Euro (AVP) zu den führenden OTC-Herstellern in Deutschland. Zu den bekannten Marken gehören außerdem Kytta, Femibion, Nasivin, Cebion, Multibionta, Bion3, Epamax und Kohle Compretten. Positiv machten sich zuletzt die starke Nachfrage nach Femibion sowie die Neueinführung von Kytta Geruchsneutral bemerkbar. Neue Marken wie das Vitamin-B-Präparat Neurobion und das Hefemittel Floratil sollen auf lange Sicht für weiteres Wachstum sorgen.

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